Werbesprech
Ein Bild der gestoppten Werbekampagne von Kaufland mit Michael Wendler. Quelle: obs

Das Influencer-Marketing hat „ausgewendlert“

Testimonials, Werbung mit Prominenten, sind so alt wie die Werbung. Influencer-Marketing wird dagegen immer wieder zum Debakel. Jüngstes Beispiel: Kaufland und der Wendler. Zeit für eine Zäsur.

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Die Werbeaufwendungen in Deutschland stagnieren seit Jahren. Printhäuser und inzwischen auch TV-Sender verzeichnen immer geringere Einnahmen aus dem einstmals hochprofitablen Geschäft mit Werbung. Einzig die Werbung auf digitalen Kanälen steigt kontinuierlich an – sehr zum Leidwesen der Verbraucher, die sich von Bannern und Werbefilmchen auf Google, YouTube, Facebook, Instagram, Tiktok & Co zunehmend belästigt fühlen. Doch das hindert die Werber keinesfalls daran, an der digitalen Werbeschraube weiterzudrehen.

Eine der mannigfaltigen Disziplinen der digitalen Werbung ist Influencer-Marketing, der Einsatz von Online-Promis, YouTubern, also den neuen Stars und Sternchen der Online-Welt. Sie halten – mal mehr, mal weniger professionell – Produkte und Marken jeder Art in die Kamera und empfehlen sie ihrem bisweilen millionenstarken Publikum. Und während der Werbemarkt stagniert, steigen die Investitionen in die noch junge Disziplin Influencer-Marketing immer steiler an. Nach Schätzungen soll der Markt inzwischen auf eine halbe Milliarde Werbe-Euro angewachsen sein. Tendenz weiter steigend.

Laut einer Studie des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V.) hat „mehr als jeder fünfte Deutsche (21,6 Prozent) schon einmal ein Produkt gekauft, weil er es zuvor bei einem Influencer gesehen hat.“ Es gleicht dem unerfüllten Traum aller Werber: einmal gesehen, schon gekauft.



Vom Influencer-Virus „betroffen“ sind überwiegend sehr junge Verbraucher. Wenn aber nach dieser Studie über die Hälfte der jungen Erwachsenen Influencer glaubwürdiger finden als klassische Werbung in TV, Radio oder Zeitungen, ist das Grund genug, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen.

Skurrile Werbefilmchen

Die Arbeit mit Influencern führt bisweilen zu skurrilen, oftmals peinlichen Werbefilmchen, in denen sich Online-Beautys am Strand die Haare föhnen, wo keine Steckdose weit und breit ist, in denen eine leicht bekleidete Dame für eine Ausbildung im Finanzgewerbe wirbt oder zwei männliche Influencer sich darüber empören, im Augenblick nicht nach Dubai fliegen zu können. Der Twitter-Account @Infoluencer („Kritisches, Unterhaltsames & Perlen aus der fake social media Welt“) führt täglich vor, was die Welt der Influencer an Neuem ausbrütet.

Einer der ernsthaften unter den Stars am Influencer-Himmel ist Falko Punch, „das deutsche Gesicht der Video-App TikTok“ mit einer Fan-Schar von über acht Millionen Followern. Werbedeals mit Unternehmen wie BMW und Samsung versorgen ihn mit jährlichen Einnahmen im sechsstelligen Bereich. Und… es gibt „den Wendler“.

Michael Wendler, weiß man bei Wikipedia , (bürgerlich Michael Norberg, geb. Skowronek) ist ein deutscher Sänger, Songschreiber und Reality-Show-Teilnehmer. Er ist einer von unzähligen C-Promis, die das deutsche Schlager- und TV-Business hervorgebracht hat. Im Oktober kam er zu zweifelhaftem Ruhm, als er sich im Gefolge des ebenso fragwürdigen Attila Hildmann als Verschwörungstheoretiker und sogenannter „Covidiot“ outete.

Der Spiegel fasst das Geschehen zusammen: Doch dann gibt „der Wendler“, wie ihn seine Fans nennen, in einer Reihe von Clips zunächst seinen Ausstieg als Jurymitglied der Casting-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) bekannt, Begründung: „Nahezu alle Fernsehsender inklusive RTL machen sich mitschuldig, sind gleichgeschaltet, politisch gesteuert.“ Und wirft der Bundesregierung in einem teils offenbar abgelesenen Statement „bezüglich der angeblichen Corona-Pandemie grobe und schwere Verstöße gegen die Verfassung“ vor.

Werbeunfälle mit Ansage

Das alles wäre keine Nachricht wert, wäre nicht der unsägliche Protagonist unmittelbar zuvor in seiner Rolle als Influencer einen Werbe-Deal mit dem Lebensmitteleinzelhändler Kaufland eingegangen. Zunächst dementierte Kaufland den angeblich millionenschweren Deal, um dann doch (?) den Kampagnenstart in sozialen Medien anzukündigen. Der Branchendienst turi2 kommentierte den Spot trocken als „Werbe-Unfall, bei dem es schwerfällt, wegzugucken“. Kaufland stellte das YouTube-Video derweil auf privat – weshalb es leider nicht mehr abgerufen werden kann.



Kaufland hat sich mit der Aktion ziemlich lächerlich gemacht und nun gleich mehrere Probleme, auf die sie von vorneherein hätten verzichten können: Die Kampagne ist in den Sand gesetzt, das bereits investierte Marketinggeld kann man getrost abschreiben. Hinzu kommt die Klage gegen Herrn Wendler mitsamt Anwaltskosten. Dann die Rückforderung bereits gezahlter Honorare. Und zu allem Überfluss negative PR und eine zurecht erboste Kundschaft.

Solche Debakel lassen sich vermeiden. Influencer Marketing sowie alle Probleme, die daraus entstehen können und der Umgang mit Prominenten in der Werbung sind allesamt nicht neu. Bislang nannte man es „Testimonial“, wenn eine bekannte Persönlichkeit gegen Zahlung eines Honorars vorgibt, von einer Marke überzeugt zu sein und diese Verbrauchern und Fans so glaubwürdig wie möglich empfiehlt.

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