Seit Mitte Dezember können rund 27 Millionen Bürger aus Corona-Risikogruppen in Deutschland die ersten kostenlosen FFP2-Masken erhalten. Gestaffelt sollten ältere Bürger und chronisch kranke Menschen insgesamt 15 der Corona-Schutzmasken kostenlos beziehungsweise stark vergünstigt erhalten, abzuholen in der Apotheke des Vertrauens gegen Vorlage des Personalausweises (Siehe Infobox).
Den Bund kostet die Aktion insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro – deutlich zu viel findet Nathan Zielke. Er ist Berater und organisiert Lieferketten für Medizintechnikunternehmen. In seinem Berufsleben war er vorher unter anderem für Lufthansa Cargo tätig und als Mitglied der Geschäftsleitung der Schweizer Bundesbahn für die Sanierung der Cargo-Spate zuständig. Im Interview erklärt Zielke, weshalb er glaubt, dass der Staat durch die Masken-Aktion Steuergelder verschwendet.
So bekommen Sie eine kostenlose FFP2-Maske
In einem ersten Schritt sollen ab Dienstag über 60-Jährige und Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen drei Masken gratis in der Apotheke holen können. Zum Abholen ist Zeit bis zum 6. Januar.
Laut Informationen des Ministeriums genügt dazu die Vorlage des Personalausweises „oder die nachvollziehbare Eigenauskunft über die Zugehörigkeit zu einer der Risikogruppen“.
Im zweiten Schritt können diese Menschen ab 1. Januar weitere zwölf Masken erhalten. Dafür sollen sie von der Krankenkasse Coupons für zweimal je sechs FFP2-Masken bekommen - vorgesehen ist dafür dann ein Eigenanteil von jeweils 2 Euro für je sechs Masken.
WirtschaftsWoche: Herr Zielke, zur Eindämmung der Pandemie verteilt der Staat über Apotheken FFP2-Masken an besonders schutzbedürftige Personen. Das klingt doch nach einer guten Idee.
Nathan Zielke: Ja, sie kommt leider nur reichlich spät. Zudem ist der vorgesehene Verteilprozess ineffizient und chaotisch. Sie lädt in der angedachten Form zu Betrug geradezu ein und ist zudem außerordentlich unwirtschaftlich.
Was wird diese Verteilungsaktion denn kosten?
Laut Bundesgesundheitsministerium offenbar 2,5 Milliarden Euro, man rechnet dort mit sechs Euro Kosten je FFP2-Maske. Das ist geradezu absurd, zum Vergleich: In Drogerien kosten FFP2-Masken circa zwei Euro und schneiden in jüngeren Tests mitunter deutlich besser ab als FFP2-Masken in Apotheken. Hier werden die Apotheken mit einer für mich nicht nachvollziehbaren Milliardensubventionierung versorgt, obwohl gerade Apotheken nicht als Corona-Opfer gelten dürften.
Um die 27 Millionen Bürger haben einen Anspruch auf die Masken. Da steigt natürlich auch die Gefahr vor langen Schlangen einen Tag vor dem Lockdown. Sind die Apotheken darauf vorbereitet?
Nein, teils wissen sie gar nicht, wie sie die benötigten Masken in der erforderlichen Menge so kurzfristig beschaffen sollen. Apotheken sind oft lokal organisiert und haben keine auf derartige Volumina ausgelegte Beschaffungsprozesse für diese Produktkategorie. Heißt: Wenn es schlecht läuft, haben die Apotheken keine Masken, es bilden sich lange Schlangen und die Kunden gehen ohne Ware nach Hause.
Irgendjemand muss die Masken ja verteilen. Wie hätte eine gangbare Alternative ausgesehen?
