Kaffee Wie die Reimanns gegen Starbucks und Nestlé antreten

Für 32 Milliarden Euro hat Deutschlands diskreteste Industriedynastie in den vergangenen Jahren Kaffeemarken gekauft. Manager Peter Harf soll das größte Kaffeeimperium der Welt formen – nicht nur zum Nutzen der Familie.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Kaffeeimperium der Familie Reimann. Quelle: REUTERS

Dem Haus Oosterdokstraat Nummer 80 am Amsterdamer Hauptbahnhof sieht keiner an, dass sich hier alles um das sinnlichste Getränk der Welt dreht: Kaffee.

Der Eingangsbereich ist farblos. Selbst die Konferenzzone im elften Stock wirkt trotz eines Regals bunter Kaffeepackungen steril. Das puritanische Design hier in der Zentrale des deutsch-niederländischen Koffeinkonglomerats Jacobs Douwe Egberts (JDE) hat seinen Grund: In der Heimat von Jacobs Krönung und Tassimo-Kapseln soll die Mitarbeiter nichts ablenken vom wichtigsten Firmenziel des Kaffeegiganten und seiner Eigentümer, der Reimann-Familie aus Deutschland: das größte Kaffeeimperium der Welt zu werden.

Es ist der nächste Schritt der wohl ungewöhnlichsten deutschen Industriellendynastie: Von der Familie Reimann ist kaum mehr bekannt als die Namen Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann sowie Stefan und Matthias Reimann-Andersen und dass sie für sich und ihre zehn Kinder vom ehemaligen Boston-Consulting-Berater Peter Harf aus ihrem insolvenzbedrohten Ludwigshafener Chemiezwerg Joh. A. Benckiser eine globale Konsumgütergruppe im Wert von netto 20 Milliarden Euro haben bauen lassen.

Das Reimann-Reich

Dessen 2,6 Milliarden Euro Gewinn im vorigen Jahr stammen aus Anteilen am Putzmittelriesen Reckitt Benckiser (Calgon, Sagrotan), dem US-Kosmetikkonzern Coty (Adidas, Lancaster) sowie an einer Reihe Luxusmarken. Alles in allem sind es mindestens 200 Labels aus allen Bereichen des Alltags, die laut der Geschäftsberichte der Familien-Vermögensverwaltung JAB Holding Company aus den Jahren 2013 bis 2015 jährlich eine zweistellige Rendite abwerfen.

Vom Konsumgüter-Riesen zum Kaffee-Herrscher

Diesem ersten Aufstieg zu einem der größten Konsumgüterkonglomerate der Welt wollen die Reimanns jetzt einen zweiten folgen lassen: den zu einem Herrscher der Kaffeewelt. Wieder soll ihr Stratege Harf den Plan stemmen – und wieder bewegen sie dafür Milliarden. So stark wie vor 30 Jahren der Schweizer Nahrungsmittelgigant Nestlé, der mit seinen Nespresso-Kapseln, die den Bohnengenuss auf höchstem Niveau zu einer Sache für jedermann machten, soll Harf für die Reimanns nun das Kaffeegeschäft aufrollen. Dafür hat die JAB seit 2012 für 32 Milliarden Euro rund ein Dutzend Beteiligungen gekauft. Hinter dem Kaufrausch steht ein Dreistufenplan:

  • Die zersplitterte Kaffeebranche industrialisieren und aus mittelständischen Betrieben eine weltweit führende Gruppe formen, die dank eines neuen Konzepts Marktführer Nestlé nicht angreift.
  • Mit neuen Methoden bei Management und Markensteuerung das Geschäft rentabler denn je machen.
  • Nicht nur für besseren, sondern auch für umweltfreundlicheren Kaffee sorgen, mit fairen Preisen auch für die Bauern.


