Pinduoduo Doppelherz und fränkische Pralinen für Chinas Schnäppchenjäger

Temu-Schriftzug auf einem Smartphone Quelle: REUTERS

Über den chinesischen Shop des Pinduoduo-Konzerns verkaufen auch zahlreiche deutsche Mittelständler ihre Produkte. Trotzdem stößt die deutsche PDD-Tochter Temu bei Markenherstellern auf Skepsis.

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Für Jan Bechler ist die Sache klar: Als „Mischung aus Ein-Euro-Shop und Candy-Crush“, beschreibt er die App der chinesischen Schnäppchenschleuder Temu. Bechler ist Gründer und Geschäftsführer der E-Commerce-Agentur Front Row, berät Unternehmen wie Unilever und Bosch bei ihren Aktivitäten auf Online-Marktplätzen. Auch bei Temu habe er versucht, sich als Händler zu registrieren, nachdem es Anfang des Jahres hieß, die Chinesen würden ihre Plattform auch für westliche Anbieter öffnen.

Doch bislang scheiterten Bechlers Versuche: Konkrete Informationen zu Vertragsbedingungen und Konditionen suchte er vergeblich, auf E-Mails habe er „bis heute keine Rückmeldung erhalten“, berichtet der E-Commerce-Experte. Seine Skepsis, dass sich Temu als Vertriebskanal für westliche Marken eignet, hat sich dadurch noch verstärkt. „Marken verlieren allein durch die Präsenz dort an Wert“, sagt er. Zu groß sei die Gefahr als Ramschanbieter wahrgenommen zu werden. Zu viel Kritik gebe es am Geschäftsmodell des Billigheimers, an mangelnder Produktqualität und langen Lieferzeiten. „Das muss man sich als Markenhersteller nicht antun“, konstatiert Bechler.

Aktionsangebote von Doppelherz 

In China ist die Lage anders. Dort kooperieren bereits etliche westliche Marken mit der Temu-Mutter Pinduoduo (PDD), darunter auch einige deutsche Mittelständler. Vor einem magentafarbenem Hintergrund präsentiert etwa der hessische Kosmetikproduzent Cosnova Lidschatten, Lipgloss und Make-up seiner Marke Essence im chinesischen PDD-Shop. Und der Flensburger Doppelherz-Hersteller Queisser Pharma verkauft dort allerlei Gesundheitskapseln. Allerdings sei das Geschäft über Konkurrenzplattformen wie Alibabas Tmall oder bei JD.com weitaus wichtiger, sagt der für den Export zuständige Queisser-Manager Axel Jürgensen. PDD eigene sich hingegen gut für Aktionsangebote und als Abverkaufskanal, um größere Lagerbestände rasch loszuschlagen. In Deutschland sei aber keine Kooperation mit Temu geplant.

von Tobias Gürtler, Henryk Hielscher, Rüdiger Kiani-Kreß, Stephan Knieps, Jörn Petring, Christian Ramthun, Cordula Tutt

Schon seit Jahren ist auch die Confiserie Burg Lauenstein im chinesischen Onlinehandel aktiv. Auch für das fränkische Unternehmen sind dabei Premium-Plattformen wie Tmall erste Wahl. In den letzten zwei Jahren habe sich Pinduoduo aber „zu einer der größten Verkaufsplattform in China entwickelt und hat mittlerweile sogar Tmall überholt“, sagt Maximilian Kaub, der Geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens. „Insofern nutzen wir diese Plattform sehr intensiv, als zusätzlichen Verkaufskanal und um jüngere Zielgruppen zu erreichen.“

Der Unterschied zu anderen Onlinemarktplätzen: Bei Pinduoduo würden potenzielle Käufer eines Produkts „animiert, weitere Käufer zu finden, um Rabatte zu erhalten“, erklärt Kaub. „Noch vor zwei Jahren war Pinduoduo als 'Billig-Plattform' verschrienen“. Käufer mussten zudem warten, bis mehrere Kunden einen Artikel gekauft hatten, bevor alle einen günstigeren Preis erhalten haben. Das habe viele Kunden abgeschreckt, so Kaub.  

Doch inzwischen habe sich einiges getan. Nach Corona habe sich die wirtschaftliche Entwicklung in China merklich abgekühlt, sagt Kaub. Viele Konsumenten, vor allem die Jüngeren, seien heute preisbewusster und deshalb „erleben eher Rabatt- und Preis-getriebene Plattformen wie Pinduoduo einen deutlichen Aufschwung“, sagt Kaub. Zudem habe Pinduoduo eine zusätzliche Möglichkeit eingeführt, um ohne Wartezeit günstige Artikel zu erwerben.

Die Confiserie Burg Lauenstein nutzt PDD vor allem, um Pralinen zu verkaufen, die wegen strikter Regeln zum Mindesthaltbarkeitsdatum in China sonst aus dem Verkehr gezogen werden müssten. oder auch um spezielle Aktionsartikel zu einem reduzierten Preis anzubieten. Pinduoduos deutscher Ableger Temu sei dagegen vorerst keine Option für den Markenhersteller.

Wann startet Tiktok Shop in Deutschland?

Deutlich mehr Chancen räumen Experten hierzulande aber einem anderen Angreifer aus Asien ein: Tiktok Shop, der E-Commerce-Ableger der Kurzvideo-Plattform Tiktok, dürfte noch in diesem Jahr in Europa starten. Jüngst fahndete das Unternehmen bereits in Jobportalen und beim Berufsnetzwerk LinkedIn nach einem „Country Manager“ für Tiktok Commerce mit Sitz in München. Gesucht werden auch Verantwortliche für bestimmte Warenkategorien, wie Beauty-Produkte, Haus-und-Garten-Artikel oder den Fashion-Bereich.

„Mit Millionen von treuen Nutzern weltweit glauben wir, dass Tiktok eine ideale Plattform ist, um unseren Nutzern ein brandneues und besseres Handelserlebnis zu bieten“, heißt es in den Stellenangeboten. „Gemeinsam können wir ein E-Commerce-Ökosystem aufbauen, das innovativ, sicher und intuitiv für unsere Nutzer ist.“

In den USA, wo Tiktok Shop im vergangenen Jahr gestartet ist, funktioniere das bereits hervorragend, berichtet Berater Bechler: „Fast jede Marke will da jetzt vertreten sein.“ Und auch in China setzen Queisser Pharma und Burg Lauenstein bereits auf das Tiktok-Pendant Douyin.

Das Konzept klingt dabei wie eine Mischung aus Teleshopping und Online-Marktplatz. Influencer können in ihren Tiktok-Livestreams Produkte markieren und die Nutzer können diese direkt innerhalb der App ordern. Für einen solchen Livestream reiste vor ein paar Monaten etwa eigens eine bekannte chinesische Moderatorin nach Flensburg, zum Firmensitz des Doppelherz-Produzenten. Und auch Lauenstein setzt auf sogenannte Key Opinion Leader, also Influencer, um die Marke zu pushen.

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Das Potenzial für Tiktok Shop in Deutschland ist jedenfalls groß: Die Videoplattform hat in Deutschland über 20 Millionen Nutzer, die oft auf die Ratschläge von Influencern vertrauen und sich bei ihren Konsumentscheidungen von Social Media beeinflussen lassen - vor allem Jüngere.

Lesen Sie auch: So läuft die Maschinerie der Billig-Plattform Temu aus China

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