Dave Calhoun Boeing-Chef tritt zurück

Legt Ende des Jahres sein Amt nieder: Dave Calhoun. Quelle: AP

Nach einer Serie von Sicherheitsmängeln in der Flugzeugproduktion kündigt Boeing-Vorstandschef Dave Calhoun seinen Rücktritt an. Auch weitere Top-Manager nehmen ihren Hut. Am Finanzmarkt kamen die Neuigkeiten gut an.

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Der US-Flugzeugbauer Boeing steht nach einer Serie von Sicherheitsmängeln in der Flugzeugproduktion vor einem Chefwechsel. Dave Calhoun verlässt das Unternehmen bis Jahresende, wie Boeing am Montag mitteilte. Der 66-Jährige stand zuletzt massiv in der Kritik für den Umgang des Unternehmens mit dem Vorfall vom 5. Januar, als bei einer fast neuen 737 Max 9 im Flug ein Rumpfteil herausgebrochen war. „Die Entscheidung zum Rücktritt war ganz alleine meine Entscheidung“, sagte Calhoun dem Sender CNBC. Er werde bei der Suche nach einem Nachfolger helfen.

Boeing-Aktie legt zu

Auch Verwaltungsratschef Larry Kellner und der für das Zivilflugzeuggeschäft zuständige Manager Stan Deal gehen. Deals Aufgabe werde von Stephanie Pope übernommen. Die Managerin hatte bei Boeing Anfang des Jahres die Leitung des Tagesgeschäfts übernommen. Steve Mollenkopf sei als neuer Aufsichtsratschef nominiert worden, hieß es weiter – er soll nun den Auswahlprozess für Calhouns Nachfolge leiten.

An der Börse wurde die Rücktrittsankündigung positiv aufgenommen: Die Aktie legte kurz nach Handelsbeginn an der New Yorker Börse am Montag um rund zwei Prozent zu. Seit dem Jahreswechsel hatte sie mehr als ein Viertel an Wert eingebüßt.

Boeing reagiert damit auf massive Kritik von Fluggesellschaften an seinem Umgang mit den jüngsten Sicherheitsproblemen beim Bestseller 737 Max. Bei dem Unfall im Januar war wenige Minuten nach dem Start einer Boeing 737-9 Max der Alaska Airlines in 4900 Metern Höhe ein türgroßes Stück der Kabinenwand herausgebrochen. Das Flugzeug konnte sicher zum Flughafen in Portland im US-Bundesstaat Oregon zurückkehren, Menschen wurden nur leicht verletzt. Calhoun nannte den Tag in seiner Stellungnahme einen „Wendepunkt für den Konzern“.

Bei Kontrollen wurden anschließend auch bei anderen Maschinen lose Teile und lockere Schrauben entdeckt, was Zweifel an der Konstruktion und dem Zulassungsverfahren des Boeing-Kassenschlagers geweckt hatte. In den Blickpunkt geraten ist in dem Zusammenhang der Rumpf-Zulieferer Spirit AeroSystems, den Boeing nun wieder selbst übernehmen will.

Calhoun will den Konzern den Angaben zufolge weiter durch das Jahr führen, um die die Stabilisierung des Unternehmens und seine Positionierung für die Zukunft abzuschließen. „Wir müssen weiterhin mit Demut und vollständiger Transparenz auf diesen Unfall reagieren“, schrieb der Manager an die Mitarbeiter. „Außerdem müssen wir auf allen Ebenen unseres Unternehmens ein umfassendes Engagement für Sicherheit und Qualität verankern.“

Ryanair und Southwest mussten Flugpläne kappen

Die US-Luftfahrtbehörde FAA nimmt die Produktion von Boeing und seinem Rumpfzulieferer Spirit Aerosystems bereits unter die Lupe. Auch die Unfalluntersuchungsbehörde NTSB und das US-Justizministerium ermitteln. Die NTSB-Ermittler gehen nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass an dem Rumpffragment vier Befestigungsbolzen fehlten. Auf Geheiß der FAA darf Boeing die Produktion der gesamten 737-Max-Reihe bis auf Weiteres nicht wie geplant ausweiten. Wegen der Verzögerungen in Boeings Produktion haben Fluggesellschaften wie der irische Billigflieger Ryanair und sein US-Pendant Southwest schon ihre Flugpläne gekappt.

Bei den jüngsten Untersuchungen bestand Boeing laut der „New York Times“ von 89 Überprüfungen einzelner Prozesse nur 56. Insgesamt seien 97 Verstöße festgestellt worden, berichtete die Zeitung Mitte März unter Berufung auf eine interne Präsentation. Wie schwerwiegend die Probleme waren, blieb unklar. Die FAA teilte bisher lediglich mit, sie habe mehrfach Verstöße gefunden.

„Jahrelang haben wir einer schnellen Produktion der Flugzeuge vor der Qualität Priorität eingeräumt, und das muss sich nun ändern“, sagte Boeing-Finanzchef Brian West. Die Sicherheitsmängel schrecken Kunden ab und hinterlassen inzwischen tiefe Spuren in der Bilanz. Zuletzt konnte der europäische Rivale Airbus Aufträge über 65 Flugzeuge bei zwei wichtigen Boeing-Kunden in Asien einsammeln.

Calhoun gilt als erfahrener Krisenmanager. Er hatte 2020 den Spitzenposten von Dennis Muilenburg bei Boeing übernommen; Muilenburg musste nach dem Absturz zweier Flugzeuge mit mehr als 300 Toten und dem darauf folgenden Flugverbot für die 737 Max gehen. Calhoun sollte das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen. Doch auf Erfolgskurs konnte Boeing bisher nicht zurückfinden.

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Erst am Freitag berichtete die Nachrichtenagentur AP, dass die Chefs der führenden US-Fluggesellschaften von Boeing Aufklärung darüber forderten, wie das Unternehmen seine Pannenserie in den Griff bekommen will. Es sei ein Treffen vereinbart worden, das voraussichtlich in der kommenden Woche stattfinden werde, bestätigten mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur AP am Donnerstag (Ortszeit). Zuerst hatte das „Wall Street Journal„ über das Ersuchen berichtet. US-Medien spekulierten bereits, dass Calhoun wohl nicht an dem Treffen teilnehmen werde.

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