Standort Deutschland Wirtschaftsweise warnt vor langfristig hohen Stromkosten

Quelle: imago images

Wind und Sonne schicken keine Rechnung? Vorsicht, sagt Ökonomin Veronika Grimm. Sie widerlegt das Argument von Erneuerbaren-Befürwortern, dass Ökostrom besonders günstig sei. Die Kosten für die Industrie bleiben wohl hoch.

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In Deutschland sind die Stromkosten nicht erst mit dem Ukraine-Krieg gestiegen. Und im Vergleich zu anderen Industrieländern fallen sie auch weiterhin eher hoch aus. Keine Sorge, entgegnen Befürworter der Energiewende dann gerne: Dank des Umbaus der Energieversorgung hin zu Wind und Sonne werden die Preise mittelfristig deutlich sinken. Denn „Sonne und Wind stellen keine Rechnung“. Das Argument dahinter: laufende Windräder und arbeitende Solarfelder verursachen kaum Kosten, sind sie erst installiert und abbezahlt.

Doch eine aktuelle Studie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm mit zwei Ökonomen der Uni Erlangen-Nürnberg, Leon Oechsle und Gregor Zöttl, weist nun nach, dass Strom auch künftig mehr kosten wird als nur diese so genannten Gestehungskosten. Die Hoffnung von der billigen grünen Energie dürfte kaum in Erfüllung gehen.

Weil Nachfrage und Angebot aus den Anlagen, die mit Wind und Sonne betrieben werden, nicht deckungsgleich seien, müssten Versorgungslücken geschlossen werden. Sei es durch flexibel anfahrende Gaskraftwerke und Batteriespeicher heute oder durch Wasserstoffkraftwerke in der Zeit um 2040, wenn Deutschland zunehmend klimaneutral wirtschaften will. Rechnet man diese Back-up-Infrastrukturen samt Kosten dazu, deute nichts darauf hin, „dass die Stromkosten im kommenden Jahrzehnt deutlich sinken werden“, heißt es in dem Papier.

Damit wird auch ein Argument für einen zeitweise mit Subventionen verbilligten Strompreis entkräftet. Mit dem „Industriestrompreis“ oder „Transformationsstrompreis“ wollten Teile der SPD und die Grünen den Preis je Kilowattstunde Strom für die energieintensive Industrie für einige Jahre auf fünf oder sechs Cent drücken. Damit sollte eine Brücke gebaut werden, bis der Strompreis für Großkunden ohne staatliche Unterstützung dieses Niveau erreicht, das in mehreren anderen Ländern für die Industrie bereits gilt.

Doch nach der Studie von Energie-Expertin Grimm und ihren Kollegen wird dieser Preis lediglich erreicht, wenn Industrieanlagen nur genau dann produzieren, so lang die jeweils genutzten Erneuerbaren-Anlagen genug Wind haben und ausreichend Sonne eingefangen wird. Das sei aber nicht realistisch. „Die Stromkosten dürften also nicht – wie erhofft – mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich sinken“, lautet der zentrale Satz. Und dabei rechnen die Fachleute noch nicht einmal mit ein, was an Netzgebühren, für allgemeine Backup-Einrichtungen und Margen im Stromhandel berechnet werden dürfte.

Stromkosten bleiben hoch

Fürs Jahr 2021 lag der Preis für Windstrom im Schnitt bei 5,49 Cent je Kilowattstunde, wenn nur Bau und Betrieb der Anlagen eingerechnet wurden. Für Solaranlagen lag er bei 4,07 Cent. Doch damit Industrieanlagen gleichmäßig laufen könnten, kämen eben weitere Kosten hinzu. Batteriespeicher in ausreichenden Umfang seien noch teuer, so dass der Strompreis dann bereits auf 32,76 Cent steige. Daneben gibt es noch andere Szenarien, die aber alle deutlich höher ausfallen als der Preis von fünf bis sechs Cent je Kilowattstunde.

Auch fürs Jahr 2040 halten die Wissenschaftlerin und die Wissenschaftler optimistische Annahmen für fehl am Platz. Dann seien zwar Batteriespeicher deutlich billiger, Gaskraftwerke wären aber als Backup wohl bereits verdrängt, weil der steigende CO2-Preis die Erzeugung zu sehr verteure. Also rechnen sie mit Speichern und Wasserstoffkraftwerken für die entstehenden Versorgungslücken. Windkraft koste dann wohl nur noch 4,69 Cent je Kilowattstunde, Solarstrom sogar nur noch 2,59 Cent im Schnitt, schreiben sie zu den Kosten für Bau und Betrieb der Anlagen. Doch der Ausgleich durch vorgehaltene Energie bei höherer Nachfrage treibe den Preis in einem mittleren Szenario auf 21,70 Cent je Kilowattstunde.    

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„Die Berechnungen spiegeln wider, dass die Stromkosten, auch in Zukunft nicht so deutlich absinken werden“, wie es der Blick auf die einzelnen Anlagen suggeriere. Daran ändere sich auch nichts, wenn etwa politisch entschieden werde, die Backup-Kraftwerke staatlich zu fördern oder Netzgebühren zu erlassen. Auch diese Kosten müssten von allen Verbrauchern über Steuern oder Umlagen bezahlt werden.

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