Zum einen muss man sich fragen, wieso ausschließlich Apotheken die FFP2-Masken verteilen dürfen sollen. Zudem wäre es ein Leichtes gewesen, die Verteillogistik auch über ausreichend leistungsfähige Online-Kanäle wie etwa Amazon abzuwickeln. Das Bundesgesundheitsministerium hätte sich etwa als Verkäufer dort registrieren und die Amazon-Logistik-Center für die Distribution nutzen können. Hier wäre ein Verkaufspreis von rund 1,90 Euro denkbar, also günstiger als die zwei Euro-Zuzahlung die nun im Gespräch ist!
Nur ist Amazon da wirklich die sinnvolle Alternative? Die Zielgruppe für die Masken geht doch tendenziell eher in die Apotheke als online zu bestellen.
Ich denke heutzutage hat auch jeder ältere Anspruchsberechtigte im Zweifel Kinder oder Enkel, die das gerne übernommen hätten.
Wäre eine Verteilung der Masken denn kurz vor Weihnachten mit zig Millionen Pakten, die schon unterwegs sind, möglich gewesen?
Davon gehe ich aus, Masken sind vom Volumen zudem her sehr überschaubar und leicht. Wenn eine Verteilaktion wie diese ohnehin schon etliche Wochen zu spät gestartet wird, dann kommt es auf ein bis zwei Tage Verzögerung in der Zustellung nicht unbedingt an.
Wie hätte die Bundesregierung ihrer Meinung nach die Aktion besser umsetzen können?
Das Bundesgesundheitsministerium nutzt seit dem Frühjahr in großem Umfang externe Beratungsunterstützung, explizit für die Beschaffung und Verteilung von Masken. Man darf als Steuerzahler erwarten, dass diese Berater dann rechtzeitig und ausreichend Masken beschaffen. Sie können heute bei etablierten Playern voll zertifizierte und geprüfte FFP2-Masken in Fernost bestellen, für etwa 70 Cent binnen zehn Tagen frei Haus geliefert. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass es den Steuerzahler am Ende fünf bis sechs Euro kosten soll und die Differenz an die Apotheken fließt. Das Bundesgesundheitsministerium verursacht hier 2,5 Milliarden Euro kosten, statt circa 500 Millionen Euro zu verdienen – da bei 1,90 Euro Verkaufspreis und 0,70 Euro Beschaffungskosten ja selbst nach Abzug der Distributions- und Plattformkosten ein Gewinn für den Staat entstünde.
Zusätzlich hätte sich der Staat auch den Kontrollaufwand und die Betrugsmöglichkeiten sparen können. Es gibt keinen Mechanismus, um zu verhindern, dass sich eine Person an zehn verschiedenen Apotheken mit Masken eindeckt. Über die Online-Plattform könnte sich jeder eine Maske kaufen, da ist keinerlei Kontrolle erforderlich sofern ausreichende Mengen beschafft werden. Falls der Staat nicht selbst Verkäufer werden möchte oder darf, so sollte er zumindest diese Rolle fair an alle etablierten Player delegieren – und nicht nur an den teuersten Kanal, also die Apotheken.
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Wäre die Kontrolle der Maskenverkäufe auf Amazon denn besser als in den Apotheken?
Sie wäre gar nicht nötig, da es dort ja keine Subventionszahlung des Staates gibt.
Also ist die Gefahr groß, dass die Masken am Ende teils gar nicht an die Bürger gehen, die sie eigentlich bekommen sollten?
Ja, ich gehe leider nicht davon aus, dass jeder Anspruchsberechtigte noch vor Weihnachten die drei ersten Masken erhalten wird. In 2021 wird dann zudem durch die Möglichkeit auf bis zu zwölf weiteren Masken, für die man den Krankenkassen-Coupon benötigt, ein unnötiges Bürokratiemonster geschaffen. Es bleibt für mich dabei: hier hat die Politik bedauerlicherweise eine sehr ineffiziente, Steuergelder verschwendende und ansteckungsgefährdende Eigenlösung gewählt.
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Mit Material von dpa.