Zug, Fernbus, Flugzeug Wo im Weihnachtsverkehr Chaos droht

Besonders auf der Schiene könnte der hohe Krankenstand zum Problem werden. Quelle: imago images

Aus Sicht der Transportunternehmen liegt Weihnachten ungünstig. Die Firmen erwarten einen geballten Run auf Tickets am Freitag und Samstag – und leiden unter hohen Krankenständen. Kommen wir pünktlich zum Fest?

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Die Deutsche Bahn hat vorgesorgt. Zumindest in Sachen Zugflotte. 80 zusätzliche Züge will das Unternehmen in der Weihnachtszeit und rund um Silvester auf die Schiene bringen. Die Bahn könnte so viele Menschen durch die Republik transportieren wie nie zuvor. In der Zeit vom 23. Dezember 2022 bis zum 2. Januar 2023 seien vor allem „auf den stark nachgefragten Verbindungen“, etwa zwischen Berlin und Stuttgart beziehungsweise München oder zwischen Köln, Düsseldorf und Berlin, Extra-Züge unterwegs. „Damit stehen in der Weihnachtszeit 40.000 Sitzplätze zusätzlich zur Verfügung“, heißt es bei der Deutschen Bahn.

Die Frage ist nur: Werden sie auch tatsächlich gefahren? Gibt es genügend Lokführer, Zugchefs und -chefinnen, die ihren Job ausüben können? Auch die Werkstätten müssen für notwendige Reparaturen besetzt sein. Die Lage bei der Personaldecke ist aktuell angespannt. „Wie bei nahezu allen Unternehmen in Deutschland ist auch der Krankenstand bei unseren Mitarbeitenden aktuell hoch“, heißt es bei der Deutschen Bahn. „Das kann leider regional zu betrieblichen Einschränkungen im Zugverkehr führen.“ Die Bahn weiter: „Wir bedauern die aktuellen Einschränkungen für unsere Fahrgäste sehr.“

Die Bahn ist nicht das einzige Verkehrsunternehmen, das derzeit mit einem hohen Krankenstand kämpft – und beim Personal an die Kapazitätsgrenze stößt. Insbesondere im Nahverkehr auf der Schiene droht Chaos. Einige Reisende werden an Weihnachten daher wohl verspätet oder über Umwege bei ihren Familien ankommen. Besser dran sind offenbar Reisende, die sich mit dem Flugzeug oder Fernbus auf den Weg zu ihren Liebsten machen werden.

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von Henryk Hielscher, Christian Schlesiger

Grund für den Notstand beim Personal ist eine unerwartet starke Erkältungswelle, die gerade durch Deutschland rollt. Vor wenigen Tagen waren zwölf Prozent der Bundesbürger krank, meldete das Robert Koch-Institut. RS-Viren mischen sich mit Grippe und Corona-Erregern. Die Arztpraxen sind voll und Krankmeldungen zahlreich. Experten halten eine weitere Steigerung der Influenza-Erkrankungen für wahrscheinlich, weil die Grippeschutzimpfquote niedrig sei und viele Menschen in den vergangenen zwei Jahren wegen Corona keine Erkältungswelle durchgemacht hätten. Der Krankenstand soll laut Techniker Krankenkasse kürzlich doppelt so hoch ausgefallen sein wie vor der Pandemie. Vor allem: Viele Menschen sind deutlich länger krank als bei einer normalen Erkältung.

Daher sorgen ausgereizte Personalpläne bundesweit für Zugausfälle. So betreffe der gegenwärtig „hohe Stand an Grippe- und Corona-Infektionen“ auch den zweitgrößten Nahverkehrsbetreiber in Deutschland. Sowohl bei Abellio Rail Mitteldeutschland als auch bei der WestfalenBahn sei „ein deutlich erhöhter Krankenstand zu verzeichnen“. Aufgrund des außerordentlich hohen Krankenstands unter den Lokführern und -führerinnen könne es auf den von Abellio in Mitteldeutschland befahrenen Linien „zu vermehrten Zugausfällen kommen“. Besonders betroffen sei das Dieselnetz Sachsen-Anhalt, das überwiegend das zentrale und nördliche Sachsen-Anhalt sowie den Harz bedient. „Hinzukommen die bereits bekannten, seitens des Infrastrukturbetreibers DB Netz AG verursachten Zugausfälle aufgrund nicht besetzter Stellwerke zwischen Halle (Saale) und Sangerhausen beziehungsweise Nordhausen. Bei der WestfalenBahn seien – „Stand heute“ – keine krankheitsbedingten Einschränkungen bekannt.

Beim drittgrößten Nahverkehrsunternehmen Transdev sieht es nicht besser aus. Die gesamte Branche werde derzeit „mit voller Wucht“ von der Krankheitswelle erfasst, sagt eine Sprecherin. „Wir haben hohe Krankenstände in ganz Deutschland im Nahverkehr zu verkraften.“ Man setze alles dran, Zugausfälle zu vermeiden, „was aber bei dieser hohen Anzahl der Erkrankungen fast unmöglich ist“.

Immerhin: Etwas entspannter scheint die Lage aktuell noch bei anderen Verkehrsunternehmen zu sein. „Sowohl für FlixBus als auch FlixTrain bemerken wir in der aktuellen Erkältungszeit vermehrt Krankmeldungen“, sagt ein Sprecher. „Wir haben aber gemeinsam mit unseren Partnern vorausschauend geplant und gehen von einem stabilen Netz über die Feiertage aus.“

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In der Luft sieht es ähnlich aus. Bei der Lufthansa liegen die Krankenstände aktuell „auf einem normalen Niveau, wie dies zu dieser Jahreszeit üblich ist“. Sie hätten auch „keine Auswirkungen auf den Flugplan“. Nahezu gleichlautend geht auch die Lufthansa-Tochter Eurowings von einem Normalbetrieb über Weihnachten aus. „Wir beobachten derzeit keine wesentlich höheren Krankenstände als zu dieser Jahreszeit üblich“, so ein Sprecher. „Aufgrund von zusätzlich vorgehaltenen Ressourcen – sowohl personell als auch in unserer Flotte – rechnen wir in der Weihnachtszeit mit keinen Beeinträchtigungen für unsere Passagiere und gehen von einem stabilen Flugbetrieb aus.“

Trotz des Optimismus der deutschen Lufthansa-Gruppe: Die Politik ist alarmiert. Vor allem, weil die mangelnde Verlässlichkeit im Zugverkehr negative Folgen bei anderen Verkehrsunternehmen haben könnte. Die Pünktlichkeitsquote bei der Bahn sei 2022 „so schlecht wie nie zuvor“, kritisiert Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der Union. „Dies kombiniert mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen vor Weihnachten wird wieder für Staus und lange Schlangen an den Flughäfen sorgen. Statt immer nur zu Reden muss der Bundesverkehrsminister endlich handeln und diese Zustände beenden.“

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Sein Rat: „Auf jeden Fall genügend Zeit einplanen. Solange die Ampel-Koalition für die Sorgen und Probleme des Verkehrs auf Straßen, Schienen und in der Luft kein offenes Ohr hat, brauchen wir alle viel Geduld.“

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