Strukturwandel Wie ein Backofenbauer dem Bäckereisterben trotzt

Brot ist ein Hauptnahrungsmittel, doch stehen die Bäcker in Deutschland unter wirtschaftlichem Druck. Quelle: imago images/photothek

In Deutschland sterben massenweise Bäckereien aus. Wie überlebt man da als Backofenbauer? Die Firma Heuft aus der Eifel macht es vor. 

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Es war eine radikale Entscheidung, damals im Jahr 2005. Da beschloss Thomas Heuft, Chef des Ofenbauers Heuft, sein Sortiment zu bereinigen. Und wie: Bis auf ein einziges sollten alle anderen Ofensysteme aus dem Sortiment fliegen. 

Was nach Sparprogramm und Kapitulation klingt, beruhte auf einem Masterplan. Und der geht gerade auf wie Brot im Ofen. Während die Zahl der Bäckereien in Deutschland jedes Jahr sinkt, hat der Backofenbauer aus Bell (Rheinland-Pfalz) den Umsatz in den vergangenen 20 Jahren auf über 60 Millionen Euro verfünffacht, die Mitarbeiterzahl auf über 300 vervierfacht, statt zwei gibt es heute sieben Unternehmen, die zur Heuft-Gruppe gehören. Wie kann das sein?

Weltmarke „Beller Öfen“

Die Geschichte der Firma beginnt vor über 300 Jahren, was Heuft laut Unternehmensangaben zum ältesten Backofenbauer der Welt macht. Bell wählte der Gründer als Standort aus, da wegen eines Vulkanausbruchs in der Gegend eine Menge Tuffstein zu finden war, der sich besonders gut für den Backofenbau eignet. Das zog nicht nur Heuft, sondern weitere Dutzende Backofenbauer an, die Bell und auch die „Beller Öfen“ weltweit bekannt machten. 1945 noch gab es mehr als 20 Backofenbauer in dem kleinen Dorf in der Eifel. Als später effiziente Stahlöfen in Mode kamen, verschliefen viele Firmen den Wandel. Heufts Vorfahren hingegen erkannten den Trend früh und verbreiterten das Portfolio, bevor Thomas Heuft es 2005 dann wieder radikal verkleinerte. Heute ist die Firma der einzig relevante Backofenbauer in Bell und neben Miwe, Debag, Wiesheu sowie Werner & Pfleiderer nur noch eine von fünf wichtigen Playern auf dem umkämpften deutschen Markt.

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von Bert Losse

Dieser war zuletzt vom „Bäckereisterben“ geprägt. So ist die Anzahl der Bäckereibetriebe zwar zwischen 2012 und 2022 von mehr als 13.600 auf weniger als 10.000 zurückgegangen. Gründe dafür sind der Fachkräftemangel, die große Konkurrenz durch Discounter und akut auch noch stark gestiegen Rohstoff- und Energiepreise. Gerade die Energiekrise sei „ein Katalysator für die Herausforderungen in der Bäckerbranche, denen sich das Handwerk stellen muss“, sagt Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Backhandwerks, vor etwa einem Jahr der WirtschaftsWoche. Das heißt aber nicht, dass die Deutschen weniger Backwaren konsumieren würden. Im Zeitraum von 2012 bis 2022 ist der Umsatz mit Bäckereiwaren schließlich um drei Milliarden Euro und damit auf 16,27 Milliarden Euro gestiegen. Die vermeintliche Diskrepanz lässt sich über eine Verschiebung zu eher größeren Bäckereien erklären. So macht die Gruppe der Bäckereibetriebe mit mehr als fünf Millionen Euro Umsatz rund 70 Prozent des gesamten Umsatzes, während Kleinstbetriebe mit weniger als 500.000 Euro Umsatz gerade einmal sechs Prozent ausmachen.

Hoher Preis, viele Vorteile

Für die Backofenbauer bedeutete das zuletzt eine Umstellung. „Die Kundenstruktur hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verändert: Die großen Abnehmer sind schon lange nicht mehr die kleinen handwerklichen Bäckereien um die Ecke, sondern Großbäckereien, die teilweise zahlreich Filialen haben, sowie die Backwarenindustrie, die vorrangig die Supermärkte und Discounter beliefert, erklärt Beatrix Fräse, zuständig für Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).



Heuft hat das bereits 2005 antizipiert. Damals beschloss der Chef des traditionsreichen Familienunternehmens, künftig alles auf eine Karte zu setzen und nur noch ein Ofensystem anzubieten. Leicht fiel die Entscheidung nicht. „Natürlich hatte ich Bauchschmerzen bei der Entscheidung. Wir hatten ein enorm breites Ofensortiment, alle existierenden Ofen-Systeme dieser Zeit“, sagt Heuft. „So etwas aufzugeben, ist nicht einfach.“ Doch er glaubte an das System der sogenannten „Thermo-Öl-Backöfen“.

Die sind in der Anschaffung recht teuer und verschlingen gern einmal fünf- bis siebenstellige Beträge in der Anschaffung. Leisten können sich das eher die großen Betriebe ab 500.000 Euro Umsatz, die zuletzt immer wichtiger wurden. Genau auf die zielte Heuft mit der Umstellung um.

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Wegen des happigen Preises kommen die Öfen mit einigen Vorteilen um die Ecke. Sie verbrauchen weniger Energie als herkömmliche Backöfen.  Zudem können die Thermo-Öl-Öfen durch ihre Bauart eine gleichbleibend hohe Qualität der Backwaren garantieren, egal wo diese im Ofen liegen. Der Ofen funktioniert dabei ähnlich einer Zentralheizung: Das Öl wird dezentral in einem Kessel erhitzt und dann über Rohre durch die Öfen geleitet. Einmal richtig eingestellt, ist so ein Hightech-Ofen dann „praktisch von allen Mitarbeitern bedienbar“, erklärt Heuft, der die Umstellung bis heute nicht bereut hat. Zwar habe es Kraft gekostet, den eigenen Vertrieb zu überzeugen. Entgegen seiner Erwartungen gab es nach der Umstellung aber keinen Umsatzeinbruch, was den Wandel sicherlich leichter gemacht hat.

Weil der heimische Markt schon gut gesättigt ist, schaut Heuft nun ins Ausland, wo auch der VDMA gute Chancen sieht. Zuletzt wuchs das Volumen der in Deutschland hergestellten und dann exportieren Backöfen von 99 Millionen Euro im Jahr 2012 auf etwa 156 Millionen Euro im Jahr 2023, Tendenz steigend. Bei Heuft machen die ausländischen Kunden schon heute 40 Prozent des Umsatzes aus, künftig soll das aber deutlich mehr werden. Neuseeland, Japan, USA: Das sind interessante Märkte für Thomas Heuft, weil dort das Brot gerade zum Genussmittel wird und Bäckereien eher mehr als weniger werden. „Mit dem Export haben wir erst vor 20 Jahren angefangen, das war recht spät. Da gibt es aber nun umso mehr aufzuholen – und Möglichkeiten zu wachsen“, sagt Heuft. Kleine Brötchen wollen sie in Bell schon lange nicht mehr backen.

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