Die Bildhauer können anrücken – Claus Weselsky, der streitbare Chef der Eisenbahngewerkschaft GDL, setzt sich kurz vor der Rente selbst ein Denkmal: Auf 35 Wochenstunden wird der Tarifvertrag für das Zugpersonal bis 2029 gesenkt. Drei Stunden weniger Arbeit als bisher.
Für die Bahn wird der Deal erstmal teuer. Aber mit Geld kann der Konzern ohnehin nicht umgehen, da muss man nur in die frisch gedruckte Jahresbilanz blicken: Turnusmäßig milliardenschwere Mehrkosten für Stuttgart 21, neue Schulden für die Generalsanierung und das Managerdebakel bei DB Cargo: Der größere Personalaufwand für einige Tausend Lokführer ist da das kleinere Übel – zudem er als Preisaufschlag von Kunden und Steuerzahlern bezahlt wird.
Den leidgestählten Fahrgästen ist eine zuverlässige Bahn sowieso wichtiger. Und hier könnte der Weselsky-Vertrag einen Beitrag leisten. Bis Ende des Jahrzehnts steckt die Bahn mitten in der Demografie-Falle: Sie ist auf jeden halbwegs motivierten Lokführer angewiesen. Der neue Tarifvertrag wertet deren Arbeit auf und schafft Anreize für Mehrarbeit.
Trotz Gewerkschaftsbekundungen für eine 35-Stunden-Woche wird vermutlich kaum ein Lokführer der finanziellen Versuchung widerstehen: Bis zu 14 Prozent mehr Gehalt gibt es für fünf zusätzliche Wochenstunden. Bei längerer Anreise und Schichtarbeit gibt es noch was oben drauf – ein hübsches Zubrot.
Dafür werden sie ihrem Weselsky noch lange danken. Wenn die Züge alsdann pünktlicher fahren, kann das auch den Reisenden nur Recht sein.
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