Recht auf Reparatur „Wir können heute schon nicht alles reparieren, was möglich wäre“

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen bald ein Recht auf Reparatur bekommen Quelle: imago images

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen defekte Produkte künftig einfacher reparieren lassen können. Was das für Händler bedeutet, erklärt Verena Dvorak von Euronics.

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WirtschaftsWoche: Frau Dvorak, nach Jahren der Verhandlung kommt nun das EU-Recht auf Reparatur von sogenannter weißer Ware, also von Geräten wie Spülmaschinen und Kühlschränke, aber auch von typischen Alltagsprodukten wie Smartphones. Was bedeutet das für Ihre Händler?
Verena Dvorak: Für diese Frage müssen wir ein größeres Bild betrachten. Grundsätzlich ist es so, dass die Industrie und die Hersteller das sogenannte Problem der letzten Meile, also die Reparatur nach dem Kauf, in vielen Fällen nicht umfassend und vor allem nicht kundenorientiert leisten können. Wenn überhaupt der Werkskundendienst verfügbar ist, dann warten Kundinnen und Kunden teilweise bis zu sechs Wochen auf einen Reparaturtermin. Das ist eine riesige Herausforderung – die aber der Fachhandel mit Reparaturdienstleistungen lösen kann, solche Serviceleistungen gehören auch zu unserer Kernkompetenz. Das heißt, Reparaturen sind nichts Neues für Euronics – wir stärken seit Jahren die Servicekompetenz unserer Mitglieder und bauen diese konsequent aus – sondern werden durch den EU-Beschluss noch bedeutender und rücken dadurch noch mehr in den Fokus unserer Mitgliederbetriebe.

Wird das zu neuen Herausforderungen führen?
Das Thema Ersatzteilverfügbarkeit stellt eine große Herausforderung für uns dar, insbesondere im Niedrigpreissegment ist die Verfügbarkeit und die Lieferzeit schlecht. Oft kann nicht repariert werden, weil Teile verklebt, verschweißt oder einfach nicht austauschbar sind. Außerdem gibt es häufig keinen Zugang zu Reparaturunterlagen. Unabhängig davon ist der Fachkräftemangel ein riesiges Problem.

Wir gehen aber davon aus, dass dieser nun beschlossene zukünftige Rechtsanspruch genau diese Faktoren, also Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Produktdesign, also die Reparierbarkeit, und den Zugang zu Reparaturunterlagen, verbessern wird, weil nun genau da angesetzt wird.

Quelle: EURONICS Deutschland eG

Zur Person

Das Problem des Fachkräftemangels wird dieser Rechtsspruch nicht lösen können...
... dieser Punkt wird jetzt natürlich noch verschärft. Wir können heute schon nicht alles reparieren, was möglich wäre, weil uns die entsprechenden qualifizierten Mitarbeitenden fehlen.

Haben Sie da eine Lösung für?
Wir haben ein Konzept erarbeitet, welches wir „Vom Quereinsteiger zum Kundendiensttechniker“ nennen, mit welchem wir versuchen, eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen, zum Beispiel Auslieferungsfahrer, die mit dieser Weiterbildung zum Servicetechniker ausgebildet werden.

Wie ist es denn für die Kundinnen und Kunden – werden die von diesem Angebot Gebrauch machen? Rechnen Sie jetzt mit einem erhöhten Aufkommen bei Ihrem Reparaturdienst?
Reparaturkosten, die heute anfallen, setzen sich zu einem ganz großen Teil durch Lohn- und Fahrtkosten zusammen, die in Verbindung mit dem EU-Beschluss nicht verändert werden. Ob wir einen großen Ansturm erwarten können, wenn sich etwas an den Ersatzteilpreisen ändert, glaube ich eher nicht. Trotzdem ist grundsätzlich die Nachfrage nach Reparaturen hoch. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher setzen auf Nachhaltigkeit. Das zeigt sich auch in den Zahlen. Bei den Reparaturleistungen ist in den letzten Jahren ein Umsatzplus zu verzeichnen. Wir rechnen damit, dass dieses Plus weiter steigen wird. Kundinnen und Kunden wollen häufig nicht nur ein Gerät kaufen, sondern eine Rundumbetreuung nach dem Kauf haben. Weil Produkte immer vergleichbarer werden und die Auswahl riesig ist, binden unsere Mitgliedsbetriebe ihre Kundinnen und Kunden durch Service- und Reparaturleistungen an sich, und halten so dem starken Wettbewerb stand.

Das klingt als würden Sie die Maßnahme befürworten.
Aus rein ökologischer Hinsicht führt da kein Weg dran vorbei. Die Umweltauswirkungen durch die Herstellung, den Vertrieb und die Entsorgung der Produkte sind immens. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher wird es einfacher werden, ihre Geräte reparieren zu lassen. Wie bereits erwähnt, entsteht aber ein Großteil der Reparaturkosten eben aufgrund der hohen Lohn- und Fahrtkosten. Insofern bleibt es abzuwarten, welchen Effekt die neuen Ersatzteilpreise dann letztendlich in Gänze auf die Höhe der Reparaturkosten haben werden. Dazu kommt die Ökodesignrichtlinie, die besagt, dass Ersatzteile für bestimmte Produktsegmente sieben Jahre lang verfügbar sein müssen. Die Praxis hat in den letzten Jahren aber gezeigt, dass wenn Hersteller keine Ersatzteile haben, sie diese auch nicht besorgen können, und das Gerät am Ende auf ihre Kosten ersetzen, anstatt es zu reparieren. Damit will ich sagen: Es wird nicht einfach ein Schalter umgelegt und auf einmal können wir jede Waschmaschine reparieren. Die Umsetzbarkeit wird nicht kurzfristig leistbar sein. Es gibt zahlreiche Herausforderungen.

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Wie lange wird es dauern, bis Verbraucherinnen und Verbraucher den Effekt dieses neuen Rechts spüren?
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass einige Zeit ins Land gehen wird, bis die Auswirkungen des neuen Gesetzes bei der Entwicklung und Produktion der Geräte auch beim Endkunden ankommt. Letztendlich geht es um eine praxistaugliche Umsetzung des Gesetzes für alle Beteiligten, was ganz besonders auch die Sicherheit der Verbraucher beim Reparaturprozess bedingt.

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