Jochen Schweizer MyDays Das Geschäft mit Erlebnisgutscheinen kommt ProSiebenSat.1 teuer zu stehen

Quelle: dpa

Wegen seiner Gutscheingeschäfte steht ProSiebenSat.1 jetzt unter Beobachtung der Staatsanwaltschaft. Noch immer bleiben regulatorische Fragen ungeklärt. Und Miteigner General Atlantic (GA) hat die Flucht ergriffen.

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„Verlieb dich in unsere Erlebnisse“, empfahl ein Werbespruch des Gutscheinanbieters Jochen Schweizer anlässlich des Valentinstags im Februar. Wer es mit seinem Partner besonders gut meinte, fand auf dessen Webseite seinerzeit eine reichhaltige Auswahl an kostspieligen Paargutscheinen: ein Spa-Kurzurlaub im Hochschwarzwald für 509,90 Euro etwa, oder eine Übernachtung mit Besuch der Therme Erding für 449,90 Euro.

Acht Wochen später sind die beiden Angebote von der Webseite des Gutscheinanbieters verschwunden. Der teuerste Deal auf Jochenschweizer.de, ein Tandemfallschirmsprung, kostet jetzt 249,90 Euro. Und die entfernten Gutscheine können nur noch für einen kostspielig werden: für ProSiebenSat.1, den Mutterkonzern jener Gutscheinholding, die sie über Jahre hinweg angeboten hat – womöglich ohne eine dafür nötige Lizenz zu besitzen.

„Es gibt hier ein finanzielles Risiko, das im schlimmsten Szenario signifikant sein könnte“, teilte ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets am Freitagmorgen mit. Wie signifikant genau, sei derzeit schwer abzuschätzen. Die Ermittlungen seien dafür noch in einem zu frühen Stadium. Zudem hat die Staatsanwaltschaft München I einen sogenannten „Beobachtungsvorgang“ eingeleitet. Von Finanzchef Ralf Gierig hatte sich ProSiebenSat.1 am Donnerstag mit sofortiger Wirkung getrennt.

Und Jochen-Schweizer-Miteigner General Atlantic (GA) ergriff die Flucht. Der US-Finanzinvestor übertrug seinen 28-Prozent-Anteil an der Gutscheingruppe Jochen Schweizer mydays für einen Euro an ProSiebenSat.1. Daran, dass der TV-Konzern der Gutscheingruppe wie in den vergangenen Jahren massiv Geld zuschießen musste, beteiligte sich GA nicht mehr.

Der TV-Konzern ProSiebenSat.1 hat die Bilanzvorlage verschoben – wegen regulatorischer Fragen zum Geschäft mit Gutscheinen von Jochen Schweizer und mydays. Bilanzen zeigen: Die Pandemie hat es in Schieflage gebracht.
von Angela Maier, Tobias Gürtler

Das waren wohl die gravierendsten vieler Hiobsbotschaften, die Habets am Freitagmorgen verkünden musste. ProSiebenSat.1 legte zugleich seine Geschäftszahlen für 2022 vor. Demnach sank der Umsatz um 7,4 Prozent auf 4,16 Milliarden Euro und der operative Gewinn (bereinigtes Ebitda), fiel um fast 20 Prozent auf 678 Millionen Euro. Für dieses Jahr rechnet der Konzern mit einem weitgehend stagnierenden Umsatz von rund 4,1 Milliarden Euro. Der operative Gewinn dürfte auf etwa 600 Millionen Euro sinken.

Seine Dividende will das Medienunternehmen massiv kürzen. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen der Hauptversammlung vor, 0,05 Euro je Aktie auszuschütten. Im Vorjahr waren es noch 80 Cent. Der reduzierte Vorschlag berücksichtigte insbesondere, dass der Verschuldungsgrad des Konzerns zum Ende des Geschäftsjahres 2023 über dem oberen Ende des angestrebten Zielkorridors liegen werde. Der Kurs der ProSiebenSat.1-Aktie brach am Freitagmorgen um fast 20 Prozent ein.

Die verringerte Ausschüttung werde keine Ausnahme sein, sondern künftig zur Regel werden, kündigte Habets am Freitagmorgen an: Man werde künftig eine veränderte Dividendenstrategie verfolgen, um sich „ökonomischen Spielraum und Möglichkeiten für strategisches Wachstum“ zu erhalten. Die Dividendenkürzung stehe jedoch „in keinerlei Zusammenhang mit dem Fall Jochen Schweizer mydays“, behauptete Habets.

„Etwaiges Fehlverhalten“

Die Gutscheintochter, die mit zuletzt 1,6 Prozent Anteil am Außenumsatz zuvor eher eine Nebenrolle in den Bilanzen des Medienunternehmens zu spielen schien, wirft seit Monaten große Schatten auf das Konzerngeschäft. Die ursprünglich für Anfang März geplante Vorlage der Bilanz mussten die Bayern wegen der regulatorischen Prüfung zum Geschäft der Gutschein-Tochter verschieben. Konkret ging es darum, inwieweit Teile der Geschäftstätigkeit unter das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) fallen. Der Konzern startete zudem eine „unabhängige interne Untersuchung durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei mit dem Ziel, etwaiges Fehlerverhalten aufzuklären“, teilte ProSiebenSat.1 mit.

Nun hat der TV-Konzern das Geschäftsmodell der Gutscheingruppe angepasst, um die aufsichtsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Es sei dabei vor allem um Gutscheine über einem Wert von 250 Euro gegangen, sagte Habets am Freitagmorgen. Diese hätten bislang etwa 20 Prozent des Umsatzes ausgemacht. Problematisch erschienen der Finanzaufsicht auch solche Gutscheine, die vergleichsweise generell formuliert waren – sich also etwa nicht auf eine Einlösung in einer bestimmten Örtlichkeit beschränkt hatten. Letztere könnten jedoch unter Umständen wieder angeboten werden, sofern sie präziser definiert würden. „Dieser Prozess läuft gerade an“, teilte Habets mit.

Aktuell stimmten Jochen Schweizer und mydays zudem die Modalitäten mit der BaFin ab, um die Gutscheinprodukte abzuwickeln, die vor der Angebotsanpassung ausgegeben wurden. „Ich hoffe, dass unser kooperativer Ansatz mit den Behörden und unsere proaktiven Änderungen des Geschäftsmodells dazu beitragen, mögliche Strafzahlungen zu minimieren“, sagte Habets.

Wie groß die erwarteten „signifikanten“ finanziellen Belastungen in der Nachlese des Falls auch ausfallen mögen: ProSiebenSat.1 wird sie allein stemmen müssen. Womöglich kauft der TV-Konzern dafür auch noch Mitgesellschafter Jochen Schweizer raus. Der Unternehmer und einstige Stuntman hält 10,1 Prozent an der Gutscheingruppe, seit er das unter seinem Namen firmierende Gutscheingeschäft 2017 an ProSiebenSat.1 verkauft hat. Bis März 2025 läuft noch eine Option.

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Im Rahmen der damaligen Transaktionen bewertete der TV-Konzern Jochen Schweizers Gutscheingeschäft noch mit 108 Millionen Euro. Der Unternehmer strich damals einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ein und kassiert seither zudem weiter laufend Tantiemen für die Nutzung seines Markennamens. Zumindest für einen haben sich die Gutscheine als ein blendendes Geschäft erwiesen.

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