Gerätegebühren Vodafone greift den teuersten Trick der Mobilfunkbranche an

Vodafone stellt Verträge von

Eines der teuersten Ärgernisse im Mobilfunk ist vielen nicht bekannt: Nach Ablauf der Mindestvertragsdauer zahlen viele endlos drauf für das eigentlich schon abgestotterte Handy. Vodafone ändert das jetzt.

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Das Foto in der internen Vertriebsmemo von Vodafone zeigt eine Familie bei festlich gedecktem Tisch, die Großmutter ist im Vordergrund zu sehen. „Trusted Partner“ steht quer drüber. Im Vodafone-Rot daneben werden „Bestandskund:innen“ gute Nachrichten verheißen: Automatisch würden „weitere 50.000 ausgewählte Kunden von Sub auf Sim Only“ umgestellt.

Das in Mobilfunk-Deutsch verklausulierte Versprechen betrifft eines der größten Ärgernisse in der Handywelt überhaupt – von dem die meisten betroffenen Kunden allerdings nicht einmal etwas ahnen. Sie bestellen mit einem neuen Mobilfunkvertrag gleich auch ein Handy bei ihrem Anbieter. Die Kosten legt der auf die Monatsgebühr um, auf die Mindestlaufzeit von zwei Jahren gerechnet wird das Handy so deutlich günstiger als bei einem separaten Kauf. Doch läuft die Mindestvertragslaufzeit ab, ohne dass die sich aktiv melden, schlägt das Pendel um: Die hohen Gebühren bleiben, obwohl das Handy längst abbezahlt ist.

So fragwürdig dieses Modell ist, so verbreitet ist es bisher im deutschen Mobilfunkmarkt. Einzig die Telefónica mit ihrer Marke O2 weicht davon ab, unterscheidet zwischen einer Servicegebühr für die Telefonie und dem Ratenkredit fürs Handy. Deren Kunden schließen zwei Verträge ab: einen Servicevertrag für den Mobilfunk und einen Ratenkreditvertrag für ihr Handy. Das ist schon seit 15 Jahren so, wurde aber 2021 von O2 mit der viralen Social-Media-Kampagne vom ganz persönlichen „Tag Nix“ noch einmal besonders hervorgehoben: Ist der Ratenkredit getilgt, hört die Zahlung automatisch auf. Nur der Handyvertrag bleibt bestehen.

Kostspielige Maßnahme zur Unzeit

Deutsche Telekom, 1&1 und bislang auch Vodafone dagegen inkludieren eine monatliche Handyrate in einen entsprechend erhöhten Mobilfunktarif, wenn Kunden „im Bündel“ mit dem neuen Vertrag auch ein subventioniertes Handy kaufen. So bezahlen in vielen Fällen gerade unbedarfte Kunden – ohne es zu merken – auf unabsehbare Zeit weiter für ein längst abgestottertes Gerät. Sie müssten ihren Vertrag aktiv kündigen oder ein neues Handy aussuchen. Im Schnitt geht es pro betroffenem Kunden um monatlich zehn bis 30 Euro, in der Spitze aber auch 50 Euro.

Die Masche ist Gold wert: Telefónica schätzte den monetären Effekt ihrer Umstellung 2021 auf 330 Millionen Euro. Dass ausgerechnet Vodafone jetzt an dieser Stellschraube ansetzt, verblüfft die Mobilfunkwelt. Schließlich setzt Vodafone aktuell ein dezidiertes Sparprogramm um und entlässt weitere 2000 Mitarbeiter, nachdem zuletzt schon 700 das Haus verlassen mussten. Es gibt zudem wenig Druck von Seiten der Verbraucher oder der Politik, etwas zu ändern. 

Dabei wird das Thema derzeit eigentlich immer relevanter, weil die Unterschiede zwischen den neueren Smartphone-Generationen nicht mehr so spürbar sind und die Menschen deshalb weniger oft neue Smartphones kaufen. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie nutzen 27 Prozent der Deutschen ihr Handy länger als zwei Jahre. Eine Studie von 2020 ermittelte eine durchschnittliche Nutzungsdauer eines Handys von 40 Monaten. Und: Mehr als der Hälfte der Deutschen sind Bündel-Angebot inklusive Smartphone bei der Wahl ihres Mobilfunkproviders noch immer besonders wichtig.



Ältere Kunden als Leidtragende

Die Telekommunikationsexpertin des Vergleichsportals Verivox, Verena Blöcher, glaubt, dass auch wegen dieser Tarifpolitik immer mehr ältere Menschen immer höhere Schulden gegenüber ihren Mobilfunkprovidern aufbauen: „Die Verbindlichkeiten von Senioren haben sich seit 2017 fast verdoppelt.“ 

Telefónica hatte 2009 gleich alle Kunden auf einen Streich umgestellt. Vodafone dagegen geht scheibchenweise vor und lässt zunächst nur 50.000 Kunden in den Genuss der Verbesserung kommen. Branchenkreise vermuten hinter der Vodafone-Aktion „Sub zu Sim Only“ eher eine gezielte Vertriebsmaßnahme, um besonders wechselwillige Kunden bei der Stange zu halten. Das weist Vodafone zurück: „Auch wenn die Vorgehensweise branchenüblich ist, möchten wir die Abrechnungsform für unsere Kunden systematisch anpassen“, so Vodafone. Ziel sei, dass die Kunden künftig nach Ablauf des 24. Vertragsmonats automatisch in einen Sim-Only-Tarif wechseln: „Eine solche Umstellung erfordert zahlreiche systemische Anpassungen, die wir bereits angestoßen haben“, heißt es von der Pressestelle. Im ersten Schritt würden Kunden, die sich aktuell im 24. Vertragsmonat befinden, umgestellt, und dann sukzessive weitere Kunden. Vodafone will die betroffenen Kunden frühzeitig informieren.

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Mehr Transparenz liegt in der Luft

Die Umstellung bei Vodafone dürfte eines der letzten Werke des gerade ausgeschiedenen Deutschlandchefs Philippe Rogge sein. Dem war es wichtig, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Vielleicht liegt der Trend zu mehr Transparenz für den Kunden in der Telekommunikation aber auch einfach in der Luft. In der Schweiz und in Österreich sind getrennte Verträge für Software und Hardware längst Usus. Die Telekom-Tochter für die junge Zielgruppe, Congstar, bietet „seit geraumer Zeit ausschließlich eine komfortable Smartphone-Finanzierung an“, so die Telekom-Pressestelle. Auf Wunsch lasse sich da das neue Smartphone in 24 monatlichen Raten zahlen: „Perspektivisch ist ein solches Modell auch für die Telekom vorstellbar.“

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