Deutsche Reiseplattform Getyourguide: Ein Einhorn unter Druck

Weil auch andere Unternehmen erkannt haben, dass bei der Erlebnisvermittlung viel Geld hängen bleibt, muss sich Getyourguide mittlerweile gegen deutlich solventere Angreifer wie Airbnb und den Reiseriesen Tui wehren. Quelle: Jan Philip Welchering für WirtschaftsWoche

Getyourguide will nach der Rekordfinanzierung der japanischen Softbank die nächste Stufe seiner Expansion starten. Doch längst drängen Reiseriesen wie Tui, Airbnb und Booking ins Geschäft mit Ausflügen und Touren. Wird Deutschlands Vorzeige-Start-up allein stark genug oder bleibt nur der Verkauf an einen Großen?

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Zwei Türme, steile Klinkerwände von stellenweise 30 Meter Höhe, echte Fenster erst ab dem vierten Stock und als Eingang nur zwei enge Tor-Bögen, die in schluchtenartigen Innenhöfen enden: Von außen wirkt der Umspannwerk Ampere genannten braune Bau im Norden des Berliner Prenzlauer Bergs wie eine Festung. Die abweisende Architektur will auf den ersten Blick so gar nicht zu seinem neuen Mieter passen. Gerade erst hat hier Europas vielversprechendstes Online-Reiseunternehmen Getyourguide seine Zentrale eröffnet.

Getyourguide ist ein Phänomen. Über die Plattform des Unternehmens können Touristen Ausflugstouren, Tickets für Attraktionen und andere Erlebnisse buchen. Die geschäftsführenden Gründer Johannes Reck und Tao Tao gelten als Vorbilder der Gründerszene. „Sie sind hoch engagiert, fokussiert sowie paranoid genug aber ohne Star Allüren“, lobt Olaf Jacobi, Partner des Kölner Investors Capnamic Ventures. Dazu ist das „Grown-up“ (so die Eigenwerbung) finanziell in Topform. Es gilt als europäischer Marktführer bei der Vermittlung von Ausflügen und Erlebnissen im Urlaub. Die Berliner werden ihren Umsatz dieses Jahr wohl auf 200 Millionen Euro steigern.

Zudem weiß das Gründerduo Reck und Tao den wohl bekanntesten Hightech-Investor an der Seite: den Vision Fund der japanischen Softbank. Der Fonds war etwa die treibende Kraft bei der üppigen Refinanzierung von fast einer halben Milliarde Dollar im Mai. Der Deal gab Getyourguide einen Firmenwert von fast 1,8 Milliarden Dollar. Die Berliner sind zum Einhorn geworden, wie Investoren Start-ups mit der seltenen Bewertung ab einer Milliarde nennen.

