Uniper Das unwahrscheinlichste Comeback aller Zeiten

Uniper-CEO Michael Lewis Quelle: imago images

Was für eine Kehrtwende: Bei Uniper, Symbol der ruinösen Gas-Connection nach Russland, brummt das Geschäft. Das Unternehmen bereitet sich auf eine Reprivatisierung vor.

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Es ist schon eine bemerkenswerte Wiederkehr. Da war Uniper im „Annus Horribilis“ 2022, wie es der frühere Chef Klaus-Dieter Maubach einmal nannte, so etwas wie das Sinnbild der jahrzehntelangen deutschen Russland-Connection: Plötzlich entflammt, mehr noch: lichterloh brennend, mit dem Risiko, das ganze Land zu entzünden: Was, wenn Deutschland wichtigster Gas-Importeur plötzlich pleite geht? Was, wenn die hunderte Stadtwerke, die von ihm abhängen, nicht mehr liefern können?

Im Frühjahr 2022 protzte Maubach noch, wenn er bei Gazprom, dem russischen Staatskonzern, anrufe, dann gehe Alexej Miller ran, der Gas-Zar von Putins Gnade. Wenig später aber hob Miller nicht mehr ab, und die Bundesregierung musste Uniper übernehmen, um Schaden abzuwenden. Das Unternehmen galt als das Lehman Brothers der Energiebranche, systemkritisch. 99,12 Prozent des Unternehmens gehören seither dem Staat.

Und jetzt? Ist es, als springe Uniper kraftvoll aus der Asche der Russland-Connection. „Die finanzielle Stabilisierung und bilanzielle Gesundung fanden in Rekordzeit statt“, schwärmte der neue CEO Michael Lewis am Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz für das vergangene Geschäftsjahr in Düsseldorf. 10,9 Milliarden Euro minus beim Ergebnis (bereinigtes Ebit) hatte Uniper im vergangenen Jahr melden müssen. An diesem Dienstag verkündete Lewis ein Plus von 6,4 Milliarden Euro (bereinigtes Ebit). Das ist ein Sprung von rund 17 Milliarden Euro. 

Schneller schlau: Uniper

Die besten Finanzergebnisse, die Uniper je erzielt hat

„Die Finanzergebnisse für das zurückliegende Jahr sind die besten, die Uniper je erzielt hat“, sagte die ebenfalls neue Finanzvorständin Jutta Dönges. Zu Russland sagte Lewis bei der Vorstellung der Zahlen nur: „Als Uniper kaufen wir gar kein russisches Gas.“ Natürlich werben die PR-Strategen Unipers längst mit dem Begriff „Comeback“, auch Lewis sprach davon. Aber jenseits allen PR-Geklimpers haben sie Recht: Uniper ist in der Energiebranche das wahrscheinlich unwahrscheinlichste Comeback ever. Wie konnte das passieren?

Vor allem lag es an gesunkenen Beschaffungskosten. Uniper, zur Erinnerung, hat im Prinzip zwei Erlösquellen: Das Unternehmen erzeugt und verkauft Strom, und es handelt mit Strom und Gas, ist bis heute Deutschlands größter Gashändler. Bis 2022 stammte der Großteil des Gases aus Russland. Weil Wladimir Putin 2022 nach und nach die Lieferungen drosselte, Uniper aber Verträge mit hunderten Stadtwerken und Industriebetrieben erfüllen musste, musste das Unternehmen Gas am Spotmarkt teurer einkaufen. Viel teurer, weil die Preise 2022 explodierten, bis auf über 300 Euro für die Megawattstunde. 

Heute dagegen sind die Preise drastisch gefallen, liegen derzeit bei etwa 25 Euro für die Megawattstunde. Für Uniper hat das im vergangenen Jahr das Ergebnis dramatisch verbessert. Die zusätzlichen Beschaffungskosten seien 2023 nicht mehr angefallen, und auch für 2024 würden die nicht mehr erwartet, sagte Finanzvorständin Dönges. 2022 verzeichnete das Segment Globaler Handel noch ein Minus von 11,2 Milliarden Euro (bereinigtes Ebit), 2023 dagegen ein Plus von knapp 4,1 Milliarden Euro. Für Entlastung sorgte auch, dass Uniper Rückstellungen auflösen konnte, die das Unternehmen wegen des Lieferstopps aus Russland gebildet hatte.

von Artur Lebedew, Volker ter Haseborg, Angelika Melcher, Max Biederbeck, Max Haerder, Sonja Álvarez, Andrzej Rybak, Ernst Trummer, Jörn Petring, Silke Wettach, Hendrik Varnholt, Bert Losse, Thomas Stölzel

