Süßigkeiten Warum nicht nur die Tafel Schokolade bald teurer wird

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Schokoladenhersteller zahlen für Kakao weit mehr als doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. Auch im Supermarkt steigen deshalb die Preise. Warum Süßwarenproduzenten befürchten, dass Schokolade zur Mangelware wird.

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In Halle zehn der Kölner Messe riecht es Ende Januar nach frischen Waffeln. Es verteilt dort jemand in einem Maskottchen-Kostüm Fruchtgummi, und wer möchte, kann sich an ausgelegten Pralinen einen Zuckerschock herbeiessen. Man fühlte sich auf der Internationalen Süßwarenmesse an die fantastische Welt des Schokoladenfabrikanten Willy Wonka erinnert – wären da nicht die angestrengten Gesichter: Die Süßwarenhersteller zahlen für viele Rohstoffe, zum Beispiel Kakao, weit mehr als vor kurzem.

Seit der Messe ist der Kakaopreis noch weiter gestiegen. Viele Süßwarenhersteller warnen deshalb immer lauter: Wenn die Kosten weiter steigen und die Bürokratie noch mehr zunimmt, bleibt nicht viel übrig vom deutschen Mittelstand im Süßigkeitengeschäft.

Richard Müller zum Beispiel kommt schon auf der Süßwarenmesse kaum dazu, über das Eiskonfekt und die Schoko-Reis-Riegel zu sprechen, die die Regale seines Messestands füllen. „Der Kakaopreis ist irrsinnig hoch, und er steigt auf ständig neue Allzeithochs“, sagt er. Müller führt mit 34 Jahren in dritter Generation den Schokoladenhersteller Wawi, einen Champion in seiner Nische, mit 1000 Mitarbeitern und mit sechs Werken in Deutschland, China und Rumänien. Die bekannteste Marke des Unternehmens, Nappo, steht auf rautenförmigen Nougat-Tafeln. Vor allem aber stellt Wawi Produkte her, die Händler unter Eigenmarken anbieten, riesige Mengen Schokoladenweihnachtsmänner zum Beispiel.

Müllers Produkte sind gemacht, um Freude zu bereiten. Dem Wawi-Chef selbst aber bereiten sie gerade mehr Sorgen als üblich: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als in den Gesprächen mit dem Handel auf Preiserhöhungen zu bestehen“, sagt er. Auch die Ausgaben für Zucker und Milchpulver seien gestiegen: „Unsere Kosten für Milchschokolade haben sich in Summe im Vergleich zur Zeit vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs ungefähr verdoppelt.“



Zu viel Regen, kranke Bäume

Selbst Deutschlands wohl erfahrenster Süßwarenfabrikant Hermann Bühlbecker, Inhaber des Aachener Printen-, Lebkuchen- und Stollenherstellers Lambertz, ist alarmiert: „So eine Entwicklung habe ich noch nicht erlebt“, sagt der 73-Jährige. An den Warenterminbörsen kostet Kakao Ende Februar etwa 150 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und es sei nicht zu erwarten, dass der Kakaopreis in absehbarer Zeit sinke, sagt Bühlbecker.

Der Unternehmer ist auch Honorarkonsul der Elfenbeinküste. Er berichtet, in den Häfen des wichtigsten Kakaoanbaulandes komme derzeit kaum Ware an, die verschifft werden könne. Zunächst hätten Spekulationen den Kakaopreis steigen lassen, nun spielten schlechte Ernten in Westafrika eine Rolle. Die Internationale Kakaoorganisation ICCO berichtet denn auch von Überflutungen und davon, dass im Moment außergewöhnlich viele Kakaobäume mit Schwarzfäule befallen seien – einer Krankheit, die Kakaofrüchte dunkel färbt und die darin enthaltenen Kakaobohnen austrocknet.

