Postlogistiker „Wir sind auf Angriff gepolt“

DHL-CEO Tobias Meyer Quelle: imago images

Vier Grafiken zeigen, wie die DHL Schritt für Schritt ihr Kerngeschäft eindampft – und neue Felder ausbaut. Schon heute erwirtschaftet die einstige Staatspost nur noch knapp 15 Prozent ihres Gewinns in Deutschland.

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Die Bilanz des neuen Postchefs im ersten Jahr nach der langen Ära von Frank Appel lässt sich knapp zusammenfassen: solide. Oder in den Worten von DHL-CEO Tobias Meyer: „In Summe zufrieden.“ Im Jahr nach dem Coronaboom und inmitten der äußerst schwachen Auftragslage für Logistiker verzeichnete auch die DHL hohe Gewinneinbrüche von fast 25 Prozent. Mit einem Ebit von knapp 6 Milliarden Euro fällt das Fazit trotzdem eher positiv aus – das ist ein Fünftel mehr als im damaligen Rekordjahr 2019.

Den eingeschlagenen Kurs seines Vorgängers setzt Meyer radikal fort. Der Umbau des ehemaligen staatlichen Postdienstleisters zu einem breit aufgestellten globalen Logistiker wurden unter Meyer noch einmal verschärft. Symbolisch hatte der Neue im Sommer den Namen „Deutsche Post“ aus der Konzernbezeichnung streichen lassen und sich auch namenstechnisch auf das internationale Geschäft der DHL fokussiert.

Die Vorteile dieser Strategie sieht man gerade jetzt in der Krise: Während die Paketbranche, Reeder, Spediteure und Kontraktlogistiker teilweise wieder ums Überleben kämpfen, spricht Meyer über 2024 als „das Jahr der Opportunitäten“. Die DHL will wachsen, in neue Märkte und Technologie investieren. Von Möglichkeiten in der Türkei, dem Mittleren Osten, China und USA ist die Rede. Nur in seinem alten Heimatmarkt Deutschland hält sich Meyer zurück und will zunächst die neue Regulierung der Ampelkoalition abwarten.



Die Vorsicht im hiesigen Brief- und Paketmarkt ist durchaus nachvollziehbar. Die Bedeutung der Sparte ist in den vergangenen Jahren sukzessiv zurück gegangen. Erwirtschaftete der Logistiker 2008 noch fast 60 Prozent seines Gewinnes durch den Brief- und Paketdienst in Deutschland, sind es heute nur noch knapp 15 Prozent.

Blickt man auf die vergangenen Erträge von „Post und Paket“, wird das strukturelle Problem der Sparte deutlich. Nach dem Paketboom infolge der Coronapandemie verliert die Division langsam, aber sicher an Substanz. Im vergangenen Jahr seien es dem Unternehmen zufolge die hohen Tarifabschlüsse, die Inflation und das schrumpfende Briefaufkommen, die die Stückkosten, also die Kosten pro verschicktes Päckchen und Brief, in die Höhe getrieben haben. „Die Briefmenge der letzten zwei Jahre war eine Abrisskante“, urteilte Nikola Hagleitner, die Sparten-Vorständin. Im Schnitt sei die Menge demnach jährlich um „fünf bis sechs Prozent“ gesunken.



Dass die Post als Universaldienstleister für die Briefverteilung vom Staat zu Gewinnen per Gesetz bestimmt wurde, verschweigt das Unternehmen bei solchen Gelegenheiten gerne. Für die DHL reichen die aktuellen Erträge trotzdem nicht aus, um alle notwendigen Modernisierungen zu stemmen. Vor allem für genügend elektrische Zustellfahrzeuge, neue Sortieranlagen oder Solaranlagen fehle das Geld, begründet das Unternehmen seit Monaten. Eine „Quersubventionierung“ aus dem internationalen Geschäft schließt Meyer aus.

