Gesundheitsmanagement Das tun Unternehmen gegen den hohen Krankenstand

Yogakurs im betriebsinternen Fitnessstudio: Längst nicht jedes Unternehmen kann und will das bieten. Quelle: dpa

Die Deutschen lassen sich immer häufiger krankschreiben. Eine Befragung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement zeigt nun, welche Branchen mit welchen Maßnahmen gegensteuern – und was Unternehmen versäumen.

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So viele Krankheitsausfälle wie nie hatten die deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr. 19,4 Tage fehlte der durchschnittliche Versicherte der Techniker Krankenkasse, ähnliche Zahlen meldete die DAK. Im Durchschnitt fehlten täglich mehr als fünf von hundert Mitarbeitern. Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen sieht darin gar den Grund für die Rezession: „Ohne die überdurchschnittlichen Krankentage wäre die deutsche Wirtschaft um knapp 0,5 Prozent gewachsen“, schreibt der Verband in einer Analyse. Stattdessen schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent.

Dadurch steht das betriebliche Gesundheitsmanagement mehr denn je im Fokus. Denn Experten wie der Gesundheitsökonom Andreas Mendel sind sicher: Der Krankenstand lässt sich mit einem guten, umfassenden Gesundheitsmanagement deutlich senken.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat kürzlich mehr als 800 Unternehmen in Deutschland zu ihren Aktivitäten in diesem Bereich befragt. Die Ergebnisse liegen der WirtschaftsWoche exklusiv vor. Sie zeigen, dass Unternehmen eine ganze Menge für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun, aber: Nach wie vor tun sich viele Firmen schwer, Gesundheitsmanagement systematisch anzugehen. Denn nur gut die Hälfte von ihnen nimmt dabei auch die Arbeitsorganisation und -belastung in den Blick – etwa durch Stellvertreterregelungen oder durch eine neue Priorisierung von Aufgaben.

Den wichtigen Bereich der Belastungssteuerung legt ein Großteil der Unternehmen in die Hände der Beschäftigten: Fast 80 Prozent der Firmen lassen ihnen Spielräume, die Arbeit selbst einzuteilen. Zudem sensibilisieren zwei Drittel der Unternehmen ihre Führungskräfte für einen gesundheitsförderlichen Führungsstil. Noch engagierter sind die Betriebe bei der Gestaltung der Arbeitsplätze: Vier von fünf achten dabei auf Gesundheit und Ergonomie.

Bei den meisten Maßnahmen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen kleinen und großen Unternehmen. Das gilt insbesondere für Stress- und Resilienztrainings: Während fast 60 Prozent der Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern solche Schulungen anbieten, leistet sich das nur ein Viertel der Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern. Auch Sportangebote gibt es deutlich häufiger in großen Firmen. Kaum Unterschiede gibt es dagegen in der Frage, ob Beschäftigte ihre Arbeit selbst einteilen können.



IW-Wissenschaftlerin Andrea Hammermann, die die Daten erhoben hat, erkennt in den Ergebnissen grundsätzlich eine gute Botschaft. „Wir sehen, dass viele Maßnahmen schon weit verbreitet sind“, sagt sie. Allerdings komme es darauf an, alle Facetten von Gesundheitsmanagement zu erkennen – und einzusetzen. Insbesondere die Arbeitsorganisation spiele eine große Rolle. „Ich sollte nicht davon ausgehen, dass meine Mitarbeiter automatisch gesünder werden, wenn ich sie nach Feierabend in den Sportkurs schicke. Sondern ich muss als Betrieb vor allem die Strukturen dafür schaffen, dass sie entlastet werden.“

Die IW-Daten zeigen auch, dass das nicht in allen Branchen gleich gut gelingt. So sind in den gesellschaftsnahen Dienstleistungen – zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitssektor – Sportangebote und Stresstrainings vergleichsweise weit verbreitet. Dafür ist dort der Anteil der Unternehmen am geringsten, die ihre Mitarbeiter organisatorisch zu entlasten versuchen – oder es angesichts des Personalmangels hinbekommen.  



Die Herausforderung für Unternehmen: Wenn das Personal knapp ist, sind die Kapazitäten für ein gutes Gesundheitsmanagement begrenzt. Dabei ist eine Entlastung der Beschäftigten dann besonders wichtig, meint IW-Wissenschaftlerin Hammermann: „Gerade in Phasen, in denen viele Mitarbeiter krank sind, sollten Unternehmen weniger wichtige Aufgaben depriorisieren, weil sonst die Belastung für alle anderen steigt und sich das Problem noch verschärft.“

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