Lufthansa Ein starkes Ergebnis – doch die Glückssträhne geht zu Ende

Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG. Quelle: dpa

Lufthansa erzielt 2023 das drittstärkste Ergebnis der Firmengeschichte. Doch die aktuelle Streikwelle, der hastige Vorstandsumbau und schwächelnde Ticketpreise zeigen: der Aufschwung stockt. Das setzt Carsten Spohr zu, könnte ihn am Ende aber eher beflügeln als bremsen.

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Für Lufthansa-Chef Carsten Spohr waren die vergangenen zwei Jahre extrem erfreulich. Seine Fluglinie überwand nicht nur schneller als erwartet die Coronakrise. Als im vergangenen Jahr steigende Kosten, eine schwächelnde Konjunktur und Überkapazitäten den Aufschwung zu bremsen drohten, bekam Spohr Hilfe von außen. Der  Kerosinpreis sank, die Piloten akzeptierten neue Tarifverträge und dann lieferten Airbus und Boeing wegen technischer Probleme seit Monaten weniger Flugzeuge als versprochen. Also kürzten alle Airlines ihre Flugpläne und Lufthansa füllte die verbliebenen Verbindungen zu Rekordpreisen. „Die Branche konnte nichts mehr falsch machen“, sagt Shakeel Adam, Chef der weltweit aktiven Beratung Aviado Partners aus Mannheim.

Somit kann Spohr an diesem Donnerstag eine gute Bilanz verkünden: Das bereinigte Betriebsergebnis schnellte um 76 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Es ist das drittbeste Ergebnis der Firmengeschichte. Der Umsatz legte um 15 Prozent auf 35,4 Milliarden Euro zu, da die Airlines der Gruppe mit mehr als 120 Millionen Fluggästen ein Fünftel mehr Kunden beförderten. Unter dem Strich verdiente die Lufthansa knapp 1,7 Milliarden Euro, mehr als doppelt so viel wie in dem noch von der Corona-Krise betroffenen Vorjahr. Die Rendite verbesserte sich um zweieinhalb Prozentpunkte auf 7,6 Prozent. Und auch die Aussichten schienen gut. Denn für 2024 versprachen Spohr und sein Finanzchef Remo Steenbergen gerade noch eine operative Rendite von mindestens acht Prozent.

Doch ob das klappt, ist unsicher. Denn in den vergangenen sechs Wochen scheint die Glückssträhne der Lufthansa vorbei zu sein. Immer mehr Analysten rechnen wie Harry Gowers von der US-Bank J.P.Morgan in diesem Jahr mit spürbar sinkenden Gewinnen.

Der Grund ist eine Kette an schlechten Nachrichten. „Die wird praktisch jede Woche um ein Element länger – und manchmal auch um zwei oder drei“, heißt es in Aufsichtsratskreisen.

In dieser Woche waren das:

  • Die Übernahme der italienischen Staatslinie Ita droht an den Auflagen der EU-Wettbewerbshüter zu scheitern, nachdem sich Spohr – wie Insider berichten – mit dem Projekt gegen den scheidenden Finanzchef Remo Steenbergen durchgesetzt hatte.

  • Auch aus der erhofften Rückkehr der Lufthansa in den höchsten deutschen Börsenindex Dax wird es erstmal nichts. Dafür sorgte auch, dass sich die Aktie zuletzt deutlich schlechter schlug als die vergleichbarer Airlines.

  • Am sichtbarsten ist die schier endlose Abfolge an Streiks. In dieser Woche sind es die Streiks der Gewerkschaft Verdi beim Bodenpersonal, den Wartungstechnikern und an den Sicherheitskontrollen der Flughäfen. Und nachdem im Februar bei der neuen Ferientochter Discover die Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit im Kampf um einen Tarifvertrag die Arbeit niedergelegt hatte, folgte am Dienstag erstmals seit langer Zeit ein Aufruf der Gewerkschaft UFO für das Kabinenpersonal.

Die Ausstände treffen die Lufthansa nicht nur, weil ihr mit den abgesagten Flügen jeden Tag Millionen Euro Einnahmen entgehen und Tausende Passagiere der Linie verärgert den Rücken zukehren. Weil jede Tarifeinigung höhere Gehälter bedeutet, steigen auch die Betriebskosten.