Zwar kritisiert der auf Übernahmen spezialisierte US-Professor Erik Gordon die bisherigen Zukäufe für diesen Plan: „Das ist viel Geld für recht schwache Spieler.“ Zwar verweisen Analysten auf starke Wettbewerber wie Brauseriese Coca-Cola, die derzeit ebenfalls ins Kaffeegeschäft drängen. Doch Peter Harf, seit mehr als 30 Jahren oberster Reimann-Vermögensverwalter sagt: „Der Markt wächst stark und ist so zersplittert, dass er förmlich nach einem ruft, der ihn mal ordnet.“ Und das, keine Frage, will er sein. Auch wenn der Ausgang seines vielleicht größten Abenteuers derzeit offen ist.

Manager zu Eigentümern

Harf, mittlerweile dynamische 70 Jahre alt, riskiert anders als die meisten angestellten Manager für diesen Plan nicht nur das Vermögen anderer Leute. Fast sein kompletter Besitz steckt in JAB und ebenso das Geld seiner Co-Chefs Lambertus „Bart“ Becht aus den Niederlanden und des Franzosen Olivier Goudet, die zusammen rund acht Prozent von JAB im Wert von 1,6 Milliarden Euro halten. Zwar erinnert er mit seinen bunten Hemden und dem rheinisch lockeren Nuscheln eher an Zocker im grauen Kapitalmarkt. Aber Harfs Vita ist eine der solidesten Erfolgsgeschichten der deutschen Industrie. Der gebürtige Kölner, einst Jahrgangsbester an der Universität Köln und Anfang der Siebzigerjahre einer der wenigen Deutschen an der Harvard Business School, entwickelte einen untrüglichen Riecher für profitable Investments.

Das Imperium der Familie Reimann
Calgon Quelle: dapd
Reckitt BenckiserDer britische Reinigungsmittelhersteller ist der wachstumsstärkste und profitabelste Konzern der Branche und die weltweite Nummer eins im Geschäft mit Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln. Die Familie Reimann ist wesentlich an Reckitt beteiligt. Kaum ein Industriellenclan ist verschwiegener. Kaum einer scheffelt derzeit mehr Geld mit seinem Reich, auch wenn man laut eigener Aussage die Hälfte der Dividenden spendet. Quelle: Presse
ClerasilZu den bekanntesten Marken von Reckitt Benckiser gehört Clearasil, eine Hautpflegeserie gegen Pickel und Akne. Die Marke ist seit 2006 Teil des Reckitt Benckiser-Portfolios durch die Akquisition von Boots Healthcare. Quelle: Presse
Kaffee-ImperiumAuch im Kaffeegeschäft mischt die Familien Reimann mit. Erst im Dezember 2012 kaufte die Familie Caribou Coffee für 340 Millionen Dollar, zuvor Peet’s Coffee & Tea für eine Milliarde Dollar. 2013 übernahm ein Konsortium unter Führung der Familienholding JAB den niederländischen Kaffee- und Teehersteller DE Master Blenders („Jacobs“, „Senseo“). Quelle: dpa
Keurig Grenn MountainIm Dezember 2015 gelingt den Reimanns der große Coup: Für 14 Milliarden Dollar übernimmt ihre Holding JAB den Kaffeekapsel-Produzenten Keurig und wird damit zu einem Rivalen von Platzhirsch Nespresso. Quelle: REUTERS
 Steffen Seifarth, Coty Regional Vice President, und Model der Chloé-Kampagne nehmen den DUFTSTAR Publikumspreis entgegen. Quelle: Fragrance Foundation Deutschland e.V. Quelle: Pressebild
JAB LuxuryDie Reimann gehörende österreichische Holding Labelux konzentriert sich auf Luxusmarken. Seit 2007 kauft die Holding einen Luxusgüterkonzern zusammen. Der Schweizer Lederwarenhersteller Bally gehört neben der Schmuckmanufaktur Solange und dem italienischen Lederwarenhersteller Zagliani bereits dazu. Im Juli 2008 wurde die US-amerikanische Modemarke Derek Lam übernommen, im Mai 2011 der US-Schuhhersteller Jimmy Choo - für rund 575 Millionen Euro. Quelle: Screenshot

