KfW-Studienkredit „Allein die Zinszahlungen belaufen sich bei vielen auf 200 Euro im Monat“

Für die einstmals zinslosen Studentenkredite der KfW müssen junge Leute inzwischen knapp acht Prozent Zinsen berappen. Quelle: imago images

Zehntausende Studierende haben sich Kredite bei der Förderbank KfW besorgt. Doch deren Zinsen sind variabel, stark gestiegen – und treiben die jungen Leute in den Ruin, schildert der Studentenberater Jens Müller-Sigl.

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WirtschaftsWoche: Herr Müller-Sigl, Sie beraten seit vielen Jahren Studierende dabei, ihre Unizeit zu finanzieren. Haben Sie schon einmal eine solche Situation erlebt wie derzeit beim Studienkredit der Förderbank KfW?
Jens Müller-Sigl (Studentenwerk Oldenburg): Nein, etwas Vergleichbares ist mir noch nie untergekommen. Vor einigen Jahren mussten Studierende für diesen Kredit schon einmal sechs Prozent Zinsen aufbringen, aber die siebeneinhalb Prozent wie derzeit sind ein Rekord. Ich habe auch noch nie erlebt, dass die Zinsen binnen kurzer Zeit derart gestiegen sind: Noch bis zum vergangenen Herbst mussten die allermeisten Studierenden gar keine zahlen, dann stiegen diese erst auf 5,90 und im Frühjahr dieses Jahres auf 7,55 Prozent.

Also rennen Ihnen die Studierenden jetzt die Bude ein?
Ich hatte in meiner Beratung noch nie so viele Fälle. Das Interesse hat sich mindestens verdoppelt. Ich habe auch noch nie so viele Studierende beraten, die solch große Probleme wegen des KfW-Kredits haben. Das waren früher Einzelfälle.

Sie haben gerade schon die großen Probleme der Studierenden angesprochen. Könnten Sie diese einmal schildern?
Viele wissen einfach nicht mehr weiter, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Denn allein die Zinszahlungen belaufen sich bei vielen bereits auf 100 oder 200 Euro im Monat – und dass bei einem Gesamtbudget von 600, 700 oder 800 Euro. Und von dem Geld, das nach den Zinszahlungen übrigbleibt, müssen die Studierenden den Kredit auch noch tilgen, ihr WG-Zimmer finanzieren, das gut und gerne 300 oder 400 Euro im Monat kostet, und sich Lebensmittel kaufen.

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Nicht alle, die sich bei der KfW Geld geliehen haben, studieren noch, manche arbeiten auch schon.
Ja, aber deshalb kommen die nicht alle besser klar. Einige absolvieren gerade erst noch ihr Referendariat oder ihr Anerkennungsjahr, da verdienen die nicht viel. Und dann gibt es einige, die trotz Fachkräftemangels nach Abschluss des Studiums nicht sofort einen Job finden.

Die KfW hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Zinsen variabel sind, diese also anziehen, sobald die Zinsen insgesamt steigen. Wieso bringt der Zinsanstieg dennoch viele frühere und aktuelle Studierende in Bedrängnis?
Die sind einfach überrascht worden. Ich glaube, nur ganz wenige Experten haben damit gerechnet, dass die Zinsen in solch kurzer Zeit so stark steigen.

Die Zinsen der KfW-Kredite sind analog zu den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank geklettert, die seit dem Sommer vergangenen Jahres von 0 auf 4,25 Prozent gestiegen sind.
Ja, genau. Aber es ist doch ein Konstruktionsfehler der KfW-Kredite, dass deren Zinsen variabel sind und diese mit den Leitzinsen mitgestiegen sind. Bei Immobilienkrediten sind die Zinsen über zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre festgeschrieben. Und für die Studierenden könnte es im Herbst noch schlimmer kommen, weil die KfW die Zinsen abermals erhöhen darf. Da frage ich mich: Verlangen die dann demnächst zehn Prozent? Besonders dramatisch finde ich, dass einige Studierende nun Probleme bekommen, denen der KfW-Kredit als Lösung offeriert worden ist.

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von Anabel Schröter

Was meinen Sie damit?
In der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung die Bedingungen für die Kredite gelockert. Zudem waren die Darlehen seit dem Frühjahr 2020 bis zum Oktober vergangenen Jahres für die meisten Studierenden zinsfrei. Die Idee dahinter war gut: Die Bundesregierung wollte ihnen durch den einfacheren Zugang zu einem Darlehen ermöglichen, zu Ende zu studieren, weil ihre Nebenjobs weggebrochen waren, etwa in der Gastronomie. Allerdings hat sich niemand so richtig Gedanken darüber gemacht, wie es mit den Studierenden weitergeht, wenn die zinsfreie Zeit vorüber ist.  

Studierende können mit der KfW darüber verhandeln, ihre Rückzahlungsrate zu reduzieren, damit sie den Kredit weiter bedienen können. Ist das sinnvoll?
Natürlich rate ich dazu, jetzt sofort mit der KfW zu reden und dort auch mehr als einmal anzurufen.

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