Forderung von Betriebsräten und Gewerkschaften 100 Millionen Euro Verlust pro Tag: Jetzt soll der Staat die Mehrheit an Uniper übernehmen

Das Logo des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper. Quelle: dpa

Uniper hat einen neuen KfW-Kredit in Milliardenhöhe beantragt. Doch das könnte nicht reichen. Ein internes Schreiben enthüllt: Führende Uniper-Betriebsräte und die Gewerkschaften Verdi und IGBCE haben die Bundesregierung aufgefordert, gleich die Mehrheit am Energiekonzern zu übernehmen. Warum nur?

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Mehr als 100 Millionen Euro Verlust pro Tag – und Besserung scheint weit entfernt. Die Krise bei Uniper wird immer größer. Darum fordert der angeschlagene Energiekonzern angesichts hoher Gaspreise und zunehmender Lieferbeschränkungen jetzt mehr Finanzhilfen. Zur weiteren Stabilisierung habe das Unternehmen eine Erhöhung der KfW-Kreditfazilität um vier Milliarden Euro beantragt, teilte Uniper am Montag in Düsseldorf mit. Mit am Montag erhaltenen zwei Milliarden Euro sei der bestehende Kreditrahmen von bislang neun Milliarden Euro der staatlichen KfW-Bank nun vollständig ausgeschöpft, hieß es weiter. Doch Geldspritzen allein könnten nicht reichen, fürchten manche – und machen sich für einen sehr viel weitreichenderen Schritt stark: Uniper-Betriebsräte und Gewerkschaften fordern Mehrheitsübernahme von Uniper durch den Bund.

„Leider haben sich die Rahmenbedingen seit der Unterzeichnung des Rettungspaketes am 22. Juli 2022 weiter verschlechtert, was sich in dem sehr viel höheren als erwarteten Gaspreis und dem noch weiter reduzierten Gasliefervolumen durch Gazprom ausdrückt“, heißt es in einem Brief an Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne), den unter anderem Harald Seegatz, der Vorsitzende des Uniper-Konzerbetriebsrats, Verdi-Chef Frank Werneke sowie IGBCE-Chef Michael Vassiliadis unterzeichnet haben. „Sollten daher weitere Mittel zur Stabilisierung der Situation über das beschlossene Rettungspaket hinaus erforderlich sein und Fortum nicht willens sein, einen Beitrag beizusteuern, möchten wir die Bundesregierung sehr eindringlich darum bitten, ihren Einfluss auf Uniper auszuweiten und eine Mehrheitsbeteiligung anzustreben.“ Das Schreiben datiert auf den vergangenen Freitag und ist auch an Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) sowie Finanzminister (Christian Lindner) verschickt worden. Der Brief liegt der „WirtschaftsWoche“ vor.

Die Bundesregierung hatte am 22. Juli verkündet, mit einem Anteil von 30 Prozent bei dem angeschlagenen Düsseldorfer Konzern Uniper einsteigen zu wollen, den Konzern mit Krediten der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von zunächst insgesamt neun Milliarden Euro zu stützen. Der finnische Konzern Fortum, der vom finnischen Staat kontrolliert wird, hält die Mehrheit der Uniper-Anteile, derzeit knapp 80 Prozent. Mit dem Einstieg des Bundes über eine Kapitalerhöhung dürfte der Fortum-Anteil auf etwa 56 Prozent schrumpfen.

Dazu hat die Bundesregierung die so genannte Gasumlage beschlossen, die ab dem 1. Oktober in erster Linie Uniper helfen soll, höhere Beschaffungskosten abzufedern. Für das erste Halbjahr 2022 hatte Uniper vor allem wegen der hohen Gas-Beschaffungskosten einen Nettoverlust von rund 12 Milliarden Euro gemeldet. Uniper erhält den größten Teil, weit mehr als die Hälfte, des bisher umgelegten Umlagevolumens in Höhe von 34 Milliarden Euro.

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Aber offen ist, in welchem Maß die steigenden Gaspreise Unipers Notlage noch weiter verschärfen. Die Gaspreise an den Spotmärkten waren in der vergangenen Woche deutlich gestiegen, am niederländischen Handelspunkt TTF musste für eine Megawattstunde Gas, lieferbar im September, über 340 Euro gezahlt werden. In dieser Woche, vom 31. August bis zum 1. September, wird der russische Konzern Gazprom seine Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 für drei Tage komplett aussetzen und nannte zur Begründung dieses Lieferstopps eine notwendige Wartung. Dieser Lieferstopp könnte den Druck auf die Preise noch weiter erhöhen. Das Rettungspaket der Bundesregierung sieht vor, dass die Bundesregierung Uniper noch weitere Kredite gewähren kann, wenn die bisherige Obergrenze von sieben Milliarden Euro vor Anfang Oktober überschritten sein sollte.

Die Gewerkschafter sehen eine Mehrheitsbeteiligung des Bundes vor allem als Weg an, um eine Zerschlagung Unipers zu verhindern. „Wir möchten uns für Ihren Einsatz bedanken, die von Fortum geforderte Zerschlagung der Uniper SE abzuwenden“, heißt es in dem Brief der Gewerkschafter. „Wie Sie wissen haben sich die Beschäftigten vom ersten Tag gegen die Übernahme von Fortum gewehrt, weil wir von Anfang an zu der Überzeugung gelangt sind, dass die Interessen von Fortum und Uniper divergieren und nicht im Interesse der Beschäftigten sind.“

Die Interessen von Fortum seien auch „nicht deckungsgleich“ mit denen der Bundesregierung. „Sicherlich wäre es schwer nachvollziehbar, wenn bei weiteren einseitigen Liquiditätszuschüssen durch den Bund eine Mehrheitsoption von Fortum erhalten bliebe, die klar gegen die Interessen der Beschäftigten verstößt.“ Deutschland brauche Uniper zur „Sicherung der Gasversorgung“, und „Uniper SE braucht den Bund als verlässlichen Partner in einer Mehrheitsposition“, hieß es in dem Brief.

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Während der Verhandlungen für das Rettungspaket hatte Fortum darauf gedrungen, das Gashandelsgeschäft als eine Art Bad Bank auszulagern, um es dann vollständig von der Bundesregierung übernehmen zu lassen. Das hatte eine Zerschlagung des Unternehmens zur Folge gehabt. Die Bundesregierung hat diese Variante abgelehnt.

Der Einstieg des Bundes bei Uniper soll von einer außerordentlichen Hauptversammlung in der zweiten Oktoberhälfte genehmigt werden.

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