Streit in der Solarbranche „Subventionen sind Old Solar“

Made in Europe? Heimische Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen fordern einen „Resilienzbonus“. Quelle: dpa

In der Solarindustrie tobt eine Lobbyschlacht um staatliche Hilfen. Hier erklärt Philipp Schröder, Chef des Hamburger Einhorns 1Komma5°, warum er einen „Resilienzbonus“ ablehnt.

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Die heiße Phase des politischen Ringens um mögliche Subventionen der Ampel für europäische Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen hat begonnen. In der kommenden Sitzungswoche des Bundestags ab dem 19. Februar könnte mit dem Solarpaket I eine Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetzes beschlossen werden. Darin enthalten könnte ein „Resilienzbonus“ sein, zumindest wenn es nach dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und Herstellern wie Meyer Burger, Solarwatt oder Heckert Solar geht.

Dieser Bonus würde die Einspeisevergütung für jene Erzeuger von Solarstrom erhöhen, die auf europäische Produkte setzen. Mit anderen Worten: Kaufe ich made in Europe, erhalte ich höhere Erträge. Die genaue Höhe dieses Bonus wäre abhängig davon, bei welchen Wertschöpfungsstufen rein europäische Produkte verwendet würden. Der Bonus wird als Abwehrmaßnahme gegenüber chinesischen Solarmodulen gesehen. Der Preis für diese Module ist im vergangenen Jahr so sehr gefallen, dass manche hiesigen Hersteller bezweifeln, dass sich eine Produktion in Deutschland noch lohnt. Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger will in der zweiten Februarhälfte entscheiden, ob es ein Modulwerk in Freiberg in Sachsen schließt.

Gegen diesen Bonus wehrt sich eine Gruppe von Unternehmen um Enpal und 1Komma5°, die vor allem mit dem Verkauf oder der Vermietung von Komplettsystemen und deren Installation Geld verdienen. Das in Berlin ansässige Enpal hat am Montag eine Presseerklärung veröffentlicht, in der das Unternehmen vor einem „erneuten Chaos im Markt zulasten der Verbraucher und des Handwerks“ warnt – und seinerseits droht, „Investitionen in den Zubau an erneuerbaren Energien in Deutschland drastisch zu reduzieren.“ Konkrete Zahlen werden allerdings nicht genannt. Das Hamburger Start-up 1Komma5 Grad gehört seit dem vergangenen Jahr zu den Einhörnern der Branche. Das bedeutet, seine Bewertung liegt bei mehr als 1 Milliarde Euro. 1Komma5° bietet Komplettlösungen für den grünen Energiehaushalt an, von der Fotovoltaikanlage über die Ladeinfrastruktur für E-Autos bis hin zur Wärmepumpe und zum Stromvertrag.

WirtschaftsWoche: In Berlin könnte demnächst über den so genannten „Resilienzbonus“ für europäische Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen entschieden werden. Stimmt es denn, dass Sie nur gegen diesen Bonus sind, weil Installateure wie Sie mit Produkten „made in China“ so fantastische Margen erzielen?
Philipp Schröder: Das ist eine von vielen Geschichten, die von einer Gruppe von Lobbyisten um einige wenige Hersteller erzählt wird. Aber sie stimmt nicht. Wir integrieren nicht nur Solaranlagen, sondern auch Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur, Batterien und Speicher in ein System. Und die Komponenten stammen aus unterschiedlichen Regionen, größtenteils von Herstellern aus der westlichen Hemisphäre. Wir finden es im Kern richtig, dass wir bei kritischer Infrastruktur weniger abhängig werden von chinesischen Produkten. Bei Solarmodulen ist das noch schwierig, weil es eben Teile der Wertschöpfung gar nicht in Deutschland gibt, sondern nur in China. Und diese Abhängigkeit gilt für alle europäischen Hersteller. Wir sind auch Hersteller eines eigenen Moduls und setzen auf Polysilizium aus Deutschland. Aber selbst das würde nach dem vorliegenden Vorschlag für einen Resilienzbonus nur wenig Vergütung bekommen.

Zur Person

Die Idee ist, die Einspeisevergütung für jene Kunden zu erhöhen, die heimische Solarmodule verwenden. Je mehr Komponenten aus der Wertschöpfungskette aus heimischer Produktion stammen, desto höher der Bonus.
Genau.

Wenn Sie sagen, Sie sind selbst Modulhersteller: Wie viel Kapazität haben Sie? Zur Orientierung: Meyer Burger hat etwa 1,4 Gigawatt Produktionskapazität in Deutschland.
Wir haben erst im vergangenen Jahr mit der Produktion von Solarmodulen mit Polysilizium aus Deutschland begonnen. Unsere Kapazität lag bei etwa 250 Megawatt, Tendenz steigend.