Nun sagt er über die Eroberung des Kaffemarktes: „Es ist das ideale Geschäft für uns.“ Dafür sorgt etwa das hohe Wachstum. Laut einer Übersicht des führenden Konsumforschers Euromonitor wird der Umsatz künftig fast unabhängig von der Konjunktur im Schnitt um jährlich gut vier Prozent wachsen. Dafür sorgen nicht nur neue Märkte in Teeländern wie China und Indien, die zweistellig zulegen. Anders als bei anderen Konsumartikeln steigt beim Kaffee auch in den Industrieländern der Umsatz.

Zwar trinken Europäer und Amerikaner kaum mehr Tassen, aber sie lassen sich jede einzelne immer mehr kosten. Coffeeshop-Kultur, Kapselmaschinen oder der Boom des Premiumsegments: 80 Euro pro Kilo sind keine Seltenheit. Die Herstellungskosten liegen mitunter nur bei der Hälfte des Verkaufspreises.

Jedes Land hat andere Vorlieben

Neben den hohen Aufpreisen lockt Harf, dass im Geschäft mit Mokka, Espresso oder Schümli bislang fast ausschließlich Mittelständler und nationale Marken dominieren. Jedes Land hat andere Vorlieben bei Geschmack, Stärke und Portionsgröße. Gelten in den USA und Skandinavien Gebinde unter einem Viertelliter als Witz, nennen die an Miniportionen gewohnten Genießer aus Mittelmeerstaaten das dünne Groß-Gebräu der Nordländer verächtlich „Americano“ und halten die in China populären Aromazutaten für Barbarei.

Lokale Marken statt einheitlichem Welthandel

Diese Unterschiede verhinderten auch den Aufstieg von Nestlé und Starbucks zu echten Weltmarktführern. „Den Amerikanern sind Kapselportionen zu klein, und westlich des Urals gilt löslicher Kaffee mit seinem vergleichsweise schlichten Aroma als Notlösung“, sagt der Chef eines Kaffeeherstellers, der lieber anonym bleiben will. „Starbucks ist in Entwicklungsländern zu teuer, und vor allem in Europa drängen die lokalen Ketten und Bäckereien Starbucks an den Rand.“ Darum lautet Harfs wichtigster Ansatz: keine Weltmarke bauen. Stattdessen soll die Holding immer mehr lokale Marken wie beim Puzzle zusammenfügen, bis daraus ein weltweites Kaffeereich wird.

Ausgedacht haben sich das die drei Partner genannten JAB-Chefs Harf, Goudet und Becht. Goudet hatte die Idee vor gut zehn Jahren als Finanzvorstand von Mars. Als die Inhaberfamilie des Schokoriegelkonzerns ihr Imperium partout nicht um Kaffee erweitern wollte, redete Goudet darüber mit Harf; man kannte sich aus dem Verwaltungsrat des belgisch-brasilianischen Brauriesen Anheuser-Busch Inbev. Harf biss an und holte Goudet 2012 zu JAB, wo beide die Idee mit Becht in langen Gesprächen durchkneteten. Und da Harf in New York und Mailand lebt, Becht in London und Goudet bei Washington gab es vor allem Telefonate, meist längere, klagt Harfs Frau, die Schriftstellerin Tina Grube („Männer sind wie Schokolade“): „Besonders wenn Olivier anruft, muss ich meist das Essen warm stellen.“

Kreatives Dreigestirn

Wer das Reimann-Dreigestirn mal komplett trifft, auf dem Flur in der JDE-Hauptverwaltung, in den ebenso schlichten Räumen der JAB-Zentrale im Londoner Stadtteil Belgravia oder der dritten Zentrale nahe der Luxemburger Messe, erlebt eine bestens eingespielte Zusammenarbeit. Harf hängt gerne zurückgelehnt mit den Armen hinterm Kopf im Sessel. Der auf taillierte Maßanzüge bedachte Becht sitzt dagegen eher auf der vorderen Stuhlkante. Mit seiner schneidenden Art drängt er auf schnelle Ergebnisse. „Er hat ein Elefantengedächtnis für Fakten und fällt wie kein Zweiter Entscheidungen“, lobt Harf. Goudet, eher der Typ Nerd, wirkt oft abwesend, fügt aber alle Ideen zusammen. „Er weiß sofort, wie Unternehmen und Geschäftsfelder zusammenpassen, und hat gleich die beste Finanzierung“, sagt Harf.

