LNG-Terminal in Stade Alle Terminals werden gebraucht, aber Stade will „als Erstes übers Ziel“

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Zwölf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr

Schubert deutet das Elbufer hoch. Zu sehen ist eine Hafenanlage, der Südhafen. Dort gibt es bislang drei Liegeplätze für Schiffe, fünf sollen es demnächst werden. Für Lieferungen für Dow Chemical, aber eines auch für ein LNG-Schiff. Dieser Teil des Hafens soll umgebaut werden. Weiter elbaufwärts soll die neue Hafenanlage entstehen, auf dem Firmengelände von Dow Chemical, auf insgesamt 25 Hektar Fläche, mit einem Liegeplatz für ein Schiff der Größe Panamax – bis zu 300 Meter lang, mit einem Fassungsvermögen von bis zu 170.000 Kubikmetern. Bislang mutet das Ufer an wie ein kleiner Sandstrand für einen Badeausflug am Wochenende. Baden darf hier freilich auch jetzt niemand, aber demnächst wird der Strand der Anlage weichen.

„Jetzt sind sie begeistert“

110 solcher Schiffe sollen dann hier jedes Jahr anlanden können, die „Nominalkapazität“ soll bei 13,3 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr liegen, sagt Schubert, zwölf Milliarden Kubikmeter werden überall offiziell genannt. Zur Einordnung: Derzeit werden in Deutschland um die 90 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr verbraucht. Zu der Anlage sollen dann auch zwei Tanks gehören, jeder mit einem Fassungsvermögen von 240.000 Kubikmetern. Der nächste Zugang zum Gas-Hochdruckverbundnetz ist etwa 10 Kilometer Luftlinie entfernt. Dorthin muss noch eine Pipeline gebaut werden, damit das „regasifizierte Flüssiggas“ zu den Kunden transportiert werden kann. Läuft alles gut, wird das Projekt binnen eines Jahres genehmigt. Der Bau der Hafenanlage dauert in etwa zwei Jahre, der Bau des Terminals zwei bis zu drei Jahre.

LNG-Pionier: Manfred Schubert, Mitgesellschafter bei der Hanseatic Energy Hub GmbH. Vor sechs Jahren begann er mit der Suche nach einem geeigneten Standort – und wurde in Stade fündig. (Foto: Florian Güßgen) Quelle: WirtschaftsWoche Online

Schubert drückt sich vorsichtig aus, wenn es darum geht, den Hype zu beschreiben, der in den vergangenen Monaten, genauer: seit Kriegsausbruch in der Ukraine, um die deutschen LNG-Terminals entstanden ist, wie sehr auch das HEH-Projekt in Stade davon profitiert, an Zug gewonnen hat. Aber er sagt: „Es war am Anfang nicht einfach, die Leute zu begeistern. Jetzt sind sie begeistert.“

LNG-Terminals? Brauchen wir hier nicht!

Wenn auch nicht alle: Am Morgen verschickt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Statement, in dem sie das Terminal in Stade als „große Bürde für die Klimaziele“ geißelt.  „Selbst im bestmöglichen Szenario“, lässt sich DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner zitieren, „werden Genehmigung und Bau des Terminals in Stade Jahre in Anspruch nehmen. Für die Lösung der heutigen Energiekrise und den kurzfristigen Ersatz von russischem Gas leistet die Anlage keinen Beitrag.“ Die Umwelthilfe sperrt sich schon seit Jahren gegen das Terminal in Stade, auch mit einem Rechtsgutachten. Am Dienstag berief sich Müller-Kraenner auf eine Ende März veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Dort heißt es, in Deutschland könne die Versorgung mit Gas „ohne den Bau von eigenen LNG Terminals im Land gesichert“ werden. Terminals? Brauchen wir hier nicht.

HEH-Chef Killinger und auch die niedersächsischen Minister wollen an diesem Tag von Bremserei nichts hören. Ihnen geht es um Beschleunigung, den „Tesla“-Effekt. Wenn es irgend geht, soll mit dem Bauen begonnen werden, bevor auch das letzte Komma in den Anträgen genehmigt ist. So wie bei Elon Musks „Gigafactory“ in Grünheide in Brandenburg. Das ist es, was der Energie- und Bauminister Olaf Lies meint, wenn er von „Deutschlandgeschwindigkeit“ spricht – Behörden, die so unbürokratisch vorgehen, wie es die Brandenburger bei Tesla getan haben. Althusmann, jedenfalls, der Wirtschaftsminister, stellt schon mal finanzielle Hilfen in Aussicht – für Wilhelmshaven und für Stade. In den nächsten etwa fünf Jahren wolle man rund 200 Millionen Euro zuschießen, um Planungs-, aber auch Baggerarbeiten abzusichern.

Ohne Federung geht es nicht

Johann Killinger, der HEH-Chef, skizziert die nächsten Schritte für Stade konkret. Der Energieversorger EnBW hat schon verkündet, dass er einen Großteil des in Stade regasifizierten Flüssiggases abnehmen wolle, mindestens drei Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas pro Jahr. Nun hat HEH ein Interessenbekundungsverfahren weiterer möglicher Kunden abgeschlossen. Daraus sollen nun zügig verbindliche Verträge entstehen.

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Auch die Bundesnetzagentur in Bonn müsse nun in den regulatorischen Prozess eingebunden werden – und schließlich müsse sich die HEH auch darum kümmern, den konkreten Bau vorzubereiten. Kaufen würden Kunden hier aber nur, sagt Killinger, wenn die Politik die genauen Bedingungen für den Wettbewerb festlege und auch Transformationsrisiken abfedere. Wie dieses „Abfedern“ genau aussehen soll, verrät er nicht. Aber klar ist: Auch hier wird, früher oder später erwartet, dass der Staat hilft, das unternehmerische Risiko einzuhegen. Schließlich geht es, so bedeutungsschwanger ist die Situation derzeit, immer um eine nationale Mission. Auch und gerade bei den LNG-Terminals.

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