GDL-Streik Der Zorn gegen Weselsky wird den Konflikt nicht lösen

Claus Weselsky beim Statement zu den geplatzten Tarif-Verhandlungen mit der Deutschen Bahn.  Quelle: imago images

Die GDL streikt wieder und will künftige Arbeitsniederlegungen nicht einmal mehr ankündigen. Skandalös? Ja. Die Gewerkschaft hat sich verrannt. Bloß: Wut allein reicht nicht. Was es jetzt braucht. Ein Kommentar.

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Die Stimmung im Land nach dem abermaligen Streikaufruf der Eisenbahngewerkschaft GDL kippt gerade merklich. Und sie könnte in den nächsten Wochen vollends in Empörung umschlagen, wenn deren Chef Claus Weselsky, wie er ausgerufen hat, die kommenden Streiks nicht einmal mehr ankündigt. Ein Schaden für die Gewerkschaften droht. Und auch Weselsky weiß, dass er mit dem Feuer spielt. Wer allerdings glaubt, dass die GDL nun nachgibt, irrt.

Claus Weselsky zeigt sich in diesen Tagen noch einmal so, wie viele ihn kennen: polternd, kompromisslos, aber auch in seiner zur Schau gestellten Empörung berechenbar. Hier steht einer, der nicht aus der Sackgasse hinauskann, in die er sich selbst gesteuert hat.

Wie Odysseus, der sich an den Schiffsmast binden ließ, um den Sirenenrufen nicht anheimzufallen, hat Weselsky sich nämlich an die Tarifabschlüsse mit der Bahn-Konkurrenz gebunden: Mit 28 meist kleineren Eisenbahnen hat die GDL Verträge erstritten, die die 35 Wochenstunden Arbeitszeit vorsehen. Wirksam werden die Abmachungen aber nur bei einem analogen Abschluss mit der Deutschen Bahn. Dass Weselsky seinen Anhängern jetzt keine schlechteren Konditionen bieten kann, liegt in der Natur der Gewerkschaft, die Niederlagen nicht akzeptiert.

Weselsky dürfte dabei das Kalkül getrieben haben, so einen Einigungsdruck auf die Deutsche Bahn aufzubauen. Aber er hat sich eben auch hochgradig berechenbar gemacht: Weselskys Kontrahenten wissen genau, was er für einen Erfolg mit nach Hause bringen muss – und lassen ihn derzeit Woche für Woche aufs Neue auflaufen. 

Inhaltlich ist das durchaus nachvollziehbar. Verständlicherweise sorgt sich die Deutsche Bahn vor einer Arbeitszeitverkürzung und fehlenden Arbeitskräften, wenn 60 Prozent der Belegschaft in den nächsten zehn Jahren in Rente geht. 

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Doch auch die Bahn muss aufpassen, dass sie ihre Position nicht überreizt. Monatelang ignorierte sie die GDL-Kernforderung einer 35-Stunden-Woche. Auch der aktuelle Kompromissvorschlag, der nach vier Wochen Verhandlungen mit einem ausgewiesenen Moderatorenduo, ausgearbeitet wurde, brachte nicht den Durchbruch: Im Schnitt eine mögliche Lohnerhöhung wie bei den vorherigen Abschlüssen mit der Großgewerkschaft EVG. Dazu zwei Wochenstunde weniger Arbeit, gestaffelt über mehrere Jahre, so ein Schreiben der Moderatoren Daniel Günther und Thomas de Maizière. Weselsky behauptete am Montag sogar, dass der Vorschlag sei, die Arbeitszeit um nur eine Stunde zu senken. Später ruderte er zurück und bezeichnete seine Falschdarstellung als „Denkfehler“.

Und so lässt sich heute nur konstatieren: So wird aus den Verhandlungen nie was. Auch der Ruf nach einem Schlichter ist nicht mehr als Symbolpolitik. Wenn Moderatoren scheitern, dann wird es auch Schlichtern nicht besser ergehen. 

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Was es erstmal bräuchte, wäre der sichtbare Wille zur Einigung. Die Lokführer, die den wachsenden Unmut ihrer Fahrgäste täglich spüren, könnten diesen bald aufbringen.

Hinweis: Eine frühere Version dieses Kommentars bezog sich auf fehlerhafte Angaben des Chefs der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, zu einem Vermittlungsvorschlag für die Bahn-Tarifverhandlungen. Während Weselsky angab, die Bahn habe lediglich eine Stunde Arbeitszeitabsenkung angeboten, beläuft sich der von der Bahn präsentierte Vorschlag der Moderatoren Daniel Günther und Thomas de Maizière tatsächlich auf zwei Stunden Absenkung. Weselsky erklärte öffentlich, einen „Denkfehler“ gemacht zu haben. Wir haben den Text entsprechend aktualisiert.

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