Mythen rund um Kaffee
Kaffee Quelle: dpa
Kaffee-Filter Quelle: dpa
Kaffee Quelle: dpa
Kaffeetasse und Kaffeebohnen Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schadet dem HerzenDieses Gerücht scheint falsch zu sein, denn viele Studien ergaben sogar das Gegenteil: So fanden Forscher der Universität Utrecht heraus, dass täglich zwei bis vier Tassen Kaffee das Risiko eines Herzinfarkts um bis zu 20 Prozent senken können. Südkoreanische Wissenschaftler erklärten zudem, dass wenige Tassen am Tag verstopfte Arterien verhindern können. Auch ihre Forschungsergebnisse zeigten, dass Testpersonen, die drei bis fünf Tassen Kaffee pro Tag tranken, deutlich seltener unter Vorzeichen von Herzkrankheiten litten. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schützt vor DiabetesZumindest senkt Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko. Dies hat eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung ergeben. Bei täglich über vier Tassen Kaffee lässt sich das Diabetes-Risiko um ein Viertel senken. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee ist das beliebteste Getränk beim ersten DateTatsächlich geht mit 73,3 Prozent die Mehrheit der Deutschen beim ersten Date einen Kaffee trinken. Dies hat eine Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner ergeben. Essen gehen liegt mit 72,1 Prozent knapp dahinter. Nur 5,4 Prozent treffen sich beim ersten Date direkt zu Hause. Quelle: Fotolia

Entsprechend ausgeklügelt ist das Konzept, mit dem die drei nun ihr Kaffeereich zu einem Weltkonzern mit anregenden Renditen machen wollen. „Wir sind kein Konzern, kein Aufsichtsrat und erst recht kein auf rasche Rendite schielender Fonds“, sagt Harf. „Wir machen als aktive Investoren Beteiligungen effizienter.“ Das Vorbild dafür ist AB Inbev. Hier studierten Goudet und Harf als Verwaltungsräte, wie der brasilianisch-schweizerische Multimilliardär Jorge Paulo Lemann aus der kleinen Brauerei Brahma den größten Braukonzern der Welt formte.

Am Anfang war der Kaufrausch

So stand auch zu Beginn des Reimann’schen Kaffeereichs ein kleiner Kaufrausch. Für nicht ganz die eine Hälfte der ausgegebenen Milliarden schluckte JAB zuerst in Europa Größen wie die europäische Mondelez-Tochter Jacobs, die börsennotierte Douwe Egberts mit Überseemarken wie Pilão in Brasilien, gefolgt von kleineren skandinavischen Ketten wie Espresso House aus Schweden. Die restlichen rund 18 Milliarden flossen in den USA in den Kapselprimus Keurig, alternativ-noble Kaffeehausketten wie Intelligentsia sowie die Imbisse Krispy Kreme (Donuts) und Einstein Noah (Bagel), die trotz ihrer Kalorienbomben vor allem vom Kaffeeverkauf leben. Auch wenn jetzt Bohnen aus dem Reimann-Reich bereits in fast jedem fünften gebrauten Kaffee weltweit stecken, werden weitere Zukäufe folgen.

Zusammenbau des Reiches

Beim zweiten Schritt, dem Zusammenbau des Reiches, wich Harf dagegen vom AB-Inbev-Standard ab. Während Lemann und sein Chefverwalter Carlos Brito nach Übernahmen in der Regel die Führung austauschten sowie Arbeitsplätze oder Boni in Form von Gratisbier strichen, blieben die JAB-Kaffee-Töchter erst mal weitgehend selbstständig.

