Spanische Staatsbahn Bei Renfe läuft auch nicht alles rund

Der AVE-Zug der spanischen Staatsbahn ist zum Exportschlager geworden. Quelle: Presse

Die spanische Staatsbahn galt der Deutschen Bahn lange als Vorbild für Service. Jetzt musste der CEO wegen schwerer Fehler das Unternehmen verlassen. Sein Nachfolger überzeugt nur wenige.

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Raquel Sánchez, bis Montag noch Chefin von dem gerade von ihr geschassten Renfe-Chef Isaías Táboas, hatte bis vor Kurzem nicht viel Ahnung von Schienenverkehr und Infrastruktur. Die Transportministerin ist erst seit 2021 im Amt und hat wohl die schlimmsten Wochen ihrer bisher sehr erfolgreichen Karriere als Lokalpolitikerin in Katalonien hinter sich.

2019 gab Renfe für 251 Millionen Euro 31 Nahverkehrszüge für Nordspanien in Auftrag – mit falschen Maβen. Die Züge passten nicht durch einige Tunnel in Asturien und Kantabrien. Zu Raquel Sánchez Glück, war sie da noch nicht im Amt. Auch deswegen musste Táboas gehen und nicht sie, heißt es. Der Wahl-Katalane wurde 2018 von Premier und Parteifreund Pedro Sánchez ins Amt gebracht.

Sein jetziger Nachfolger, der Katalane und Sozialist Raül Blanco, ist zwar Ingenieur, hat aber auch schon technische Fehler im Industrieministerium bei der Vergabe von EU-Hilfen für die Autoindustrie zu verantworten und musste sich deswegen Ende 2022 als Generalsekretär für den Bereich „Industrie und Mittelstand“ verabschieden. Das konservative Oppositionslager moniert Vetternwirtschaft. Das alles trifft die Staatsbahn in einem kritischen Moment, startete sie doch nach dem Kauf von Leo Express in Osteuropa im vergangenen Jahr auch erstmals als Betreiber von Hochgeschwindigkeitsstrecken in Frankreich, wo gerade eine Niederlassung gegründet wurde. Seit Jahren sind die Spanier zudem in Prestige-Projekten in Polen, Saudi-Arabien, Mexiko und den USA involviert. Gerade wurde eine eigene internationale Filiale auf den Weg gebracht, um die ausländischen Aktivitäten zu bündeln. All das hat Táboas zu verantworten.

Flixtrain rollt mit seinen grünen Zügen seit 2018 durch Deutschland. Das Problem: Nur etwa jeder zweite davon kam pünktlich am Bahnhof an, zeigen neuste Zahlen. Schuld daran soll die Konkurrenz sein.
von Nell Rubröder

Renfes Zug-Desaster schädigt dem Image der Branche

Für die rechte Volkspartei PP kommt der Skandal wie gerufen. Ende dieses Jahres wird in Spanien ein neues Parlament gewählt und Renfes Interna torpedieren die Bemühungen des Sozialdemokraten Pedro Sánchez, mit wirtschaftlichen Erfolgen vor seinen Wählern zu glänzen. „Es könnte sein, dass nun einige Expansionspläne gebremst werden durch diesen peinlichen Skandal,“ sagt Victor Ruiz Espeleta, der selbst als Ingenieur im spanischen Schienenverkehr gearbeitet hat und nun an der EAE Business School unterrichtet. Spanien, das bisher wegen seiner Modernität, Innovation, Sicherheit und seinem Service weltweit als Referenz beim Schienennetz galt, kämpft nun um das Image seiner Staatsbahn, die mit der Deutschen Bahn in zahlreichen internationalen Konsortien zusammenarbeitet und vor der Pandemie unter Táboas sogar erstmals Gewinne einfuhr.

Der AVE-Zug ist zu einem spanischen Exportschlager geworden, auf den auch die Deutschen neidisch sind. Jetzt greifen die deutschen Medien den spanischen Skandal fast dankend auf. Nachdem Renfe versuchte, die technischen Missstände um die Nahverkehrszüge unter den Teppich zu kehren, fühlen sich viele Kritiker bestätigt, die zum Amtsantritt von Pedro Sánchez verlangten, dass Kompetenz und nicht Parteiaffinität bei der Besetzung von Staatsämtern eine Rolle spielen sollte.

Renfe hat der EU viel zu verdanken

„Dank der Milliarden an EU-Infrastrukturhilfen konnte das Land sein Netz ausbauen, enorme Expertise gewinnen und sich modernisieren, während Deutschland wenig investiert hat,“ muss INECO-Chef Sergio Vázquez Torrón im Interview eingestehen. Durch die enormen Aktivitäten der vergangenen Jahre im eigenen Land seien spanische Infrastrukturunternehmen wie ACS zu Weltmarktführern geworden, welche die staatlichen Unternehmen wie Renfe immer im Schlepptau hätten. Dabei bleibt die Schiene Staatsangelegenheit, an Privatisierung ist überhaupt nicht zu denken. Auch in diesem Jahr wird die spanische Regierung knapp 12 Millionen Euro in die Staatsbahn und den Netzbetreiber Adif investieren, sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Die Liberalisierung des Passagierverkehrs wurde dagegen anders als in Deutschland erst letztes Jahr eingeleitet, was der Staatsbahn Zeit gab, sich auf den Moment vorzubereiten, sagt Vázquez Torrón, der ebenfalls zum Einflussbereich der regierenden PSOE gehört und auch kein Ingenieur ist. „Das spielt keine Rolle, sie sollen die Geschäfte leiten, für die technischen Ausarbeitungen sind dann andere zuständig, aber sie müssen dann als Chef wie im Fall der 31 Züge den Kopf hinhalten,“ sagt Ruiz. Dennoch gäbe es noch einiges bei Renfe zu verbessern.

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Die Staatsbahn, die bis 2028 rund zehn Prozent ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften will, weil es zu Hause mit den Wettbewerbern wie SNCF und Trenitalia ungemütlicher wird, muss vor allem ihre Kommunikation deutlich modernisieren und internationalisieren. Táboas gab kaum Interviews, obwohl er selbst aus der Marketingbranche kommt und vor vielen Jahren Kommunikationschef bei Renfe war. Die der Regierung nahe stehenden Politiker der von dem Renfe-Patzer betroffenen autonomen Regionen Kantabrien und Asturien dürfte es dagegen nicht trösten, dass Transportministerin Sánchez kleinlaut bekannt gab, dass die ihnen fehlenden Züge 2026 in Betrieb sein werden.

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