Aber Sie produzieren nicht in Deutschland, oder? Wo dann?
Wir wollen die Produktion zeitnah in Deutschland ansiedeln, fertigen aktuell noch mit Partnern in China. Ein Resilienzbonus würde dazu führen, dass wir von zwei Seiten in die Zange genommen werden: Von der chinesischen Konkurrenz und von einzelnen deutschen Herstellern, die Vorteile durch größere Boni hätten. Das würde neue Modul-Produzenten und uns zerreiben. So eine Subvention schreckt neue Spieler davon ab, in den Markt zu kommen – und die bräuchten wir dringend.

Sie haben sich in erster Linie als Installateur von Energiesystemen profiliert. Welchen Anteil hat die Produktion von Modulen überhaupt an Ihrem Umsatz?
Etwa 20 Prozent.

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Meyer Burger und andere fordern Boni, weil sie sagen, dass sich sonst die Produktion in Deutschland nicht rechnet.
Strafzölle lehnen alle Beteiligten ab, das ist sinnvoll. Das eigentliche Mittel der Wahl der Politik wären Hilfen in Form von direkten Investitions-Zuschüssen, wie auch bei Chipfabriken, um mit dieser Unterstützung irgendwann wettbewerbsfähig zu werden. Diese Möglichkeiten scheint die Bundesregierung nicht anbieten zu können. Deswegen versucht man es mit einer Krücke in Form einer erweiterten Einspeisevergütung. Aber es ist nicht sinnvoll, beim Endkunden und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz anzusetzen. Die Politik fördert ja auch nicht einzelne Smartphones, weil sie bestimmte Chips enthalten, sondern sie fördert die Halbleiterproduktion direkt. Wir kritisieren daher die Form des Eingriffs. Das ergibt für uns keinen Sinn. Das Instrument, das hier entwickelt worden ist, verhindert Innovation, führt zu geringeren Investitionen in die Wertschöpfung, weniger Wettbewerb und baut am Ende eine Monopolstellung auf. Und das bringt die deutsche Solarindustrie langfristig nicht weiter.

Wer könnte hier eine Monopolstellung bekommen?
Eine Handvoll Produzenten, die weniger als fünf Prozent der Arbeitskräfte der gesamten Solarindustrie beschäftigen.

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Die Befürworter der Boni argumentieren, dass in China, aber jetzt auch in den USA über den Inflation Reduction Act, Subventionen den Markt verzerren. Europa hat sich bisher zurückgehalten. Ist es nicht richtig, hier etwas zu tun?
Doch, klar. Wir müssen die europäische Solarindustrie langfristig stärken und das passiert ja auch. In der vergangenen Woche hat sich die Europäische Union auf den Net-Zero Industry Act geeinigt. Demnach sollen für 30 Prozent aller Ausschreibungen, also große Solaranlagen, Resilienzkriterien gelten. Das Volumen in diesem Segment allein ist ein Vielfaches der bisherigen Jahresproduktion von Solarmodulen in Europa. Die Hauptbedenken der EU-Kommission sind schon heute, dass die Hersteller diese Mengen in den nächsten Jahren gar nicht liefern können – aufgrund der vorgelagerten, oft lückenhaften Lieferkette. Und obwohl diese Einigung auf EU-Ebene schon jetzt zu einem riesigen geschützten Gehege für deutsche Produzenten führt, versucht eine Lobby nun, sich einen noch komfortableren Schutzraum zu erkämpfen.

Sie meinen die Gruppe um Meyer Burger, aber auch den Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW), die für die Boni werben.
Das ist Old Solar. Ein kleiner Teil der europäischen Industrie hat immer auf Subventionen gesetzt. So ist ein Ökosystem aus Herstellern und Verbänden entstanden, deren Geschäftsmodell seit Entstehung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf staatlichen Garantien aufbaut. Wir sind grundsätzlich dafür, dass die Einspeisevergütung Schritt für Schritt ganz abgeschafft wird. Unser Anspruch ist es, am Markt gegen fossile Energien zu gewinnen, gegen Öl und Gas. Denn Unternehmen, die ihr Geschäft rein auf Subventionen aufbauen, werden es nicht schaffen, langfristig den Markt auf günstigen und sauberen Strom für Industrie und Privatkunden umzustellen. Diese Gruppierung steht für einen anerzogenen planungswirtschaftlichen Reflex und sehr umtriebige und erfolgreiche Lobbyarbeit. Man vermengt Klimaschutz, Standortsorgen und Patriotismus – und so entsteht am Ende etwas scheinbar Superkluges, was aber tatsächlich nur wenigen hilft.