Im Gegenzug drängten Harf und seine Kollegen ihr Koffeinreich zu mehr Zusammenarbeit bei für den Kunden nicht sichtbaren Dingen. Für diese „Soft Synergies“ legen die Töchter etwa Teile ihres Einkaufs zusammen, vereinen Vertrieb oder Onlineshops und übernehmen von den anderen, was die jeweils besser machen.

Investments in Generationen statt Quartalen planen

Dabei können auch die koffeinfreien Reimann-Töchter helfen. An mehr Marketingkraft besonders im für Markenartikler zentralen Bereich Social Media arbeiten die Coty-Beteiligungen Beamly, ein führender Digitalvermarkter aus London, sowie You & Mr. Jones mit ihren Beteiligungen an Firmen für digitale Verkaufsförderung wie dem Internetdienst Mashable oder der Videofirma Mofilm. „Solche Best-Practice-Dinge klingen nach Kleinkram, doch sie drücken die Kosten leicht um ein Viertel und mehr“, sagt Harf.

Für die Motivation der Führungskräfte sorgt wie im Rest des Reimann-Reichs die erprobte Managementmethode Harf. Dazu gehört, dass Vorstände wie die JAB-Spitze möglichst ihr ganzes Vermögen in ihre Firmen stecken – und sich nicht als Angestellte, sondern als Miteigentümer sehen. „Der Lohn kommt dann nicht aus Boni, die das Management am Ende noch beeinflussen kann, sondern vor allem aus dem Wertzuwachs“, sagt Harf. „Schließlich planen wir Investments nicht in Quartalen oder Jahren, sondern in Generationen.“

Der vielleicht cleverste Teil der Strategie ist die ungewöhnliche inspirierte Finanzierung. Das Geld stammt nicht von Banken oder gar familienfremden Aktionären, sondern von wenigen, echten Risikopartnern, die ein paar Jahre warten können, bis sich ihr Anteil am Reimann-Rendite-Reich auszahlt. So schaffte es Harf, bei einem Familienvermögen von geschätzten rund 20 Milliarden Euro Zukäufe von 70 Milliarden zu stemmen und trotzdem das letzte Wort zu behalten.

Luxuswaren in Eigenregie führen

Dank der komplexen Struktur mit vielen Zwischenholdings kann Harf Geldgeber langfristig an einzelnen Feldern in fast beliebiger Höhe beteiligen, „vorausgesetzt, es geht um einen Minderheitsanteil ohne echte Mitsprache im Alltag und mehr als ein Milliarde“, weiß ein Insider. So reden in keinem Feld zu viele mit, und die Familie behält das letzte Wort. Auf diese Weise können die Reimanns ihre Luxuswaren in Eigenregie führen, aber zum Beispiel bei JDE den Jacobs-Alteigentümer Mondelez zu 49 Prozent reinnehmen. Bei den US-Ketten wie Peet’s und Keurig ist die Investorenlegende Warren Buffett an Bord, und der Private-Equity-Fonds BDT Capital von Byron Trott aus Chicago brachte seine Milliardärskunden ein, etwa den kolumbianisch-amerikanischen Milliardär Alejandro Santo Domingo.

Kampf gegen das schlechte Gewissen

Etwas mehr Eile als beim Verdienen seines Einsatzes hat Harf dagegen beim dritten Teil seines Kaffeeplans: mehr Wohlbefinden für alle.
Vom Reimann-Röst-Reich sollen, neben den Eigentümern, zunächst die Kunden profitieren. Statt zu höheren Preisen soll die JAB-Synergiemaschine vor allem zu aromatischerem Schümli und Mokka führen. Wichtigstes Mittel hierzu sind bessere Kaffeemischungen. Wie die Braumeister bei AB Inbev tauschen sich auch bei JAB die Fachleute aus: vom Rezept für Crema, Großportion und Gebäck bis zu den bestmöglichen Methoden beim Rösten, Lagern und der Mischung der Bohnen. Schließlich gibt es selbst bei Kaffee eines Anbaugebiets in einer Saison große Schwankungen. „Wir haben von dem rund einem Dutzend Kaffeegurus auf der Welt etwa die Hälfte und wollen das Wissen nutzen“, sagt Harf.

