Abschwung „Die Reserven sind aufgebraucht und die Banken zögern“

Quelle: imago images

Nicht nur die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt. Berater berichten auch von einer Zunahme von Notverkäufen – und von den Tücken der Nachfolgeplanung in kriselnden Familienunternehmen.

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Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist zuletzt deutlich gestiegen. So registrierte das Forschungsinstitut IWH in seinem „Insolvenztrend“ für den März 2024 fast 1300 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften. Das waren neun Prozent mehr, als noch im Februar gemessen wurden. Auch im Gesamtjahr ist kaum mit einer Entspannung zu rechnen. Der Warenkreditversicherer Allianz Trade prognostiziert einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von 13 Prozent. So würden die anhaltende Konjunkturschwäche und „die strukturellen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem deutschen Wirtschaftsmodell vor dem Hintergrund schwierigerer Finanzierungsbedingungen mehr Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen“.

Von einer echten Pleitewelle wie 2011 ist die deutsche Wirtschaft zwar noch weit entfernt. Doch auch Unternehmensberater und Sanierungsjuristen, die im Vorfeld im Einsatz sind, berichten unisono von steigendem Beratungsbedarf – und einer Zunahme von Notverkäufen.

 „Es gibt wieder deutlich mehr Firesales im Mittelstand“, sagt etwa Georg Nikolaus von Verschuer, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg im Bereich Corporate Finance. Durch die Multikrisen der vergangenen Jahre habe sich bei vielen Familienunternehmen die Lage zugespitzt. „Die Reserven sind aufgebraucht und die Banken zögern mit der Finanzierung“, fasst von Verschuer die Situation zusammen. Gleichzeitig kämpfen viele Familienunternehmen mit Nachfolgesorgen.

Das bestätigt Bozidar Radner, Partner im Bereich Turnaround & Restructuring der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte. „Das Thema Unternehmensnachfolge ist für viele mittelständische Unternehmen eine offene Flanke“, so Radner. Die junge Generation sei in der Regel bestens ausgebildet. Spätestens, wenn die Nachfolgeplanung im kriselnden Unternehmen konkret wird, sagen sich viele: ‚Warum soll ich mir das eigentlich antun‘ – und sagen ab.“

Begrenzung von Haftungsrisiken

Erschwert werde die Lage, weil es in vielen Unternehmen inzwischen schlicht an Krisenerfahrung fehle, ergänzt Stefan Sanne, der bei Deloitte den Bereich Turnaround & Restructuring in Deutschland leitet. Es ging sehr lange Zeit aufwärts, so Sanne. Jetzt sei plötzlich „echtes Krisenmanagement gefragt“ mit zum Teil harten Einschnitten. „Das ist für die potenziellen Nachfolger erstmal abschreckend.“ Hier könne es helfen, für einige Zeit Unterstützung durch externes Know-how zur Seite zu stellen, um den Übergang abzufedern, empfiehlt Sanne.

Und wenn das nicht ausreicht? Gesellschafter stünden vor der Frage, wann sie die Reißleine ziehen und ihr Unternehmen zum Verkauf stellen, sagt von Verschuer. „Die Alternative ist, weiter abzuwarten – auf die Gefahr hin, dass sich die Lage noch verschlechtert.“

Wie in allen Krisensituationen ist auch hier der Faktor Zeit entscheidend. „Die Suche nach einer externen Unternehmensnachfolge ist umso erfolgversprechender, je früher sie gestartet wird“, sagt Falkensteg-Experte von Verschuer. Dann könnten auch die Wünsche des Verkäufers besser berücksichtigt werden. Vielen Unternehmern gehe es schließlich nicht nur um Wertmaximierung, sondern auch darum, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben, oder der Unternehmensname weitergeführt wird. Bei einem Notverkauf wird das deutlich schwieriger. „Dann stehen meist die Begrenzung von Haftungsrisiken und ein realistischer Preis im Vordergrund“, sagt von Verschuer. Aus Sicht des Unternehmers ist das in der Regel aber immer noch besser als eine Insolvenz.

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Und auch aus Investorensicht kann der Einstieg bei einem angeschlagenen, aber nicht insolventen Unternehmen durchaus interessant sein. „Das ist wie beim Autofahren“, sagt von Verschuer. „Wenn Sie unterwegs sind, macht es einen erheblichen Unterschied, ob der Tank komplett leer ist, oder ob der Sprit doch noch reicht, um bis zur nächsten Tankstelle zu kommen.“

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