Wieder eine Boeing, wieder das Modell 737 Max und wieder war der Flieger praktisch brandneu. Seit am Freitag der Kabineninnendruck einer Maschine von Alaska Airlines bei Portland, Oregon, in rund 5000 Metern Höhe eine Tür samt Innenverkleidung aus dem Rumpf gesprengt hat, dürfte klar sein: Hier haben nicht nur ein paar Bolzen versagt. Das grundsätzliche Qualitätsproblem bei Boeing, das 2018 und 2019 zu zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten geführt hatte, ist nach wie vor nicht überwunden.
Das sollte auch der Lufthansa zu denken geben. Das Management um Carsten Spohr hatte erst im Dezember entschieden, 40 Boeing 737 Max zu bestellen – nachdem das Unternehmen seit fast einem Jahrzehnt auf der Mittelstrecke nur auf Airbus gesetzt hatte. Zudem gibt es eine Option für 60 weitere Maschinen. Von dieser Bestellung sollte der Konzern angesichts der neuerlichen Vorkommnisse umgehend zurücktreten, um seine Reputation nicht zu beschädigen.
So berichtete die Nachrichtenagentur AP vergangene Woche, dass Boeing die US-Luftaussichtsbehörde FAA gebeten habe, ein neues Modell der 737 Max von einer Sicherheitsnorm auszunehmen, die verhindern soll, dass Teile des Triebwerksgehäuses im Flug überhitzen und abbrechen. Boeing arbeitet demnach auch bei aktuellen Max-Flugzeugen daran, das Problem zu beheben. So lange sollten Piloten das Vereisungsschutzsystems nur eingeschränkt verwenden, um Schäden zu vermeiden, die zum Verlust der Kontrolle über das Flugzeug führen könnten.
Kein Gefühl von Sicherheit
Ja, finanzielle Beweggründe mögen bei der Lufthansa dafür sprechen, die Maschinen bei Boeing zu kaufen. Die Orderbücher bei Airbus sind übervoll, sodass die Lufthansa bei Boeing vermutlich schneller Flieger bekommen kann als beim europäischen Konkurrenten. Und weil die Lufthansa lange keine Flugzeuge für die Mittelstrecke in den USA bestellt hatte, dürften die Rabatte großzügig ausfallen.
Das alles ist betriebswirtschaftlich also durchaus nachvollziehbar. Doch es geht auch um das Vertrauen in die Marken der Lufthansa-Gruppe. In den sozialen Netzwerken tauchen schon die ersten Kommentare von Vielfliegern auf, die ankündigen, niemals in eine 737 Max der Lufthansa steigen zu wollen. Fliegen ist immer auch etwas Emotionales, etwas, in dem man Leib und Leben einem Unternehmen anvertraut. Da möchte der Passagier, dass die höchsten Standards in Sachen Sicherheit gelten. Und die scheint Boeing im Moment leider nicht erfüllen zu können.
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