Um den Profit zu erhöhen, setzt Spartenchefin Hagleitner auf zwei Dinge: „Preiserhöhungen bei Paketen“ und das neue Postgesetz, das möglicherweise ab nächstem Jahr gilt. Dem bisherigen Gesetzesentwurf zufolge würde sich demnach die Laufzeit der meisten Briefe um einen Tag verlängert. Das würde die gemeinsame Auslieferung von Briefen und Paketen, der sogenannten Verbundzustellung, erleichtern. Im Zuge dessen will das Unternehmen auch im Laufe des kommenden Jahres die Nachtflüge in Deutschland einstellen. Auch könnte die Post wie andere Zustelldienste von einer Entlastung bei der Umsatzsteuerpflicht profitieren.

Ob die Sparte damit an seine vergangenen Gewinne anknüpfen wird, ist dennoch fraglich. Auch wenn die Briefmengen stabil bleiben sollten, rechnet doch niemand mit einer Mengenerhöhung. Im Paketbereich ist die Post zwar deutlicher Marktführer, doch sind die Wettbewerber vor allem auf dem letzten Auslieferstück nicht selten einfallsreicher und günstiger.

Um die geringen Wachstumschancen in Deutschland weiß auch Meyer. Schon heute kommen die großen Gewinne aus dem Ausland. Vor allem der zu Appels Beginn von vielen als „Milliardengrab“ verspottete Expressdienst der DHL sorgte auch im vergangenen Jahr für die Hälfte der Gewinnerlöse.



Meyer treibt die Investitionsstrategie im Ausland voran. „Wir sind auf Angriff gepolt“, sagte er am Mittwoch in Bonn. Zuletzt wurden der türkische E-Commerce-Spezialist MNG Kargo sowie übrige Anteile am Frachtunternehmen Danzas AEI Emirates in Dubai erworben. Zwei Akquisitionen mit Signal: Vor allem in Regionen des globalen Südens sieht Meyer Potentiale. Das Unternehmen profitiert wie kaum ein anderer deutscher Logistiker von neuen Lieferketten und der Suche der Kunden nach Lager-, und Produktionsalternativen zu China. Auch will die DHL von der Öffnung Saudi-Arabiens profitieren. Das Königreich plant eine Zukunft nach dem Öl und versucht massiv seine Infrastruktur nach dem Vorbild Dubais umzubauen. Das könnte auch den Deutschen gelegen kommen.

Die Investitionen in neue Felder sind nicht ohne Risiko. Die hohen Margen bei der Schiffs- und Luftfracht sind seit den Hochphasen während Corona deutlich abgeflacht, die Bestellvolumen selbst gegenüber 2019 um elf Prozent gefallen. Und ob der Hype des Onlinehandels aus den Vorjahren wiederkommt? Meyer rechnet mit einem „schwachen“ ersten Halbjahr und sieht doch positive Signale. „Die Talsohle ist erreicht“, kommentiert der DHL-Chef.



Vor allem das Geschäft mit den eiligen Fliegern hängt jedoch nicht nur an den Mengen. Zu schaffen machen der Expresssparte auch hohe Personal-, Sprit- und Energiekosten. An der Börse bewerteten Analysten in der Vergangenheit die Konkurrenten von UPS und FedEx auch deshalb höher, weil jene es vermochten, effizienter mit ihren Ressourcen umzugehen. Den Unterschied zu den großen US-Diensten kann man auch jetzt beobachten. Während andere Tausende von Stellen kürzen, bleibt die Zahl der Beschäftigten bei der DHL stabil. 

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Kurs halten, so lautet Meyers Botschaft nach einem Jahr im Vorsitz. 2025 will sich das Unternehmen eine neue Fünfjahresstrategie verpassen. Ohne größere Risiken lässt sich schon heute mutmaßen, worauf sich das Unternehmen eher konzentriert. Der deutsche Brief- und Paketmarkt wird es allem Anschein nach nicht sein.

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