Immobilienaktie Sonderprüfer darf mögliches Cevdet-Caner-Geflecht bei Adler durchleuchten

Düstere Aussichten für den Immobiliensektor – ebenso wie für Investoren der Adler Group Quelle: imago images/Dirk Sattler

Das Landgericht Berlin hat einem Antrag von Aktionärsschützern teilweise stattgegeben. Eine Kölner Kanzlei soll untersuchen, ob der Österreicher Cevdet Caner faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft war.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Unternehmensgeschichte der Adler Group war über Jahre hinweg fast zu schön, um wahr zu sein. 2012 wurde die bis dahin brach liegende Adler Real Estate AG mit Kapital ausgestattet, kaufte Wohnimmobilien ein und vermietete sie. Das Timing hätte kaum besser sein können – in Deutschland setzte gerade ein regelrechter Immobilienboom ein. Die Banken stellten großzügig Kredite zur Verfügung, die eingekauften Objekte wurden quasi von selbst jedes Jahr wertvoller und das Unternehmen wurde jedes Jahr größer. 2019 kam es dann zum ganz großen Coup. Die Adler Real Estate AG schloss sich mit der deutlich größeren Immobiliengesellschaft Ado Properties und dem Projektentwickler Consus zusammen und formte so die Adler Group, die zu den größten Vermietern der Republik aufstieg.

Zu schön um wahr zu sein

Wie die WirtschaftsWoche bereits 2015 berichtete, mischte bei Adler von Beginn an eine bekannte Persönlichkeit aus dem Immobiliensektor mit: der österreichische Geschäftsmann Cevdet Caner. Er hatte einst die Gesellschaft Level One gegründet, die vollgepumpt mit Krediten und ohne nennenswertes Eigenkapital klammen Kommunen ihre Mietwohnungen abkaufte – bis ihn in der Finanzkrise die Banken stoppten. 2008 legte Caner die nach dem Fall Jürgen Schneider wohl zweitgrößte Immobilienpleite in Deutschland hin. Danach trat er lange Zeit nicht mehr offiziell am deutschen Immobilienmarkt auf.

Insidern und Kennern der Branche zufolge lenkte er jedoch die Geschicke bei Adler mit, auch wenn sein Name in keinem Organigramm und keinem Handelsregister auftauchte. Die Firma hatte dies bis 2021 bestritten beziehungsweise Caners Engagement klein geredet.

Es fiel aber auf, dass Adler ziemlich viele Geschäfte mit Personen aus Caners Dunstkreis abwickelte und über die Jahre türmten sich auch die Indizien, dass es bei den Unternehmen, die heute zur Adler Group gehören, zu hinterfragungswürdigen Geschäften kam. Obwohl das alles bekannt und auch anhand öffentlicher Informationen nachvollziehbar war, geschah lange nichts. Keine Behörde, kein Investor griff bei Adler ein oder forderte Aufklärung. 

Das änderte sich erst, als im Herbst der Londoner Spekulant Fraser Perring kam. Er setzte auf einen Absturz der Adler-Aktie und veröffentlichte in dem Zusammenhang einen kritischen Bericht über die Zustände bei dem Unternehmen. Daraufhin fiel der Aktienkurs der Adler Group drastisch. Der seinerzeitige Großaktionär Aggregate, der seine Adler-Aktien beliehen hatte, bekam Stress mit den Banken. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia eilte zu Hilfe, übernahm seinerzeit letztlich rund 20 Prozent der Adler-Anteile. Dadurch veränderten sich die Machtverhältnisse im Unternehmen. Mit dem ehemaligen Vonovia-Finanzvorstand Stefan Kirsten übernahm nun ein Manager mit gutem Leumund den Verwaltungsratsvorsitz. KPMG wurde damit beauftragt, Perrings Vorwürfen nachzugehen.

Keine vollständige Aufklärung

In ihrem Abschlussbericht halten die Forensiker unter anderem fest, dass es immer wieder zu Geschäften der Adler Group mit Personen und Firmen kam, die Caner nahe standen, „ohne dass der Auswahlprozess des Geschäftspartners“ für einen Dritten nachvollziehbar war. Caner habe auch mehrfach Strategiemeetings mit Organen der Adler Group anberaumt und unter anderem auf Personalentscheidungen oder die Vorbereitung von strategischen Entscheidungen Einfluss genommen. Auch bei einigen Deals stieß  KPMG auf Ungereimtheiten.

