Die Banken haben offenbar eine der letzten Hürden für die Fusion von Karstadt und Kaufhof beseitigt. Der Fusionsvertrag zwischen dem Karstadt-Eigentümer, der österreichischen Signa-Gruppe von René Benko, und der Kaufhof-Mutter, der kanadische Hudson's Bay Company (HBC), soll demnach bis zum 15. September unterzeichnet werden. Wir haben mit Handelsexperte Jörg Funder über die Hintergründe des Zusammenschlusses und die Folgen für Mitarbeiter, Innenstädte und Wettbewerber gesprochen.
Herr Funder, was bringt der Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt?
Eine Fusion bringt in erster Linie Kosteneinsparungen. Die Unternehmen brauchen nicht mehr zwei Zentralen, sie können Einkauf, Logistik und IT bündeln. All das spart viel Geld ein. Daneben gibt es aber noch einen weiteren Punkt, der eine Rolle spielen dürfte.
Und der wäre?
Der bisherige Eigentümer von Kaufhof, der kanadische Handelskonzern HBC, kämpft mit erheblichen Problemen. Auf dem nordamerikanischen Heimatmarkt leiden Warenhäuser, wie HBC sie betreibt, noch stärker unter der Onlinekonkurrenz als hierzulande. Und in Deutschland scheint sich HBC mit der Übernahme von Kaufhof vor drei Jahren gründlich verschätzt zu haben. Die Kanadier sind vermutlich froh, dass sie jetzt mit einem blauen Auge aus ihrem Engagement herauskommen und die operative Verantwortung abgeben können. Die Übernahme von Kaufhof im Jahr 2015 scheint primär ein Immobiliengeschäft für HBC gewesen zu sein.
Wer steht derzeit besser da, Kaufhof oder Karstadt?
Karstadt hat in den vergangenen Jahren viele Sanierungsschritte gemacht, die Kaufhof noch vor sich hat. Hinzu kommt, dass sich unter HBC-Flagge in den Kaufhäusern nicht viel getan hat. Das Unternehmen war zwar mit sich selbst befasst, mit häufigen Personalwechseln und allerlei neuen Konzepten. Aber am Ende wurden dabei die Kunden aus dem Blick verloren. Insofern sehe ich Karstadt derzeit in besserer Verfassung.
Dabei galt Karstadt lange Zeit als Sanierungsfall und Kaufhof als Ertragsbringer. Gab es einen Rollentausch?
Karstadt hat sich zwar etwas berappelt, um zu beurteilen, ob das Unternehmen aber wirklich nachhaltig die Kurve bekommen hat und es gelingt dauerhaft Gewinne in angemessener Höhe zu schreiben, ist es noch zu früh. Kaufhof hat sich in den vergangenen Jahren eher negativ entwickelt. Fest steht: beide Unternehmen sind weit entfernt vom Glanz früherer Jahre und auf die zentrale Bedrohung ihres Geschäftsmodells durch den Online-Handel haben beide noch keine schlüssige Antwort gefunden.
Der eigentliche Konkurrent heißt Amazon?
Amazon, Zalando, Otto - es gibt viele Onlineplayer, die im Warenhausrevier wildern. Weder Kaufhof noch Karstadt haben es bisher nicht geschafft, ihre physische Präsenz in den Innenstädten zu nutzen, um den Netzangreifern Paroli zu bieten. Dafür brauchen sie andere Sortimente, müssen für die Kunden Erlebnisse beim Einkauf schaffen, mit gastronomischen und Service-Angeboten glänzen und ihre eigenen Online-Shops enger mit den Filialen verzahnen. Nur dann haben sie auf Dauer eine Chance.
Was sind die drängendsten Aufgaben nach der Fusion?
Zunächst geht es um ganz praktische Themen. Die Warenwirtschaftssysteme müssen aufeinander abgestimmt werden. Auch Einkauf und Logistik müssen harmonisiert werden, damit der Geschäftsbetrieb reibungslos weiter geht. Danach kommen die komplexen, langfristigeren Themen, die aber nicht minder wichtig sind. Zum einen müssen die Mitarbeiter mitgenommen und motiviert werden. Wenn zwei Unternehmen zusammen gehen, die mehr als 100 Jahre lang erbitterte Konkurrenten waren, geht es nicht ohne Reibungsverluste. Aber auf Dauer muss es gelingen, aus den zwei Teams eine Mannschaft zu formen, die nicht gegen- sondern miteinander arbeitet. Genauso wichtig ist die Frage der Standorte.
Die Unternehmen hatten bisher immer betont, dass es bei einer Fusion nur wenige Schließungen geben würde.
Das mag kurzfristig stimmen, schon weil es sehr teuer ist, vorzeitig aus Mietverträgen auszusteigen. Langfristig führt aus unserer Sicht aber kein Weg an einer deutlichen Bereinigung des Warenhausbestands vorbei. Es gibt schlicht zu viele Filialen von Kaufhof und Karstadt in Deutschland. Auf Dauer gehen wir davon aus, dass für 70 bis 80 eine dauerhafte Chance besteht, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten. Für „Wald- und Wiesenwarenhäuser“ in Klein- und Mittelstädten sehe ich nur am Ende nur geringe Überlebenschancen. Vielerorts hat sich das klassische, zentral geführte Warenhausformat schlicht überlebt.
Karstadt-Chef Stephan Fanderl soll das fusionierte Unternehmen führen. Ist er der richtige Mann für den Job?
Stephan Fanderl hat bewiesen, dass er auch vor der Kärrnerarbeit nicht zurückschreckt und mit den begrenzten Bordmitteln von Karstadt, hat er vergleichsweise viel erreicht. Er ist operativ wie konzeptionell sehr gut aufgestellt, kennt den Handel aus dem Effeff und hat auch in Sachen Digitalisierung kluge Ideen. Kurzum: Für eine solche Aufgabe finden Sie kaum einen besseren Manager.
Jörg Funder ist seit 2008 Professor für Unternehmensführung im Handel und geschäftsführender Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagements (IIHD) an der Hochschule Worms.