Das wird Folgen haben am Supermarktregal: Ende dieses Jahres werde wohl keine 100-Gramm-Markenschokolade mehr für weniger als einen Euro zu bekommen sein, sagt ein Manager eines Branchenriesen im Schokoladengeschäft. Konkurrenten stimmen dem zu. Damit dürfte sich Schokolade weit mehr verteuern als andere Lebensmittel - und das, obwohl die Preise schon in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen sind: Etwa Tafelschokolade ist zwar noch immer ständig irgendwo im Sonderangebot, die sogenannten Aktionspreise liegen heute aber in der Regel bei rund 80 Cent für eine 100-Gramm-Tafel. Noch vor kurzem standen Milka- oder Ritter-Sport-Tafeln oft für weniger als 60 Cent auf den Angebotszetteln.

Schokoladenmangel droht

„Die Endkundenpreise macht der Handel. Es würde mich aber nicht wundern, wenn Verbraucher in diesem Jahr noch einmal mehr für Schokolade und andere Süßwaren zahlen müssen“, prognostiziert auch Bühlbecker. Daran dürfte auch die enorme Marktmacht der deutschen Lebensmittelhändler ausnahmsweise nichts ändern. Die Handelsgruppen – Edeka, Rewe, Aldi und der Lidl-Konzern Schwarz – wehren sich üblicherweise mit allen Mitteln gegen jeden Cent Preissteigerung: Ihre Einkäufer werden schon mal cholerisch, wenn ihnen die Preisforderung eines Herstellers nicht passt – und sie kommen damit oft durch, weil es sich viele Produzenten nicht leisten können, auf einen der vier Händler als Abnehmer zu verzichten.

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Die jüngsten Kostensteigerungen sind aber offenbar so hoch, dass Nachgeben nicht infrage kommt. Zumal vielen Produzenten nichts anderes übrig bleiben dürfte, als zur Zeit des Allzeitpreishochs Rohware einzukaufen. „Weil viele Hersteller auf sinkende Preise gehofft hatten, sind sie kaum mit Schokolade eingedeckt“, sagt Bühlbecker. Auch Wawi-Chef Müller will hart bleiben: „Wir liefern lieber weniger, als dass wir unsere Kosten nicht decken können.“ 

„Der Handel gibt sich öffentlich als Lordsiegelbewahrer der Preisstabilität, er wird aber die Realität anerkennen müssen“, sagt Karl-Heinz Johnen, der Chef des Süßwarenherstellers Zentis. Denn es drohe sogar ein Schokoladenmangel: „Ändert sich nichts an der Lage, wird die auf dem Weltmarkt vorhandene Ware die Nachfrage nicht decken können.“

Existenzielle Herausforderungen

Süßigkeiten sind ein deutscher Exportschlager. 54 Prozent der hierzulande produzierten Süßwaren gingen im vergangenen Jahr ins Ausland. Und die Branche wächst: Ihre rund 50.000 Beschäftigten stellten 2023 4,27 Millionen Tonnen Snacks – dazu gehören auch salzige „Knabberartikel“ – her, zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Die meist mittelständischen Unternehmen des Wirtschaftszweigs sehen sich trotzdem unter Druck – und zwar nicht nur durch steigende Rohwarenkosten: „Im europäischen Vergleich haben wir die höchsten Steuern und Abgaben, die höchsten Löhne und leider auch eine marode Infrastruktur“, schimpfte jüngst Katjes-Mitinhaber Bastian Fassin in seiner Rolle als Vorsitzender des Süßwarenverbands BDSI. Die Bundesregierung und die EU müssten sich um die „existenziellen Herausforderungen“ kümmern, statt den Unternehmen „immer noch mehr Bürokratie aufzuhalsen“.

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Auch andere Unternehmer der Süßwarenbranche sehen sich über Gebühr gegängelt: Zum Beispiel das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Unternehmen dazu anhält, ihre Lieferanten auf Menschenrechtsverletzungen zu prüfen, oder die EU-Verordnung gegen Entwaldung stellten mittelständische Unternehmen „vor kaum lösbare Schwierigkeiten“, sagt Wawi-Chef Müller. „Das droht in der deutschen Süßwarenbranche die Konsolidierung anzutreiben.“ Auch Bühlbecker befürchtet, „dass die Branche kleiner wird“: dass einige der mehr als 200 deutschen Süßwarenhersteller in Fusionen aufgehen, übernommen werden oder anders vom Markt verschwinden.


Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 01. Februar 2024 bei der WirtschaftsWoche. Wir haben ihn aktualisiert und zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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