Lesen Sie auch: Zwei Deutschlandkarten zeigen, wo Immobilien am begehrtesten sind

Eine vollständige Aufklärung konnte KPMG aber nicht liefern. Nach eigenen Angaben erhielten die Prüfer viele Unterlagen nicht, die sie gebraucht hätten, um alle womöglich problematischen Vorfälle bei Adler vollständig nachzuvollziehen. Deswegen lehnte es KPMG fortan auch ab, Adlers Jahresabschlüsse  zu prüfen. Die Adler Group wäre daraufhin fast kollabiert. 

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) beantragte, einen Sonderprüfer einzusetzen, der zumindest die relevantesten, der fraglichen Vorgänge bei der Adler Real Estate AG doch noch aufklärt. Dabei sollten etwa zwei Deals mit Gesellschaften von Personen näher durchleuchtet werden, die Cevdet Caner nahestehen. Das lehnte das Gericht aber ab, weil die Geschäfte schon Jahre zurückliegen. Der Sonderprüfer darf jedoch unter anderem prüfen, ob Cevdet Caner im Jahr 2021 Einfluss auf die Geschäfte der Adler Real Estate AG zum Nachteil der Aktionäre nahm und ob sich Caner oder ihm nahestehende Personen bereichert haben. Stefan Kirsten, der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Adler Group, hatte stets gesagt, dass unter Governance-Gesichtspunkten einiges bei Adler bedenklich gewesen sei. Aber:  Hinweise auf strafrechtliche Vergehen hätten sie nicht gefunden.

Ebenso darf sich der Sonderprüfer mit einem Darlehen in Höhe von 265 Millionen Euro befassen, das die Adler Real Estate AG an ihre Muttergesellschaft Adler Group ausgereicht hatte. Der Kredit soll schon vor Abschluss eines Vertrags ausgezahlt worden sein. Im Beschluss des Landgerichts Berlin heißt es hierzu: „Die Auszahlung einer solchen Summe ohne vertragliche Grundlage ist grob fahrlässig und nicht mehr vom unternehmerischen Ermessen“ gedeckt. Hinzu käme, „dass sich die Muttergesellschaft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und somit auch in der Folge der Verzicht auf eine hinreichende Besicherung des Rückzahlungsanspruchs pflichtwidrig war.“  Dass das Darlehen im März zurückgezahlt worden sei, stehe dem nicht entgegen.

Heidelberger Druck Die fatalen Entscheidungen des CEO

Ende Juni wird der bisherige Chef Ludwin Monz seinen Posten bei Heidelberger Druck räumen. Nun werden seltsame Beraterverträge mit McKinsey publik.

Entgeltumwandlung Lohnt sich betriebliche Altersvorsorge?

Einen Teil des Gehalts für betrieblich Altersvorsorge einsetzen: Rechnet sich das? Und: Geht es auch mit Aktien? Eine Fallanalyse.

Immobilieninvestments Lohnt sich eine zweite Immobilie als Kapitalanlage?

Einer Leserin wird eine Wohnung zu einem günstigen Preis angeboten. Das nötige Geld besitzt sie – aber auch schon eine andere Wohnung als Kapitalanlage. Wie viele Immobilien sind vernünftig?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Ein Problem haben die zu Sonderprüfern bestellten Anwälte der Kölner Kanzlei Reitze Wilken allerdings: Die Zeit läuft gegen sie. 97 Prozent der Aktien der Adler Real Estate AG gehörten zuletzt der Adler Group, die die restlichen Aktionäre aber auch noch aus der Gesellschaft drücken will. Das ist beschlossene Sache. Der Squeeze-out ist aber noch nicht eingetragen. Sobald das geschehen ist, endet die  Sonderprüfung zwar nicht automatisch. Die Chefs der Adler Group müssten zunächst einen Antrag auf Einstellung der Sonderprüfung stellen. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass einem solchen Antrag nach dem Squeeze-out stattgegeben wird. Bis es hierzu kommt, können einige Woche oder auch Monate vergehen.

Lesen Sie auch: Trügerische Daten – wohin der Immobilienmarkt wirklich steuert

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%