Lebensmittelpreise „Die Lebensmittelindustrie denkt immer weniger an den Endkunden“

Ein Kunde geht in einem Rewe-Supermarkt mit einem Einkaufskorb am Kühlregal entlang. Quelle: dpa

Einige Lebensmittel sind spürbar billiger geworden. Auch Markenhersteller halten sich mit Forderungen nach höheren Preisen inzwischen zurück, sagt Rewe-Chef Lionel Souque. Ebbt die Inflation im Supermarkt bald ab?

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Ist das die Wende? Seit mehr als zwei Jahren kennen die Lebensmittelpreise nur eine Richtung: nach oben. Doch nun scheint der Inflationsdruck im Lebensmittelhandel etwas abzuflauen. Die großen Supermarktketten senkten zuletzt ihre Preise für Milch, Käse, Sahne und Joghurt. Auch tiefgekühlter Fisch ist jüngst wieder billiger geworden. „Die Lage beruhigt sich seit einigen Wochen“, bestätigt Lionel Souque, Vorstandschef der Rewe Group, im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Weil  die Inflation etwas nachlässt, nehmen die Forderungen nach Preiserhöhungen ab“, so Souque. 

„Allerdings senkt auch kaum ein Hersteller seine Preise – selbst wenn die Rohwarenkosten eindeutig fallen“, sagt Souque und fügt hinzu: „Das geht so nicht – da braucht es noch „Erziehung“. Vielen Markenherstellern gehe es hervorragend. „Man würde erwarten, dass sie Kostensenkungen weitergeben. Doch das ist nicht der Fall“, sagt Souque. 

Tatsächlich hatten Konsumgüterhersteller in den vergangenen Monaten oft auf gestiegene Rohstoff- und Energiekosten verwiesen, um Preiserhöhungen gegenüber dem Handel zu begründen. In der Folge krachte es regelmäßig zwischen Lieferanten und ihren Abnehmern, mehrfach kam es zu Auslistungen oder Lieferstopps. Mal fehlten Cornflakes von Kellogg's bei Rewe, mal Süßigkeiten und Tiernahrung des US-Herstellers Mars. Pampers-Produzent Procter & Gamble legte sich mit Edeka und Rossmann an. Und zwischen Edeka und Coca-Cola flogen sogar vor Gericht die Fetzen, nachdem sich der Getränkeriese weigerte, Deutschlands größten Lebensmittelhändler weiter zu den vereinbarten Konditionen zu beliefern. Irgendwann einigten sich die Kontrahenten – wie so oft. 

von Henryk Hielscher, Hendrik Varnholt

Hersteller surfen auf der Inflationswelle 

Jahr für Jahr verhandeln große Ketten wie Edeka, Rewe, Aldi und Lidl erbittert mit Lieferanten um Preise und Konditionen. Bei den Preisverhandlungen im deutschen Lebensmittelhandel wird schon immer mit harten Bandagen gekämpft. „Die Gespräche waren auch früher sportlich, im Grunde ging es da aber nur um ein, zwei Prozent“, sagt Souque. Heute sei das ganz anders: „Auf einmal wollen manche Lieferanten 30 Prozent mehr.“ Daher ist sich der Rewe-Chef sicher: „Hätten wir und andere Lebensmittelhändler nicht so hart verhandelt, wären die Lebensmittelpreise in den vergangenen Monaten doppelt so stark gestiegen.“ Einigen Herstellern sei es auch schlicht darum gegangen, „aus der Inflationswelle Profit zu schlagen“, so Souque. 



So hätten Lieferanten aus den gleichen Produktbereichen oft völlig unterschiedliche Preiserhöhungen durchsetzen wollen. „Wenn in derselben Kategorie aber ein Lieferant um zehn Prozent und ein anderer um 30 Prozent erhöhen will, ist das schwer zu verstehen“, sagt Souque. „Offenbar haben einige internationale Konsumgüterkonzerne das Gefühl, in Deutschland nicht genug Rendite zu machen.“ Doch deren Gewinnstreben dürfe nicht auf dem Rücken der Verbraucher geschehen. „Es gibt eine Grenze. Die Kunden machen irgendwann nicht mehr mit.“ Sein Fazit: „Die Lebensmittelindustrie denkt immer weniger an den Endkunden.“ Der soll bei Rewe dagegen im Mittelpunkt stehen. 

Selbstscan-Kassen in 1000 Rewe-Märkten

Nicht nur die Preise sind für Souque daher ein Thema, sondern auch der Service in den Supermärkten und die Wartezeiten an den Kassen. Um die künftig zu reduzieren, setzt Rewe auf Technik. „Wir haben aktuell schon 670 Rewe-Märkte in Deutschland, in denen es Selbstscan-Kassen gibt. Bis Ende des Jahres werden es rund 1000 Märkte sein“, kündigte Souque an. In Deutschland würden SB-Kassen allerdings „noch nicht so gut angenommen wie in Holland, Belgien oder England“, wo solche Systeme Standard seien. „In den Märkten, in denen wir die Technik einsetzen, wird derzeit nur ein kleiner zweistelliger Umsatzanteil über die SB-Kassen abgerechnet.“ Mit der Zeit werde sich das aber ändern, hofft Souque. 

Optimistisch zeigt sich der Rewe-Chef auch im Zusammenhang mit der Abschaffung von Prospekten. Seit Anfang Juli verzichtet das Unternehmen auf Papierwerbung mit Sonderangeboten und Aktionen. Mit dem Abschied vom Handzettel spare das Unternehmen nach eigenen Angaben jährlich mehr als 73.000 Tonnen Papier und 70.000 Tonnen CO2 ein.

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„Am Anfang werden vielleicht ein paar Kunden weniger bei uns einkaufen“, sagte Souque im Interview mit der WirtschaftsWoche. „Gut möglich, dass wir kurzfristig in einzelnen Märkten etwas Umsatz verlieren. Langfristig wird sich das einspielen.“ Ihn erinnere die Diskussion an die Abschaffung der Plastiktüten vor einigen Jahren. „Der Schritt war genauso umstritten“, so Souque. Trotzdem habe Rewe als erster großer Händler darauf verzichtet. „Ein Jahr später haben alle anderen nachgezogen, und irgendwann kam auch ein Gesetz“, so Souque. „Bei den Prospekten könnte es nun ähnlich laufen.“

Lesen Sie hier das komplette Interview: Rewe-Chef Lionel Souque erklärt, wie er von der Industrie niedrigere Preise erzwingen will.

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