Deutschlands Preisfavoriten 2024 „Billig kann jeder“: Was Händler wirklich zu Kundenlieblingen macht

Quelle: imago images

Die Deutschen sparen gern. Gleichzeitig treiben Inflation und Krisen die Kosten in die Höhe. Welche Unternehmen trotzdem als günstig gelten und wie sie das schaffen.

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Die deutsche Sparsamkeit bei Lebensmitteln ist legendär: Rund 417 Euro gibt der deutsche Durchschnittshaushalt pro Monat für Lebensmittel aus. Das entspricht gut elf Prozent der Konsumausgaben. In anderen EU-Ländern sind es bis zu 25 Prozent. Da wundert es kaum, dass mehr als die Hälfte der Deutschen angibt, beim Einkaufen auf den Preis zu achten. Interessant ist: Händler, von denen die Deutschen annehmen, dass sie die günstigsten sind, müssen nicht zwingend auch tatsächlich die niedrigsten Preise haben.

Bereits zum zweiten Mal hat die Kölner Analyse- und Beratungsgesellschaft ServiceValue in Kooperation mit der WirtschaftsWoche Menschen gefragt, bei welchen Dienstleistungsanbietern aus den verschiedensten Lebensbereichen sie ihrer Meinung nach die günstigsten Preise finden. Die Antworten der rund 213.000 Befragten hat ServiceValue ausgewertet und zu „Deutschlands Preisfavoriten 2024“ zusammengefasst. An der Spitze des Rankings steht die Drogeriemarktkette dm. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe die Rangliste über alle Kategorien hinweg angeführt. Ähnlich geht es der Discounterkette Lidl. Sie folgt mit nur minimalem Abstand (0,02 Punkte) auf Platz zwei und läuft Aldi Süd, dem Vorjahreszweiten, damit den Rang ab. Insgesamt ist der Mittelwert aller genannten Unternehmen durchweg gut. Selbst das Schlusslicht des Rankings, die OVB Vermögensberatung, kommt auf 2,88 Punkte, und liegt damit nur 0,58 Punkte hinter Spitzenreiter dm.

Doch was macht Unternehmen wie dm oder Lidl in Sachen Preisgestaltung so beliebt? Was können Unternehmen von den Siegern des Rankings lernen?

Flexibilität bei den Preisen

„Unternehmen sollten lernen, die Preisanpassung viel weniger pauschal zu machen“, sagt Hans-Christian Riekhof, Professor für Internationales Marketing an der PFH Private Hochschule Göttingen und Experte für strategische Preisgestaltung. Ein gutes Beispiel für eine sehr differenzierte Preisgestaltung sei beim Sieger des Rankings zu beobachten. Die Drogeriemarktkette dm kündigte 2019 an, ihre Preisstrategie ändern zu wollen, und die eigenen Preise fortan für jede Filiale einzeln zu steuern, abhängig von ihrer Lage und der Konkurrenz vor Ort. Das heißt im Klartext: Ist Konkurrenz in der Nähe, hat dm die günstigsten Preise. In Regionen mit weniger direkter Konkurrenz sind die Preise auch gerne mal höher. Dabei macht sich die Drogeriemarktkette einen Umstand zu Nutze: „Die objektive Kenntnis von Preisen ist beim Verbraucher viel geringer, als meistens angenommen wird“, so Riekhof.

Doch ein solches Pricing, wie dm es praktiziert, erfordert teure Ressourcen wie Personal und IT, die kleineren Unternehmen nicht unbedingt zur Verfügung stehen. Trotzdem lohne es sich auch für diese Firmen, innerhalb ihrer Möglichkeiten intensivere Preispolitik zu betreiben, so der Forscher. „Es ist sinnvoller, günstige Produkte weniger stark zu erhöhen, weil da eine höhere Preissensitivität da ist, und die höherpreisigen Produkte dafür stärker im Preis zu entwickeln.“ Heißt: Statt wegen hoher Inflationsraten pauschal alle Preise zu erhöhen, sollten Unternehmen Waren des täglichen Bedarfs, wie beispielsweise Butter oder Toilettenpapier, von den anderen Preisen entkoppeln. Allgemein empfiehlt der Wissenschaftler Unternehmen, die Zahlungsbereitschaft der Kundinnen und Kunden für die Waren als Maßstab zu nehmen, und nicht schlicht die gestiegenen Preise weiterzugeben.

Zur Methode

„Billig kann jeder“: Vertrauen als Währung

Wer auf das Ranking von Deutschlands Preisfavoriten blickt, sieht viele Unternehmen, die mit günstigen Preisen werben. Doch wenn jedes Unternehmen das günstigste sein will, welche Faktoren machen dann am Ende noch den Unterschied aus? Für Arnd Zschiesche, Professor für Marketing mit Schwerpunkt Markenforschung an der FH Westküste, ist der entscheidende Faktor: Vertrauen. „Die Leute sind fasziniert und angezogen von Unternehmen, die es schaffen, ein Vertrauensleuchtturm zu sein in dieser Zeit“, sagt Zschiesche, und spielt damit auf die Skandale großer Markenkonzerne in jüngster Vergangenheit an. „Billig kann jeder“.

Als Beispiel führt der Marketing-Forscher Aldi an. Der Discounter habe es als einer der ersten seiner Zunft verstanden, das Versprechen der eigenen Marke nicht nur an den Begriff „günstig“ zu knüpfen, sondern auch an Qualität. War Aldi von einem Produkt nicht mehr überzeugt, nahm man das Produkt kurzerhand aus dem Sortiment, und informierte seine Kunden mit einem formlosen Zettel über die Gründe – „Aldi informiert“. Das schaffte Vertrauen beim Kunden, vom Handwerker bis zur Akademikerin, und machte Aldi zum Weltkonzern.

Und auch andere Unternehmen wie Lidl oder Rossmann haben längst verstanden, dass günstige Preise allein nicht mehr ausreichen, um auf dem Markt zu bestehen. Egal ob beliebte Eigenmarken, Smartphone-Apps mit exklusiven Preisvorteilen oder Nachrichten über das soziale Engagement des Unternehmens: All das steigere das Vertrauen der Kunden in die Marke, so Zschiesche. Und ist das Vertrauen der Menschen erst einmal gewonnen, ist es gar nicht so leicht zu brechen.

Das hohe Grundvertrauen der Kunden könnte zu einer höheren Toleranz gegenüber Preisabweichungen führen. „Kundschaftsschlaf“ nennt Zschiesche das. Dabei gehe es aber nicht darum, die Kunden gezielt in die Irre zu führen. Und wenn der Professor dann sowas sagt wie: „Marken sind ein Wohnzimmer der Seele“, meint er damit die Kunst, als riesige Marke trotzdem nahbar und vertrauensvoll zu wirken, wie damals die kleine inhabergeführte Drogerie um die Ecke.

Auf den folgenden Seiten finden Sie alle Tabellen zum ServiceValue-Ranking „Preisfavoriten“.

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