Was Ihr Kaffee-Geschmack über Sie aussagt
Wie trinken Sie Ihren Kaffee? Quelle: dpa
Schwarztrinker Quelle: dpa
Milchtrinker (Personen, die ihrem Kaffee Milch, Sahne und Zucker hinzufügen) Quelle: dpa
Frozen-Coffee-Trinker Quelle: dpa
Frozen-Coffee-Trinker Quelle: AP
Sojamilch und sonstige Extras Quelle: dpa
Journalisten warten auf den Beginn einer Pressekonferenz Quelle: AP

Zudem trimmt Harf die Gruppe auf Nachhaltigkeit. Dabei geht es nicht nur um Energiesparen beim Rösten und weniger teure Leerfahrten beim Liefern oder dass der Kundschaft nicht länger Bedenken wegen Müllbergen aus Kapseln den Genuss vergällen – die ganze Produktionskette soll nachhaltig werden. Schließlich engagieren sich die Reimanns auch in ihrem Privatleben für soziale Projekte und investieren fast alle JAB-Ausschüttungen in soziale Einrichtungen wie die familieneigene Benckiser Stiftung.

Mit Nachhaltigkeit verbringt JDEs Umweltbeauftragter Daniel Martz seine Zeit. Ein Teil der Arbeit gilt den Kaffeekapseln. Heute können die in der Regel nur mit dem Hausmüll verbrannt werden, weil sich die einzelnen Bestandteile Kaffee, Kunststoff und Metall nur schwer trennen lassen. Doch das soll sich ändern. „Wir arbeiten an wiederverwertbaren und biologisch abbaubaren Kapseln“, sagt Martz.

Umweltfreundlicher Anbau und faire Bezahlung

Viele Reisen, besonders nach Vietnam oder Brasilien, braucht der in den USA ausgebildete Jurist beim Ziel umweltfreundlicher Anbau und eine fairere Bezahlung der Beschäftigten. „Gerade für die kleineren Bauern, die ein Fair-Siegel am meisten brauchen, ist es meist zu teuer, sich zertifizieren zu lassen“, sagt Martz. Das soll er ändern. „Wir arbeiten daran, auf unsere Kosten statt einzelner Farmen ganze Regionen verifizieren zu lassen, mithilfe von Satellitenüberwachung und Kontrollen vor Ort“, so Harf. Das sorge über die ganze Wertschöpfungskette dafür, dass die Menschen Perspektive haben. Doch das dauert. Als erster Teil der Gruppe wird die US-Tochter Peet’s spätestens im Jahr 2020 alle Lieferanten erfasst haben.

Konter vom Brausegiganten

Die Frage ist nur, ob sich Reimanns Kaffeetruppe schon jetzt auf die hehren Ziele konzentrieren kann – oder nicht erst noch Kärrnerarbeit im Kerngeschäft anfällt. Denn: So gut sie auch geplant ist, so wird die Kaffeefahrt der Reimanns doch nicht ganz reibungslos ins Ziel laufen. „Es bleibt noch eine Weile hoch riskant“, glaubt Ali Dibadj, Konsumgüteranalyst bei Sanford C. Bernstein & CO in New York. Wie sehr, erlebte JAB bei seinem größten Zukauf Keurig. Kurz nachdem die Reimann-Holding den US-Kapselkönig zu einem Aufpreis von fast 80 Prozent auf den Börsenkurs übernommen hatte, musste sie mit dem neuen Chef Robert Gamgort nicht nur sofort einen Sanierer engagieren. Sie kippte auch gleich Keurigs wichtigstes Zukunftsgeschäft: die Kold-Kapselmaschine für Cola oder Limonade, die sich nach einem aufwendigen Start als Ladenhüter entpuppte. Das wird nicht die letzte harte Entscheidung bleiben.

