Photovoltaik Solar-Plattform Otovo: „Die Nachfrage nach Solaranlagen hat sich vervielfacht“

Mehr als 25.000 Photovoltaik-Anlagen hat Otovo in seinen sieben Jahren seit der Gründung montieren lassen. Quelle: Otovo

Das norwegische Start-up schaltet Hausbesitzer mit lokalen Installateuren zusammen – und freut sich über sinkende Anlagenpreise. Doch das Ringen um den solarhungrigen Kunden ist hart.

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Auch in den dunkelsten Tagen des Jahres, kurz vor der Wintersonnenwende, sieht Andreas Thorsheim das Licht: „Wir sind bereit, zurückzukommen“, sagt der Gründer der norwegischen Solaranlagen-Plattform Otovo. In 13 europäischen Ländern ist das schnell wachsende Start-up aktiv, überall bringt es Eigenheimbesitzer mit lokalen Installateuren zusammen, die die Anlagen dann auf den Dächern montieren. Mehr als 25.000 Photovoltaik-Anlagen habe allein Otovo in den sieben Jahren seit seiner Gründung montieren lassen, meldet das Start-up.

Doch in der Branche strahlen längst nicht mehr alle wie an einem wolkenlosen Sonnentag: Die Sehnsucht vieler Verbraucher, unabhängiger von steigenden Strompreisen zu werden, sorgte zwar in den vergangenen zwei Jahren für einen beispiellosen Boom – in den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 wurden in Deutschland fast 600.000 neue Photovoltaik-Anlagen ans Netz angeschlossen, mehr als im gesamten Jahr 2022. Aber sinkende Haushaltsbudgets, sinkende Energiepreise, lange Lieferzeiten und knappe Installationskapazitäten bremsten einige der Anbieter in den vergangenen Monaten aus. Die Berliner Plattform Eigensonne, die nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet, meldete Mitte Dezember Insolvenz an. Und die Aktie von Otovo, seit zweieinhalb Jahren an der Börse in Oslo notiert, stürzte im Laufe dieses Jahres um mehr als 80 Prozent ab.

Solaranlagen: Sinkende Preise sind gut fürs Geschäft

Doch Thorsheim ist überzeugt, dass das Geschäft weiter an Fahrt aufnimmt – im dritten Quartal ließ Otovo europaweit ein Drittel mehr Solaranlagen installieren als im Vorjahr. In diesem November führte das Start-up eine Kapitalerhöhung durch und erhielt 40 Millionen Euro von bestehenden Investoren, darunter der schwedische Industriekonzern Axel Johnson Group, der norwegische Energieversorger Å Energi sowie der staatliche norwegische Klimafonds Nysnø.

Andreas Thorsheim, Gründer der norwegischen Solaranlagen-Plattform Otovo. Quelle: Otovo

Thorsheim wichtigstes Argument, um seinen Optimismus zu stützen: Eine Grafik, die er auch im Gespräch mit der WirtschaftsWoche gerne auf seinem Bildschirm zeigt. Im Vergleich zum Dezember 2022 seien die Installationspreise für haushaltsübliche PV-Anlagen um mehr als 40 Prozent gesunken. Günstigere Preise und zunehmend bessere Förderbedingungen in einigen Ländern könnten mehr und mehr Verbraucher dazu bringen, das Projekt Solarstrom tatsächlich anzugehen. Der Fachkräftemangel beunruhigt den Norweger, der im Online-Marketing seine Karriere startete, ebenfalls nicht mehr. Schnell hätten Dachdecker und andere Handwerker die lukrative Nische besetzt oder umgeschult: „Die Nachfrage nach Solaranlagen hat sich vervielfacht, aber eine Knappheit an Installateuren haben wir eigentlich nur ein Quartal gesehen – die Flexibilität in der Solar-Wertschöpfungskette ist wahnsinnig hoch.“