Die größten Beteiligungen des japanischen Tech-Konzerns
WirecardBesiegelt: Der japanische Konzern Softbank steigt bei Wirecard ein. Softbank erhält Wandelschuldverschreibungen über 900 Millionen Euro, die in gut 6,92 Millionen Aktien von Wirecard gewandelt werden können. Das entspricht rund 5,6 Prozent des derzeitigen Wirecard-Grundkapitals. Die Laufzeit der Wandelanleihe beträgt fünf Jahre. Der Hintergrund: Als Telekommunikationsunternehmen gestartet, versteht sich Softbank heute als Technologiekonzern. Vorstandschef Masayoshi Son will mit Softbank eine Informationsrevolution starten - und agiert mittlerweile als Risikoinvestor indem er sich die Expertise über andere Unternehmen und Start-ups einkauft. Mit dem Softbank Vision Fonds haben die Japaner in diesem Jahr den weltweit größten Private Equity-Fonds aufgelegt, der in junge Wachstumsunternehmen investiert. 100 Milliarden Dollar ist er schwer - neben dem Staatsfonds Saudi Arabiens schießt auch Tech-Gigant Apple Gelder zum Fonds bei. Nun wächst das Reich des Tech-Beteiligungsriesen weiter. Ein Überblick. Quelle: dpa
WeWorkWeWork vermietet Arbeitsplätze in hippen Büros an Selbstständige und Gründer. Statt Einzelgängern wird aus ihnen in den Büros wieder eine Gemeinschaft. Über den Vision Fund investierte Softbank schon 2017 mehr als vier Milliarden Dollar in das Konzept des US-Start-ups. Zuletzt dürfte die Beteiligung aber wenig Freude bereitet haben. Bei WeWork läuft es gerade offenbar nicht rund, der für September 2019 geplante Börsengang wurde verschoben.Aktueller Softbank-Anteil und Marktwert unbekannt(Quelle für Beteiligungen: Bloomberg) Quelle: REUTERS
SlackMehr als 250 Millionen Dollar investierte Softbank im Jahr 2017 in den Büro-Nachrichtendienst Slack. Damals wurde das Unternehmen nach Informationen des Finanznachrichtendienstes CNBC mit gut 5 Milliarden Dollar bewertet. Im Sommer ging es an die Börse – und ist nun 14,3 Milliarden wert. Softbank hält laut Börsenprospekt gut sieben Prozent der Anteile an Slack.Softbank ist für für 250 Millionen Dollar beteiligt. Quelle: REUTERS
UberDer Fahrdienstvermittler Uber sorgt weltweit für Schlagzeilen - und hat damit auch das Interesse von Softbank geweckt.Softbank-Anteil bei Uber: 13 Prozentaktueller Marktwert: 7,65 Mrd. Dollar Quelle: AP
Auto1460 Millionen Euro ließ sich Softbank 2018 den Einstieg beim deutschen Einhorn Auto1 Group kosten. Das Berliner Start-up wird nach Daten von CB Insights mit rund 3,5 Milliarden Dollar bewertet – und gehört zu den wertvollsten Start-ups Europas. Die Plattform wirkaufendeinauto.de, sowie der Geschäftskunden-Marktplatz für Gebrauchtwagen Auto1 und das Online-Kaufhaus Autohero gehören zu den Marken des Unternehmens.Softbank ist mit 460 Millionen Euro beteiligt. Quelle: dpa
PaytmDer indische Zahldienstleister Paytm hat bislang mehr als zwei Milliarden Dollar eingesammelt. Zu den Investoren gehören Berkshire Hathaway von Investorenlegende Warren Buffett, Chinas E-Commerce-Gigant Alibaba – und Softbank. Mit gut 1,8 Milliarden Dollar schoss Softbank den größten Teil des Geldes bei. Noch macht Paytm mit seinem Geschäft Verluste. Ein Börsengang könnte innerhalb der nächsten zwei Jahre anstehen.Softbank ist für 445 Millionen Dollar beteiligt. Quelle: dpa
NexwayKundenabos verwalten und abrechnen, Daten der Onlinshopper auswerten – diese Dienste bietet der deutsche Software-Spezialist Nexway seinen Kunden an. Er ist eines von nur zwei deutschen Unternehmen, an denen sich Softbank beteiligt hat – und gehört zu den kleineren Investitionen: Die knapp fünf Prozent an Nexway sind aktuell 650000 Euro wert.Softbank hält 4,7 Prozent im Wert von 650000 Euro. Quelle: dpa

Doch trotz oder gerade wegen des Erfolgs scheint der Umzug in eine festungsartige Hauptverwaltung nachvollziehbar: Getyourguide wird mittlerweile von allen Seiten belagert.

Seine anderen Groß-Investoren von der Risikokapital-Ikone KKR über den Staatsfond Temasek aus Singapur bis zur traditionellen Zürcher Kantonalbank wollen möglichst bald Rendite. Und sie erwarten ein Vielfaches ihres Investments.

Weil auch andere Unternehmen erkannt haben, dass bei der Erlebnisvermittlung viel Geld hängen bleibt, muss sich Getyourguide mittlerweile gegen deutlich solventere Angreifer wie Airbnb und den Reiseriesen TUI wehren.

Wird Deutschlands Vorzeige-Start-up unter diesen Umständen allein stark genug sein – oder bleibt nur der Verkauf an einen Großen?
Wer Mit-Gründer Tao nach dem Druck und dem Einfluss seiner neuen Investoren fragt, hört vor allem Lob, allen voran für den Softbank-Fonds. „Wir wären auch ohne Softbank erfolgreich geworden. Aber jetzt geht es deutlich schneller“, sagt Tao Mitte September im Amazon Jungle Tour genannten Konferenzraum der neuen Getyourguide-Zentrale. Dafür sorgt aus seiner Sicht – mehr noch als das Geld der Japaner – die Zusammenarbeit mit dem Vision Fund.

Da sei zum einen, dass die Fondsmitarbeiter Kontakte zwischen den einzelnen Softbank-Investments unterstützen. „Die fordern und fördern den Austausch und Treffen zwischen ihren Beteiligungen“, sagt der in Peking geborene Manager. Das bringe bereits nach der relativ kurzen Zeit einen spürbaren Vorteil. Denn hatten Tao, Reck und ihr Team bislang vor allem mit kleineren Start-ups aus Europa zu tun, so können nun die ganz großen um Rat fragen. „Es ist schon etwas anders mit einem Vorstand von Uber oder Slack zu reden über zentrale Fragen wie sie die richtigen Leute finden oder Computersysteme weltweit zu vernetzen“, ergänzt der neue Finanzchef Nils Chrestin.

Zum anderen habe der Fonds das Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft. „Das brachte uns Ideen, auf die wir noch nicht gekommen waren“, so Tao.

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