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Immerhin ein Gutes haben die Ausstände, heißt es ironisch in Aufsichtsratskreisen: „Wegen ihnen nahm kaum einer den Vorstandsumbau und seine Folgen war“. Ende Februar kündigte Lufthansa an, dass nicht weniger als vier von sechs Mitgliedern das Gremium verlassen. Dazu bekam der Vorstand eine neue Aufgabenverteilung und eine unverhohlene Kritik an der bislang wenig teamorientierten Arbeitsweise.  

Die Veränderung könnte größere Folgen für Lufthansa haben. Denn die neuen Zuständigkeiten wirken auf viele kaum klarer als die alten. „Ein stringenter, intuitiv plausibler Aufgabenzuschnitt sieht anders aus“, ätzt ein Arbeitnehmervertreter. Dazu müssen sich die bis zu drei neuen Mitglieder erst einarbeiten. „Und so fähig die auch sein mögen, bis alle ihre genaue Funktion verstehen und sich zusammenraufen, dauert es erfahrungsgemäß leicht ein Jahr“, so ein Insider. Und in der Zeit laufe der nötige Umbau wahrscheinlich auf Sparflamme.

Das kann die Lufthansa nicht brauchen. Denn der Druck auf den Vorstand wächst, schnell Ergebnisse zu liefern und den Konzern effizienter zu gestalten. Durch die anstehenden Tarifabschlüsse steigen nicht nur die Kosten. Gleichzeitig beginnen die bislang rekordverdächtigen Einnahmen zu bröckeln, sowohl im Passagierverkehr wie bei der Fracht.

Der Hauptgrund: Trotz des Flugzeugmangels steigt das Ticketangebot, auch weil die Airlines viele ausgemusterte alte Maschinen wie den Superjumbo Airbus A380 entmotten und in vorhandene Jets mehr Sitze zwängen. Laut einer Statistik des New Yorker Brokerhaues vermarkten die Airlines im kommenden Sommer im Schnitt sieben Prozent mehr Tickets als in 2023. Billigflieger wie Ryanair oder Wizz Air legen gar einen zweistelligen Prozentsatz drauf.

Das größte Wachstum gibt es jedoch auf der Langstrecke über dem Atlantik und vor allem Richtung Asien. „Hier ist das Risiko eines Überangebots und darum fallender Erträge besonders hoch“, warnt Analyst Gowers. Das trifft besonders die Lufthansa-Gruppe, denn sie verdient dort dem Vernehmen nach im Moment das meiste Geld.

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Angesichts der Lage gilt der Umbau intern auch als erstes Zeichen eines größeren Einflusses von Tom Enders. Der ehemalige Airbuschef gilt als möglicher neuer Chef des Aufsichtsrats und soll schon jetzt auf mehr Mitsprache im Tagesgeschäft sowie raschere Veränderungen im Konzern drängen als der heutige Chefaufseher Karl-Ludwig Kley. „Mit dem machtbewussten Enders dürfte Spohr mehr Stress haben als mit Kley“, sagt ein Insider.



Als erstes Zeichen für Enders Einfluss gilt die Berufung von Grazia Vittadini in den Lufthansavorstand. Enders hatte die Managerin mit einem italienischen Pass seinerzeit zur Technikchefin bei Airbus berufen, vor allem um den Luftfahrtkonzern zu mehr Veränderungen zu treiben. Dabei zeigte sich die ehrgeizige Ingenieurin nicht nur innovativ, fordernd und selbstbewusst. Sie hatte auch keine Scheu, Enders‘ Nachfolger Guillaume Faury in der Öffentlichkeit ein wenig die Schau zu stehlen. „Es wird spannend zu sehen, ob Vittadini Spohr beflügelt – oder ihn unter Druck setzt“, so ein Unternehmenskenner.

Insider unken darum bereits, dass auch Spohr ausscheiden könnte, bevor sein Arbeitsvertrag Ende 2028 ausläuft. „Die Diskussion gibt es“, heißt es in Unternehmenskreisen.

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Doch das halten Leute, die den Lufthansalenker näher kennen, für übertrieben. Zwar habe sich Spohr nach zehn Jahren im Amt äußerlich etwas verändert. „Doch in einem ist er noch der alte: Er ist kein Bewahrer. Und wenn er sich und die Lufthansa unter Druck sieht, dreht er erst so richtig auf.“  


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