Die wichtigsten Marken des Reimann-Reiches

Auch bei der Qualität des Keurig-Kaffees müssen die Reimanns nachlegen. Denn während der Rest des US-Kapselmarktes im vorigen Jahr zweistellig wuchs, sackte der Keurig-Umsatz nach unten. „Der Kaffee schmeckt einfach noch nicht besonders“, kommentierte „Bloomberg-News“-Moderator Jeff McCracken.

Das zweite Risiko ist die wachsende Konkurrenz. Die spürt JAB bereits beim Einkauf. In diesem Jahr droht ein Engpass bei hochwertigen Arabica-Bohnen aus Brasilien. Die Grundlage aller Premiumkaffees kostet bereits 22 Prozent mehr als im Januar. Laut Insidern beliefern Brasiliens dominierende Kaffeedynastien in Zeiten der Knappheit bevorzugt traditionelle Stammkunden wie die Hamburger Neumann Gruppe, den weltgrößten Kaffeehändler, statt Neulingen.

Coca-Cola mischt mit

Aber auch im Endverkauf wächst der Gegenwind. Der wohl gefährlichste Gegner ist ebenfalls recht neu im Geschäft: Coca-Cola. Der weltgrößte Limonadenhersteller hat sein Geschäft um Premiumkaffee erweitert und startet zum Start von Olympia in Brasilien eine Werbeoffensive. Dazu drängen auch immer mehr Anbieter vom besonders lukrativen oberen Teil des Premiumgeschäfts in die breite Masse. Das sind zwar oft kleinteilige, eher lokal verwurzelte Anbieter. In ihrer Summe aber entfalten sie eine gewisse Wucht, wie etwa der Düsseldorfer Martin Schäfer mit seinem guten Dutzend Woyton-Häusern, die er seit 1998 in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen betreibt. „Leuten wie ihm verdankt es bereits Starbucks, dass es in Deutschland nie richtig Fuß fassen konnte“, sagt ein führender Kaffeemanager.

"Kaffeekapseln sind absurd"

Noch gefährlicher könnten Ketten prominenter Geldgeber werden. Google Ventures und die Investmentbank Morgan Stanley stützten Blue Bottle aus dem kalifornischen Oakland mit fast 100 Millionen Dollar, und Twitter-Gründer Jack Dorsey ist bei Sightglass aus San Francisco aktiv. Sie alle wollen von der wachsenden Wertschätzung für Kaffee profitieren. Wie Craft-Beer aus Mikrobrauereien suchen Kenner auch Single-Origin-Arabicas, von denen der Barrista weiß, von welcher Plantage die Bohnen stammen, unter welchen Bedingungen sie wachsen und wer sie erntete.

Analyse, Schnelligkeit und Geld

Trotz aller Widerstände bleibt etwa Analyst Dibadj optimistisch. „Wenn einer den weltweit wachsenden Kaffeedurst zu Geld machen kann, dann die“, beschreibt er seine Treffen mit Harf und Kollegen. „Und was ihnen an Branchenerfahrung fehlt, machen sie mehr als wett durch Analyse, Schnelligkeit und Geld.“

So nimmt denn auch Harf Widerstände und Wettbewerb eher leicht. „Unsere Landgewinnung ist erst mal vorbei. Wir haben genug zu tun, unsere Geschäftsfelder zu verbessern und unseren Partnern das Geld zurückzuzahlen“, sagt Harf. „Aber wenn ein neues Stück Land kommt, schauen wir uns das an.“

Dazu bietet der wachsende Wettbewerb immerhin eine Chance: Je mehr Kaffeeanbieter es gibt, umso leichter findet Harf neue Übernahmekandidaten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%