Logistiker Gebrüder Weiss „Wir spüren durch den Krieg ein größeres Interesse“

Der österreichische Logistiker Gebrüder Weiss hat über 8000 Mitarbeiter an 180 Standorten weltweit. Quelle: PR

Der älteste Logistiker der Welt, wie sich Gebrüder Weiss selbst nennt, kämpft mit fallenden Frachtraten, profitiert aber auch von Russlands Krieg. Der Chef Wolfram Senger-Weiss erklärt, warum er im Land aktiv bleibt.

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Das österreichische Familienunternehmen Gebrüder Weiss (GW) bezeichnet sich gerne als der älteste Logistiker der Welt. Schon Goethe soll so manch einen Brief mit den Boten der Familie über die Alpen geschickt haben. Heute ist das Unternehmen mit über 8000 Angestellten an 180 Standorten in der Welt vertreten. Chef Wolfram Senger-Weiss leitet seit 2019 die Geschäfte. Zuletzt drängte GW auch immer stärker nach Deutschland.

WirtschaftsWoche: Herr Senger-Weiss, die Frachtraten für den See- und Luftverkehr fielen zuletzt um ein Vielfaches. Wie geht Gebrüder Weiss mit einer solch unsicheren Situation um?
Wolfram Senger-Weiss: Im Unterschied zu vielen anderen Branchen ist die Logistik schon immer gezwungen, kurzfristig zu reagieren. Wir sind es gewohnt, mit Schwankungen zu planen. Trotzdem machte mir die Entwicklung auch Sorge, weil es für unsere Mannschaft schwierig ist, mit dieser starken Volatilität umzugehen. Aber noch schwieriger war es für unsere Kunden, die die Kosten in ihr Preismodell hineinrechnen mussten. Wir können diese Schwankungen nur an die Kunden weitergeben.

Hat sich Ihr Verhältnis zu den Kunden dadurch verändert?
Wir spüren die Unsicherheit. Aber das gegenseitige Vertrauen ist durch die Krisen gewachsen. Die Unternehmen haben verstanden, dass die Supply Chain eine wichtige Lebenslinie ist. Es gab zwar immer wieder Lieferverzögerungen, aber alle Waren kamen an, auch weil es uns und anderen gelungen ist, die Lieferströme anzupassen. Das Ansehen der Branche ist heute höher.

Wie sehen Sie die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung?
Die Aussichten sind nicht besonders gut. In vielen wichtigen Industrieländern könnte es zur Rezession kommen. Aber am Ende ist nicht der absolute, sondern der relative Erfolg als Unternehmen entscheidend. Und da sehe ich unsere Aufgabe, die Kunden besser zu positionieren.

Beobachten Sie nach den geopolitischen Schaukämpfen eine Abkehr von China?
Die Bedeutung von China als Produktionsstandort nimmt etwas ab zu Gunsten anderer südostasiatischer Standorte. Dies hat aber auch mit der Verfügbarkeit von Arbeitskräften und gestiegenen Produktionskosten zu tun. Ein verstärkter Abzug aus China ist nicht zu beobachten.

Würden Sie Unternehmen zumindest zur Vorsicht beim Chinageschäft raten?
China ist für viele Unternehmen nicht nur ein interessanter Produktionsstandort, sondern vermehrt auch ein wichtiger Absatzmarkt und globaler Wettbewerber. Eine Präsenz wird eher noch wichtiger, erhöhte Abhängigkeiten sollte man aber nach Möglichkeit vermeiden.

Von den Krisen und den Kapazitätsengpässen der vergangenen Jahre haben viele Logistiker stark profitiert. GW machte drei Milliarden Euro Umsatz. Wie wird es dieses Jahr?
2022 war das erfolgreichste Jahr in der Firmengeschichte. Für 2023 erwarten wir wieder eine Normalisierung des Logistikgeschäfts. Die Sendungszahlen sind derzeit leicht rückläufig und die Raten im Luft- und Seefrachtbereich sind wieder annähernd auf das Niveau von 2019 gesunken. Insofern ist auch eine rückläufige Umsatzentwicklung zu erwarten.

Wie haben Sie die vergangenen Gewinne genutzt?
Einerseits konnten wir unsere Position durch Zukäufe in den Kernmärkten ausbauen und in neue Märkte investieren. Andererseits haben wir sehr stark auf Digitalisierung gesetzt. Das war schon vorher ein Thema. Aber gerade durch die Lockdowns gab es in der Branche einen digitalen Boost. Vor allem bei der digitalen Kommunikation mit Kunden und der Transparenz unserer Prozesse sind wir heute viel weiter.

Ihr größter Zukauf war zuletzt das deutsche See- und Luftfrachtunternehmen Ipsen. Schauen Sie sich weiter auf dem deutschen Markt um?
Wir haben durchaus Pläne, uns vor allem in Süddeutschland noch zu verstärken. Wir wollen unser Netzwerk weiter verdichten und entweder zusätzliche Standorte auf dem Greenfield eröffnen oder weitere Unternehmen akquirieren. Erst zu Beginn des Jahres haben wir einen Betrieb in Baden-Württemberg übernommen.

Der Warentransport zwischen Europa und China führt auf dem Landweg durch Russland – und durch das polnische Dorf Małaszewicze. Sehr wahrscheinlich, dass sich die Lage hier 2023 zuspitzt. Ein Ortstermin.
von Artur Lebedew

Welche Rolle spielt für Sie Deutschland?
Deutschland ist der größte Logistikmarkt in Europa. Aber vor allem ist Deutschland die Heimat vieler Exportweltmeister. Und diese Verlinkung mit der Welt ist für einen Logistiker wie uns sehr interessant.

Wie wichtig ist der Markt für Gebrüder Weiss in Zahlen?
Der Umsatz beträgt über 400 Millionen Euro. Aber das eine ist der direkte Umsatz, den die deutsche Organisation erwirtschaftet. Dann gibt es noch Umsätze, die wir in anderen Ländern mit Deutschland generieren. Wenn wir beispielsweise Waren aus Österreich nach Deutschland versenden, ist dies österreichischer Umsatz, der mit Deutschland zusammenhängt.

Der Logistikmarkt hat sich zuletzt stark konsolidiert, globale Unternehmen wie Moller Maersk und die Deutsche Post bieten Dienstleistungen entlang der gesamten Lieferkette an. Planen Sie eine ähnlich starke Expansion?
Ich halte wenig von Wachstum des Wachstums wegen. Die Gefahr besteht, dass man die eigene Identität verliert. Für uns als Familienunternehmen ist es wichtig, gegenüber den Kunden und Mitarbeitern glaubwürdig zu sein. Man sieht beispielsweise bei manchen Reedereien, wie weit sie sich vom Kerngeschäft entfernt haben. Nicht jeder Deal scheint sinnvoll und so manches könnte den einen oder anderen noch teuer zu stehen kommen, gerade jetzt, wenn die Transportpreise wieder sinken.

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