Gut fürs Geschäft. Besonders für das Geschäftsmodell von Otovo. Die Plattform arbeitet wie der Fahrtenvermittler Uber: Angeschlossene Handwerksbetriebe bieten auf die Projektanfragen. Je größer die freien Kapazitäten, desto härter konkurrieren die Betriebe über den Preis – und desto größer kann die Spanne sein, die Otovo als Generalabwickler einbehalten kann. Über 700 Unternehmen gehörten bereits zum Netzwerk, berichtet Thorsheim, „von Nord-Norwegen bis zum Süden von Spanien“. Auch in Deutschland sei das Netz bereits flächendeckend geknüpft. Darunter seien kleinere lokale Handwerksbetriebe, einige größere Dienstleister, die Otovo in nachfrageschwächeren Zeiten nutzten, sowie Anbieter, die komplett auf eigenen Vertrieb verzichteten – und nur noch die Aufträge der Plattform abarbeiteten. „Wenn wir besser als die Betriebe darin sind, Kunden zu gewinnen, ist es eine gute Aufgabenteilung“, sagt Thorsheim.

Harte Konkurrenz auf dem PV-Markt

Die Konkurrenz um den Eigenheimbesitzer mit freier Dachfläche ist in jedem Fall groß. Denn der grundsätzliche Ablauf ist bei allen Anbietern gleich: Ziel ist es, möglichst große Teile der Angebotserstellung digital abzuwickeln. Über Satellitenbilder und Fotos sollen die Anlagen maßgenau geplant werden können, ohne dass ein Mitarbeiter rausfahren muss. Enpal etwa, 2017 in Deutschland gegründet, verbaute nach eigenen Angaben allein 2022 auf diesem Weg etwa 18.000 Anlagen. 1Komma5-Grad, das Installationsbetriebe übernimmt, verkündete in diesen Tagen einen Sprung auf über 1000 eigene Beschäftigte in Deutschland. Und Zolar spricht von über 700 Partnerbetrieben in Deutschland und hat unter anderem in diesem Sommer eine Partnerschaft mit der Baumarktkette Obi verkündet.

Otovo hat sich früh europaweit vorgetastet. Mit seinen Auftritten in mittlerweile 13 Ländern sieht sich Otovo aktuell gut aufgestellt. Jetzt gehe es darum, die Anteile in den jeweiligen Märkten zu vergrößern, so Thorsheim. In Deutschland ist dafür in diesem November Artur Schreiber als lokaler Geschäftsführer an Bord gekommen. Er hat in früheren Jahren unter anderem die Geschäfte von Lieferdiensten wie Delivery Hero oder Foodpanda mit aufgebaut. In Deutschland will Schreiber nun Kunden über digitale Kanäle ebenso erreichen wie über strategische Partnerschaften: „Immer mehr Menschen setzen sich mit dem Thema Solar auseinander, aber es gibt ganz unterschiedliche Kontaktpunkte – ob PV-Anlage, Elektroauto oder Wärmepumpe“. Ebenso wie andere Anbieter setzt Otovo darauf, den Kunden künftig möglichst viele Module rund um die erneuerbaren Energie schmackhaft zu machen.

Mietmodell ist gut für die Bilanz

Gerade einmal jeder zweite Kunde in Deutschland kaufe dabei die Anlage direkt und komplett, berichtet Thorsheim. Die andere Hälfte mietet PV-Anlage, Batteriespeicher und Co. und überweist monatliche Beträge an das Start-up – und muss sich für die ersten 20 Jahre nicht um Wartung und Ersatzteile kümmern. Einige der in den letzten Jahren gestarteten Anbieter haben ein solches Finanzierungsmodell.

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Verbraucherschützer raten angesichts höherer Kosten und geringerer Flexibilität zur Vorsicht. Doch Thorsheim argumentiert für geringere Einstiegshürden, wenn die Verantwortung nicht mit dem Kauf auf die Kunden übergeht. „Die meisten Verbraucher beschäftigen sich zum ersten Mal mit einer solchen Anlage“, sagt Thorsheim. „aber ist dieser Schritt für viele noch mit zahlreichen Fragezeichen versehen.“ Für Otovo sorgt dieses Modell zudem für Lichtblicke in der Bilanz: Im Oktober verkaufte das Start-up seine Erträge der Jahre 2020 bis 2024 aus den bisher installierten norwegischen und schwedischen Mietanlagen an einen Vermögensverwalter.

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