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Sie lobbyieren doch auch – etwa mit diesem Interview.
Wir haben uns in der öffentlichen Debatte lange zurückgehalten und müssen jetzt auch in Berlin über die Faktenlage informieren. Wir haben geglaubt, wir werden in unserem Verband – dem Bundesverband Solarwirtschaft – gehört. Aber der hat auf einen kleinen Teil seiner Mitglieder gehört und den Resilienzbonus vorgeschlagen. Deshalb treten wir jetzt aus.

Das Resilienzargument halten Sie für Quatsch?
Keineswegs. Über die Pläne der Europäischen Union haben wir schon gesprochen. Aber viele Erzählungen stimmen schlicht nicht, beispielsweise, dass wir uns bei Solarmodulen von China so abhängig machen wie beim Gas von Russland. Das Gas wird knapp, sobald jemand den Hahn zudreht. Wenn mal keine Module aus China geliefert werden sollten, produzieren die bestehenden Module trotzdem weiter Sonnenstrom. Das reißt nicht ab.

Sie haben in einer Erklärung Ende November gesagt: Wir kaufen europäisch, um die Industrie zu unterstützen. Tun Sie das denn?
Von Anfang an setzen wir stark auf Produkte aus Deutschland, Europa oder den USA. Auch zu Modulen verhandeln wir mit europäischen Herstellern, aber nicht mit allen. Und das hat einen einfachen Grund: Wir wollen nicht irgendein teures Modul nehmen, nur um einzelne Firmen zu stützen. Zudem gibt es keinen erkennbaren technologischen Vorteil der europäischen Hersteller, auch wenn das in Deutschland niemand gerne hört. Und wir haben auch eine Verantwortung gegenüber unseren Investoren und müssen marktwirtschaftlich handeln.

Eine Lösung könnte darin bestehen, die EEG-Einspeisevergütung abzuschmelzen – und sie nur für solche Produkte zu belassen, die Komponenten made in Europe nachweisen könnten. So würden weitere Ausgaben zumindest ein Stück weit ausgeglichen.
Das wäre aus unserer Sicht trotzdem nicht sinnvoll. Denn am Ende stünden unterschiedliche Preise. Die Verbraucher wären irritiert und würden in einer Phase, in der wir die Fotovoltaik eigentlich zwingend ausbauen müssen, erst einmal abwarten. Potenzielle Kunden würden doch – nachvollziehbarerweise – fragen: Warum sollte ich mehr zahlen als ich unbedingt muss? Bis sich das alles geklärt hat, warte ich ab.

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Was wäre aus Ihrer Sicht die Folge?
Die Energiewende würde sich verlangsamen. Und die gerade aufgebaute Wertschöpfungskette, die auch Handwerker – vom Elektriker bis zum Dachdecker – umfasst, würde ausgebremst.

Wie blicken Sie denn jetzt auf die anstehenden politischen Verhandlungen? Sie haben sich vor Kurzem auf LinkedIn begeistert von Gesprächen mit dem Hamburger FDP-Abgeordneten Michael Kruse gezeigt, der ist auch energiepolitischer Sprecher. Ist die FDP die einzige Partei in der Regierung, bei der Sie momentan Unterstützung verorten?
Das würde ich nicht sagen. Wir haben bisher einen schlechten Job gemacht zu informieren und das Feld denen überlassen, die nach Hilfe rufen. Das ändern wir jetzt.

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In einem anderen Post schreiben Sie, die Energiewende sei mehr als eine Solarplatte. Was meinen Sie damit?
Die Energiewende bedeutet für uns, dass wir jedes Haus wirtschaftlich – aus Sicht des Anbieters und des Kunden – mit erneuerbarer, elektrischer Wärme, erneuerbarer Elektromobilität und sauberem und günstigem Strom etwa über Fotovoltaikanlagen versorgen. Das bedeutet, dass wir entlang der gesamten Lieferkette dafür sorgen, dass hier keine Flaschenhälse entstehen – etwa, weil einzelne Hersteller von Modulen bevorzugt gefördert werden. Wir betrachten die Versorgung von Kunden ganzheitlich als System, nicht nur aus der Perspektive einer Komponente und schaffen so langfristig die Rahmenbedingungen für günstigen und sauberen Strom für Industrie und Privatkunden.

Und wer vertritt die Gegenseite? Lesen Sie hier, was Gunter Erfurt antreibt, den Chef des Solarzellen- und Modulherstellers Meyer Burger.

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