Gas-Umlage Verhindert eine Umlage-Abzocke!

Nah dran an der Politik: Mitnahmeeffekte bei der Gasumlage für den Energieriesen EnBW? Quelle: dpa Picture-Alliance

Ein Plus von drei Milliarden Euro erwartet EnBW, der Versorger aus Baden-Württemberg, in diesem Jahr – und will trotzdem von der Gas-Umlage profitieren. Das riecht nach Mitnahmementalität und muss geprüft werden – in Stuttgart und Berlin. Ein Kommentar.

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Nein, eine so saftige Gewinnprognose wie RWE hat EnBW, der Versorger aus dem Süden, nicht vermeldet. Das Ergebnis ist im ersten Halbjahr leicht zurückgegangen, knapp über drei Milliarden Euro sollen es 2022 dennoch werden, ein Plus von zwei bis sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Ziele der Umlage sind eindeutig

Aber selbst wenn der Gewinn nicht so traumhaft ausfallen wird wie bei RWE, er ist immer noch satt. So satt, dass es wie Missbrauch erscheint, wenn EnBW, anders als RWE und auch Shell, nicht auf Geld aus der Gas-Umlage verzichtet, sondern stattdessen mitzunehmen scheint, was irgend geht – nicht, um eine Pleite zu verhindern, sondern um das Ergebnis abzusichern. Dabei heißt es in der Erläuterung der Bundesregierung zur Umlage-Verordnung doch so eindeutig und zweifelsfrei: „Ausgleichszahlungen an die Gasimporteure sollen ermöglicht werden, die ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, aber nicht zu einer Absicherung von Gewinnen auf Kosten der Verbraucher führen.“

Droht EnBW die Insolvenz?

Droht dem Riesen EnBW also eine Insolvenz? Klar, durch die Tochter VNG, den Gas-Importeur, hat der Konzern zweifellos Risiken im Portfolio. Man sei „im Gegensatz zu Mitbewerbern vom Ausfall der russischen Gasliefermengen durchaus betroffen“, heißt es vonseiten des Konzerns. In den Zahlen für das erste Halbjahr hat EnBW entsprechend auch ein Minus von rund 550 Millionen Euro verbucht, als Preis für die Ersatzbeschaffung.

Lesen Sie auch, warum der Gas-Importeur Uniper ein Minus von zwölf Milliarden Euro gemeldet hat, wie die Bundesregierung und die Gas-Umlage ihn retten sollen – und wie sich andere Unternehmen verhalten.

Aber es ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Und da ist es so, dass der scheidende EnBW-Chef Frank Mastiaux an der Gewinnprognose festgehalten hat.



Nicht einmal weniger Gewinn fürchtet er durch diese Verluste. Und noch Anfang Juli versicherte Mastiaux im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“: „Wenn man alles zusammennimmt und sich die Finanzmittelsituation der VNG anguckt, dann ergibt sich daraus keine unmittelbare Bestandsgefährdung.“ Eine drohende Insolvenz à la Uniper also? Nö, nicht wirklich.

Knapp 47 Prozent an EnBW gehören Baden-Württemberg

Klar, fix ist derzeit nichts, auch eine Analyse nicht. Für Unternehmen wie EnBW mögen sich neue Bewertungen ergeben: Es besteht das Risiko, von Rating-Agenturen abgewertet zu werden, von schwindelerregenden Margining-Forderungen zur Geschäftsabsicherung, und wer weiß schon, was Putin macht. Aber auf eine fundamental neue Bewertung der Situation hat bei EnBW auch in den vergangenen Tagen nichts hingedeutet.

Und so muss der Versorger, dessen Aktien zu knapp 47 Prozent dem Land Baden-Württemberg gehören und zu ebenfalls knapp 47 Prozent dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke – also Kommunen – sich fragen lassen, in wessen Interesse er handelt: Im Interesse der Verbraucher jedenfalls nicht, und im Geist der Umlage-Verordnung auch nicht. Vielleicht ist im Ländle weniger eine Gratismentalität das Problem als vielmehr eine Mitnahmementalität.

In Stuttgart müssen vor allem die Grünen Antworten geben

Ist die politisch verantwortbar? Pikant ist natürlich, dass es jetzt vor allem die Grünen sind, die in Baden-Württemberg die grün-schwarze Landesregierung anführen, die beantworten müssen, ob sie das Verhalten von EnBW für angemessen halten, Finanzminister Danyal Bayaz etwa sitzt im EnBW-Aufsichtsrat. Ausgerechnet von – grünen – Verbraucherschützern gibt es Kritik an Unternehmen, die die Umlage trotz guter Geschäftsaussichten nutzen, um sich abzupolstern. Und für die Bundesregierung, allen voran Wirtschaftsminister Robert Habeck, stellt sich die Frage, ob die ohnehin als handwerklich schlecht gemacht geltende Umlage-Verordnung noch einmal überarbeitet werden muss, um Missbrauch zu verhindern.

2,4 Cent: Umlage trifft alle Gaskunden

Ja, alles ist, alles musste mit heißer Nadel gestrickt werden. Volles Verständnis. Aber mit etwas größerer Ruhe kann jetzt geprüft und nachgebessert werden.

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