Netflix Wie viel Wachstum kann der Kampf gegen Account-Sharing wirklich bringen?

Quelle: AP

Der Streamingdienst Netflix geht gegen Trittbrettfahrer vor – und kann seine Nutzerzahl damit überraschend stark steigern. Dennoch bleibt der Kampf gegen das Account-Sharing ein riskantes Spiel.

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„Liebe ist: das Teilen eines Passworts“, verbreitete Netflix vor sechs Jahren über seinen Twitter-Account. Der Tweet fliegt dem Streamingdienst seit einigen Wochen um die Ohren. Denn: Wenn dem so ist, dann ist Liebe bei Netflix neuerdings offenbar unerwünscht – oder zumindest mit Kosten verbunden.

Ende Mai verschickte der Streamingdienst eine warnende E-Mail an viele Kunden, auch in Deutschland: „Ihr Netflix-Konto ist für Sie und die Personen, mit denen Sie zusammenwohnen“, stand darin. Wer sein Netflix-Passwort mit Personen aus einem anderen Haushalt teilt, solle ab sofort 4,99 Euro Aufpreis zahlen. Oder die Personen aus dem anderen Haushalt sollten sich selbst einen eigenen Netflix-Account einrichten, regte Netflix weiter an.

„Ich lasse mir nicht vorschreiben, mit wem ich meinen Account teile“, lautete daraufhin nur eine von Hunderten empörten Resonanzen der Kunden auf Social Media. Eine anderer Twitter-Nutzer appellierte: „Votiert mit eurem Geldbeutel: Kündigt euren Netflix-Account!“

Die Befürchtungen, dass mehr verärgerte Nutzer kündigen würden, als einsichtige Kunden freiwillig mehr bezahlen, allerdings hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Der Dienst gewann im zweiten Quartal dieses Jahres 5,9 Millionen Kunden hinzu, wie er Donnerstagnacht mitteilte. Netflix machte zwar keine Angaben dazu, wie viele der Neukunden zuvor Account-Trittbrettfahrer gewesen waren. Dennoch deutet die Abo-Entwicklung darauf hin, dass die Strategie beim Vorgehen gegen das Teilen von Passwörtern aufgeht: Co-Chef Greg Peters zufolge verzeichne man nach diesem Quartal in jeder Region mehr Abo-Kunden und Umsatz als zuvor. „Wir sehen, dass es funktioniert“, sagte der Manager.

Seit Sommerbeginn unterbindet Netflix das Account-Sharing. Die Strategie scheint aufzugehen. Der Streamingdienst hat 5,9 Millionen Kunden gewonnen. Welche Schlüsse Netflix daraus zieht.

Bemerkenswert ist daran: Um Kunden zu überzeugen, verzichtet Netflix derzeit sowohl auf die Moralkeule als auch auf Drohungen mit rechtlichen Konsequenten. Das „Update zum Teilen von Netflix-Konten zwischen Haushalten“, das der Streamingdienst jüngst an seine Kunden per E-Mail verschickte, verzichtete sogar auf nur einen einzigen direkten Appell.

Ursprünglich hatte der Streamingdienst eine etwa radikalere Strategie verfolgen wollen, um Trittbrettfahrer vom Abo-Kauf zu überzeugen: Jeder Account, der sich nicht mindestens einmal alle 31 Tage in das registrierte Heim-W-Lan-Netz einloggt, hätte gesperrt werden sollen. Das stand so in einem neuen Regelwerk, das der Streamingdienst im Februar veröffentlicht hatte. Nach lautstarker Kritik daran, ruderte Netflix aber schnell zurück.

Kundinnen und Kunden solle „keine Kündigung oder irgendeine sonstig geartete Form von Konsequenz“ drohen, wenn sie ihr Passwort weiterhin teilen, teilte der Streamingdienst etwa dem IT-Portal „golem.de“ mit. Wer von einem anderen Haushalt als dem Haupt-Haushalt auf das Konto zugreife, erhalte jedoch einen Hinweis in der Netflix-App, dass kein Streaming möglich sei. Und einen freundlichen Hinweis auf die Möglichkeit, sich doch einen eigenen Account anzulegen. Allerdings: Niemand werde dabei „ohne Ankündigung gesperrt“, versichert der Streamingdienst.

Nach früheren Berechnungen von Netflix nutzten rund 100 Millionen das Passwort aus einem anderen Haushalt. Bei einigen betroffenen Nutzern könne es mehrere Quartale dauern, sie als Kunden zu gewinnen, räumte Peters in der Nacht zum Donnerstag ein. Für das laufende Vierteljahr rechnet Netflix erneut mit einem Zuwachs um rund 5 Millionen Nutzer.




Tipps, wie sich Netflix-Account teilen lässt

Dass Netflix alle der mutmaßlichen Trittbrettfahrer in zahlenden Kunden verwandeln kann, erscheint indes unwahrscheinlich: Tipps und Tricks, wie sich ein Netflix-Account nach wie vor über mehrere Haushalte hinweg teilen lässt, finden sich im Netz zuhauf. Eine als mindestens dunkelgrau einzustufende Methode: Die Nutzung sogenannter Virtual Private Networks (VPNs), um dem Streamingdienst vorzugaukeln, sich im Netzwerk des zahlenden Abonnenten zu befinden.

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Eine andere Methode, weniger technisch dafür im Einzelfall umso mehr logistisch aufwendig: „Wenn Ihr einmal im Monat euren Freund besucht und euch über dessen W-Lan bei Netflix anmeldet, wäre eure Account auch wieder freigeschaltet“, erklärt der Jurist Christian Solmecke auf seinem an ein junges Publikum gerichteten Youtube-Kanal. Dieser Weg sei prinzipiell auch nicht illegal. Man müsse allerdings erst einmal abwarten, was sich Netflix noch alles einfallen lasse, um gegen Account-Sharing vorzugehen.

Allerdings: Ein noch härteres Vorgehen gegen Trittbrettfahrer birgt immer auch die Gefahr, die brav zahlenden Kunden zu verärgern. Was etwa, wenn diese plötzlich auf Reisen Probleme bekämen, den Dienst zu nutzen?

Trotz überraschend hohem Kundenwachstums: Der Streaming-Dienst gab am Mittwoch einen Quartalsumsatz unter Markterwartungen bekannt. Der Ausblick auf das laufende Vierteljahr enttäuschte ebenfalls. „Wir haben zwar stetige Fortschritte gemacht, aber vor uns liegt noch mehr Arbeit, um unser Wachstum zu beschleunigen“, teilte das Unternehmen mit. Der Umsatz stieg den Angaben zufolge im abgelaufenen Quartal um 2,7 Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar. Analysten hatten allerdings auf 8,3 Milliarden Dollar gehofft.

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Der Konkurrenzkampf im Streamingbusiness sei groß, erklärte der Streamingdienst jüngst. Man müsse anerkennen, „dass unseren Nutzern sehr viele Unterhaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen“. Deshalb werde man weiterhin kräftig in neue Produktionen investieren, um die Kunden glücklich zu machen.

Viel könnte schon damit gewonnen sein, sie nicht zu verärgern.

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