Feuerwerksverbot an Silvester „Schockstarre“ beim Marktführer: 160.000 Paletten Böller und Raketen bleiben im Lager

Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird in diesem Jahr erneut verboten – mit drastischen Folgen für Marktführer Weco. Quelle: dpa

Auch dieses Jahr bleibt es still am Nachthimmel, wenn das neue Jahr beginnt. Bund und Länder haben wie im Vorjahr ein Verkaufsverbot für Silvester-Böller und Raketen erlassen. Die Branche ist entsetzt.

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Der Werksverkauf vor den Toren der Firma Weco im nordrhein-westfälischen Eitorf hat Tradition. Einmal im Jahr versammeln sich dort Hunderte Menschen in den frühen Morgenstunden dicht gedrängt und warten auf den Start des Feuerwerkverkaufs. Schließlich ist Weco Europas Marktführer beim Raketen- und Böller-Verkauf – und für Feuerwerksfans damit die erste Anlaufstelle.

Doch dieses Jahr fiel der eigentlich für Ende Oktober geplante Werksverkauf aus: Dieser wäre nur unter 3G-Bedingungen möglich gewesen, heißt es auf der Homepage, was sowohl kapazitätstechnisch als auch personell nicht umsetzbar gewesen sei. Auch den Onlineversand von Überraschungspaketen musste Weco absagen: Für den Versand Tausender Einzelsendungen seien leider „schlichtweg keine Kapazitäten mehr auf dem Logistikmarkt verfügbar“. 

Kein Werksverkauf, kein Onlinegeschäft – Anfang Dezember folgte der nächste Tiefschlag für den krisengeplagten Mittelständler: Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird bundesweit verboten. Das haben Bund und Länder neben der Verschärfung von Zugangsregeln im Einzelhandel beschlossen. Mal wieder. Schon im vergangenen Jahr wurde der Feuerwerksverkauf von der Politik untersagt. Seither gab es rund ein Jahr lang für die gesamte Weco-Belegschaft Kurzarbeit. Der Fertigungsstandort Freiberg (Sachsen) soll geschlossen werden. Ein weiteres Werk gibt es in Kiel.

Als Hauptgrund für das damalige wie aktuelle Feuerwerksverbot wird die Entlastung des Gesundheitswesens angeführt. Dabei seien Silvester nur fünf Prozent der Krankenhausbesuche auf Feuerwerk zurückzuführen, argumentiert Thomas Schreiber, Sprecher der Geschäftsführung, unter Bezugnahme auf Zahlen eines großen Klinikbetreibers. Die wirklich schweren Verletzungen entstünden durch illegale Pyrotechnik. „Die Entscheidung zum Verbot scheint vollständig auf subjektiven Empfindungen und Populismus zu beruhen“, kritisiert Schreiber. Begrüßt wird die Entscheidung dagegen von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die seit Jahren gegen Silvesterböller mobil macht und auch im November für ein Böller-Verbot warb, zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP), einigen Ärzten und Tierschützern. Schließlich gebe es viele Verletzte durch Böller und Raketen, Tiere würden durch den Lärm gestresst, die Umwelt verschmutzt und die Feinstaubbelastung durch das Schwarzpulver sei hoch, argumentierte die Organisation. 

Hilfen vom Bund gefordert

Die Hersteller drängen nun auf schnelle wirtschaftliche Hilfen, um eine Pleitewelle in der Branche zu verhindern. Schon im Vorfeld hatte der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) gewarnt: Ein Verbot würde „mit aller Wahrscheinlichkeit den Todesstoß für die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland“ bedeuten. Den 3000 Beschäftigten der Branche drohe die Arbeitslosigkeit. Tatsächlich ist auch das Geschäftsmodell des Marktführers vollständig auf Silvester ausgerichtet. Mehr als 90 Prozent des Umsatzes würden an den letzten drei Tagen im Jahr erwirtschaftet, sagt Schreiber. Die 350 Mitarbeiter des Unternehmens seien angesichts der politischen Entscheidung in „Schockstarre“, teilte ein Weco-Sprecher Anfang des Monats mit.



Seit Anfang Oktober würden rund 160.000 Paletten Feuerwerksware für den deutschen Einzelhandel kommissioniert und peu à peu ausgeliefert. Bei Feuerwerk handele es sich um ein vollständiges Kommissionsgeschäft und die Ware muss vollständig und auf eigene Kosten zurückgenommen werden, heißt es bei Weco. Der wirtschaftliche Schaden müsse also vollumfänglich von der pyrotechnischen Industrie getragen werden müssen. Weco fordert, dass der gesamte Umsatzausfall sowie alle anfallenden Kosten aus den Bereichen Lager, Logistik, Finanzierung und Personal vollständig vom Bund kompensiert werden müssen. 

Mehr zum Thema: Seit kurzem gilt die Insolvenzantragspflicht für überschuldete oder zahlungsunfähige Unternehmen wieder ohne Ausnahmen. Trotzdem verharren die Pleitezahlen auf niedrigem Niveau, zeigt eine exklusive Datenauswertung.

Dieser Artikel erschien erstmals am 3. Dezember 2021 bei der WirtschaftsWoche.

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