In Deutschland und vier weiteren europäischen Ländern betreibt Uniper außerdem Kraftwerke, die Strom aus Gas, Kohle, Wasserkraft, Atomkraft und Öl erzeugen. Insgesamt weist das Unternehmen eine Erzeugungskapazität von 23,4 Gigawatt aus. Der Großteil davon ist immer noch fossil. 8,5 Gigawatt Kapazität sind mit Gas betrieben, 6,2 Gigawatt mit Steinkohle, 1,4 Gigawatt mit Kernenergie in Schweden und 3,6 Gigawatt mit Wasserkraft in Deutschland und Schweden. Aber auch das Ergebnis (bereinigtes Ebit) im Segment Europäische Erzeugung lag 2023 mit rund 2,3 Milliarden Euro deutlich über dem Vorjahresergebnis von 0,7 Milliarden Euro. Geschäftstreiber seien auch so genannten Absicherungsgeschäften gewesen, sagte Dönges. Insgesamt habe Uniper, sagte die Finanzchefin Dönges, 13,5 der vom Staat 2022 zur Verfügung gestellten 33,5 Milliarden Euro in Anspruch genommen. Mit einem derart günstigen Verlauf hätte Ende des Jahres 2022 niemand gerechnet. Dazu ist Uniper Deutschlands größter Erdgasspeicherbetreiber. Privatkunden beliefert das Unternehmen außer bei Fernwärme nicht.

Neue Uniper-Führung präsentiert sich erstmals komplett

Klaus-Dieter Maubach hatte Uniper 2022 trotz aller Widrigkeiten souverän in die Verstaatlichung gesteuert. Nach seinem Abgang im vergangenen Jahr war der gesamte Vorstand ausgewechselt worden. An diesem Dienstag präsentierte sich erstmals die gesamte neue Führung mit CEO Michael Lewis, der zuletzt Großbritannien-Chef des Energieriesen E.On gewesen war, Finanzvorständin Dönges, Chief Operating Officer Holger Kreetz sowie Chief Commercial Officer Carsten Poppinga.

Das außerordentlich gute Geschäftsergebnis im vergangenen Jahr schaffe Spielraum Investitionen in die neue Strategie, hieß es in Düsseldorf. Im vergangenen Jahr bereits hatte Uniper angekündigt, sein Geschäft künftig in drei Segmente aufteilen zu wollen: Green Generation, Flexible Generation und Greener Commodities – wobei die Steigerung „greener“ eher Wunschdenken als Zustandsbeschreibung ist.

Die grüne Erzeugung bezieht sich damit auf Erneuerbare Energien, vor allem auf Wasserkraft, aber auch auf Windenergie an Land und Fotovoltaik. Mit flexibler Erzeugung sind vor allem Gaskraftwerke gemeint, die auch wasserstofffähig, also „H2ready“, sein können. Lewis kündigte an, bis 2030 acht Milliarden Euro in Unipers grüne Transformation investieren zu wollen, auch in Onshore Wind und Solaranlagen.

Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist die so genannte flexible Stromerzeugung. Uniper hatte angekündigt, im Zuge der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung Gaskraftwerke bauen zu wollen. „Wir halten den Neubau von wasserstofffähigen flexiblen Anlagen für dringend nötig. Ebenso den von der Regierung angekündigten Kapazitätsmarkt“, sagte Lewis. Uniper wolle sich an Ausschreibungen für Kapazitäten in einer Größenordnung von ein bis zwei Gigawatt beteiligen, sagte Lewis Reuters. Die Bundesregierung hat vor ein paar Tagen angekündigt, bis 2030 insgesamt 10 Gigawatt für wasserstofffähige Gaskraftwerke ausschreiben zu wollen.

Steinkohlekraftwerk Datteln 4 muss verkauft werden

Die EU-Kommission hatte die staatliche Übernahme Unipers Ende 2022 unter anderem an die Bedingung geknüpft, dass der Staat seine Beteiligung bis spätestens 2028 auf maximal 25 Prozent plus eine Aktie abschmilzt. Zudem muss Uniper bis Ende 2026 eine Reihe von Vermögenswerten verkaufen, darunter das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen. Vorstandschef Lewis zeigte sich zuversichtlich, dass alle Assetverkäufe in dem vorgegebenen Zeitraum abgewickelt werden. Insider hatten der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, dass der Bund bereits im kommenden Jahr, also 2025, bis zu 30 Prozent der Anteile im Rahmen eines sogenannten Re-IPOs an die Börse bringen könnte.

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Für das Jahr 2024 dämpfte der Vorstand die Ergebniserwartungen. 2023 sei ein in vielerlei Hinsicht außerordentliches Jahr gewesen. Aber 2024 sei das „Jahr des Aufbruchs“, sagte Lewis. Und: „2022 wird sich nicht wiederholen.“

Lesen Sie auch: Sind Gaskraftwerke wirklich die Zukunft? Was Energiekonzerne von der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung halten.

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