Solarwatt Aus dem zweiten Tod der Solarindustrie sollten wir endlich etwas lernen

Solarwatt-Werk in Dresden. Ab Sommer will das Unternehmen die Produktion von Modulen in Deutschland vorerst stoppen Quelle: imago images

Auch Solarwatt stoppt seine Modulproduktion in Deutschland. Die Industrie stirbt, weil die Politik China nichts entgegenhält. Berlin und Brüssel dürfen das nicht zum Muster werden lassen. Ein Kommentar.

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Jetzt hat also auch Solarwatt aus Dresden angekündigt, seine Produktion von Solarmodulen in Deutschland zu stoppen. Vorerst, heißt es zwar, denn man weiß ja nie. Und natürlich lässt das Unternehmen im Ausland weiter fertigen und wirbt mit anderen Services. Aber klar ist: Erst einmal ist in Deutschland Schluss mit diesem Teil der Solarindustrie, bei Solarwatt ebenso wie bei dem Schweizer Unternehmen Meyer Burger, das seine Modulproduktion in Freiberg in Sachsen eingestellt hat.

Der Hauptgrund: chinesische Module, massiv subventioniert, sind so erdrückend günstig, dass in Deutschland niemand mit diesen Preisen mithalten kann. Und retten will die Industrie auch keiner – zumindest nicht diejenigen, die es könnten. Die Bundesregierung hat der Solarindustrie den so genannten „Resilienzbonus“ verwehrt. Die FDP feiert sich dafür, der Kanzler hat es geschehen lassen. Im Ergebnis stirbt die deutsche Solarindustrie ein zweites Mal, nachdem sie im in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon einmal zu Grunde gegangen war – an denselben Schauplätzen vor allem in Ostdeutschland.

Die EU wirft dem Toten eine Reanimationsmaschine hinterher

Es ist ein Tod, es sind Produktionsstopps und Arbeitsplatzverluste, mit Ansage. Jeder der betroffenen Unternehmer hatte prophezeit, dass es so kommen werde, es gab eine erbitterte Lobbyschlacht. Dieser Zweig der Industrie ist also bewusst geopfert worden. Weil:  strategisch nicht zentral, anders als etwa Chips oder Batterien. Den Rückstand auf die Chinesen, zu dem die erste deutsche Selbstvernichtungswelle geführt habe, könne ohnehin niemand mehr aufholen.

Die Entscheidung ist gefallen. Die EU versucht zwar noch, über den „Net Zero Industrie Industry Act“ und eine „Solar Charta“ ein Resilienzsegment zu schaffen und chinesisches Dumping – also den Regelverstoß – im Einzelfall nachzuweisen. Aber das ist mit Blick auf die deutschen Solarunternehmen so, als ob man dem Verstorbenen statt etwas Erde eine Reanimationsmaschine ins offene Grab hinterherwirft – tendenziell zu spät.

Ein Menetekel für weitere Schlüsselbranchen

Der zweite Tod der Solarindustrie sollte zumindest bewirken, dass die Politik im Hinblick auf andere Industrien, auf andere Wertschöpfungsketten, etwas lernt. Das Ende der Zell- und Modulproduktion ist nicht weniger als ein Menetekel für weitere Schlüsselbranchen in Deutschland und Europa. China erobert andere Branchen nach demselben, simplen Muster, würgt die heimische Industrie mit günstigen, gerne subventionierten Preisen, und wettet darauf, dass Deutschland und Europa verhakt in ordnungspolitische Grundsatzdiskussionen in die Abhängigkeit gleiten.

Erstes Beispiel: Windkraft, vor allem Offshore. Hier heißt es bei einigen Brancheninsidern bereits: Wehe. Lasst uns bloß nicht dasselbe Schicksal erleiden wie die Solarindustrie. Die Lieferkette ist geschwächt, auch hier dringen chinesische Produkte – Turbinen – auf den europäischen Markt. Wir müssen hier gegenhalten.

China baut nicht nur die größten Windparks der Welt – sondern auch mit Abstand die billigsten, wie ein neuer Rekord zeigt. Dominiert das Land nach der Solarindustrie nun auch den Weltmarkt für Windstrom?
von Andreas Menn

Zweites Beispiel: Rohstoffe, „critical raw materials“. Auch hier heißt es bei vielen: Obacht. Denkt an die Solarindustrie! Bei für die Energiewende zentralen Rohstoffen ist die Abhängigkeit von China groß. 97 Prozent aller Magnesium-Importe der EU stammen aus China, 71 Prozent der Gallium-Importe, 83 Prozent der globalen Gallium-Produktion finden in China statt. Und die Preise für einige Rohstoffe sind zwischenzeitlich so gefallen, dass es sich trotz aller Bemühungen aus Brüssel nur schwer lohnt, in eigene Minen und Raffinerien zu investieren. Und wenn es hart auf hart kommt, liefert China eben Rohstoffe so günstig wie Russland einst das Gas, gerne auch kräftig subventioniert – und investiert in Macht. Zugegeben, Brüssel und Berlin sehen das, tun einiges, um die Rohstoffproblematik anzugehen. Aber klar ist auch hier: Es wird Geld kosten, viel Geld, die Lieferkette abzusichern, die viel zitierte Resilienz zur erhöhen – und die Voraussetzungen für die grüne Transformation zu schaffen. Der Preis der grünen Unabhängigkeit, der grünen Resilienz, ist hoch, selbst wenn man diese Subvention politisch griffig als „De-Risking“ absetzen kann.

Die reine Lehre gewinnt keine Konflikte

Aber das Geld ist gut investiert. Der regelbasierte, globale Handel, institutionalisiert in der Welthandelsorganisation WTO, ist am Ende, wenn so wichtige Player wie China sich de facto nicht einmal vordergründig um die Regeln scheren. Die geopolitische Fragmentierung fragmentiert den Handel. Das ist nicht gut. Das ist nicht schön. Denn die Idee der Globalisierung ist groß, hell und effizient. Aber ein Land wie Deutschland, ein Wirtschaftsblock wie die EU muss auf die Entwicklung mit mehr als warmen Worten reagieren, mit Investitionen, mit dem Aufbau und Schutz der eigenen Lieferketten, auch mit Zöllen, selbst wenn das ineffizient sein mag.

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Von Solarwatt, dem Dresdner Modulhersteller, zum Abgesang auf die WTO? Echt jetzt, mögen Sie sagen. Geht’s noch? Geht’s nicht eine Nummer kleiner? Die Antwort lautet: Kaum. Denn das zweite Ende der Solarindustrie in Deutschland ist ein Ausdruck für einen schwelenden geo- und handelspolitischen Konflikt. Und Deutschland und Europa sollten in dieser Auseinandersetzung nicht zu lange und zu blauäugig Opfer bringen – und sich selbst nicht allzu dauerhaft schwächen. Die reine Lehre gewinnt keine Konflikte.

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