Vertical Farming Wenn Künstliche Intelligenz auf dem Teller landet

vertical farming Quelle: Bloomberg

Vertical Farming verspricht ganzjährige Ernte von Kräutern, Obst und Gemüse. Die Wissenschaft sieht großes Potenzial. In der Praxis zeigen sich jedoch Probleme.

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Die Landwirtschaft der Zukunft steht vor enormen Herausforderungen. Schätzungen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass im Jahr 2060 mehr als zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten leben, die versorgt werden müssen. Durch Monokulturen, Einsatz von Chemikalien, Überweidung und Versiegelung geht weltweit immer mehr fruchtbarer Boden verloren. Gleichzeitig gefährden Extremwettereignisse wie Dürre und Überflutungen zunehmend die Ernte.

Ein Lösungsansatz: sogenanntes Vertical Farming. Die Anbaumethode, bei der Pflanzen in Innenräumen und auf meterhohen Regalen kultiviert werden, könne eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Trilemmas von Ernährung, Ressourcen und Umwelt zu spielen, sagt Mohieddine Jelali, Direktor des Instituts für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik an der Technischen Hochschule Köln.

Doch was genau ist Vertical Farming? Wie fortgeschritten ist die Forschung in dem Bereich – und wo steht die Branche aktuell? Ein Überblick. 

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Was ist Vertical Farming?

Vertical Farming ist eine moderne Form der Landwirtschaft. Anders als beim herkömmlichen Anbau wachsen die Sprösslinge nicht aus der Erde, sondern gedeihen in Innenräumen in einer wässrigen, nährstoffreichen Lösung, einem sogenannten hydroponischen System.

Die Anbaumethode benötigt keinen Dünger, verzichtet auf Pestizide und ist unabhängig vom Wetter. Dabei sehen Experten ihr Potenzial vor allem in urbanen Umgebungen: Wo wenig Platz auf einen hohen Bedarf an Lebensmitteln trifft, eignen sich laut der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) mehrlagige, vertikal angeordnete Kultursysteme gut zur Versorgung der Bevölkerung.

Vertical Farming: Ein Wachstumsmarkt mit Hürden

Die potenziellen Vorteile könnten einen blühenden Markt in Aussicht stellen. Prognosen schätzen das weltweite Marktvolumen der Anbaumethode zum Jahr 2030 auf knapp 24 Milliarden US-Dollar. Bis dahin beträgt laut Statista die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der vertikalen Landwirtschaft in Deutschland 13,9 Prozent. Das ist vergleichbar mit Kanada und Japan, liegt allerdings deutlich hinter dem Potenzial in China.

Denn in der Volksrepublik gibt es einen entscheidenden Vorteil: günstige Energie. Dass diese für das Geschäftsmodell entscheidend ist, zeigt das Beispiel Infarm. Die Firma aus Berlin war 2021 das erste deutsche sogenannte Foodtech-Start-up, das den Einhornstatus erreichte und mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wurde. Inzwischen ist der Vertical-Farming-Pionier aus Deutschland insolvent. Zu hoch waren die Investitions- und Energiekosten, hieß es von mehreren mit der Angelegenheit vertrauten Personen.

Hoher Energieverbrauch ist das zentrale Problem der Branche

Eigentlich soll Vertical Farming die Umweltbelastung der Landwirtschaft reduzieren und CO2 künftig einsparen. Doch Licht, Heizung und Kühlsysteme der Farmen haben bislang noch einen hohen Energieverbrauch.

Rund 650 Kilowattstunden (kWh) verbrauche die Produktion von nur einem Kilogramm Weizen in einer Indoor-Anlage, erklärte der Agrarwissenschaftler Senthold Asseng von der TU München auf einer Forschungsveranstaltung der Körber Stiftung Anfang des Jahres. Zum Vergleich: In Deutschland verbrauchen zwei zusammenlebende Menschen laut des Portals Stromspiegel.de im gesamten Jahr durchschnittlich 2000 kWh Strom in einem Mehrfamilienhaus.

Ohnehin würden sich Weizen und komplexe Pflanzen gegenwärtig noch nicht für das Konzept des Vertical Farming eignen, gibt Jelali von der TH Köln zu bedenken. Vielmehr plädiert der Forscher für eine hybride Landwirtschaft, wo Indoor-Farmen den konventionellen Anbau ergänzen – und nicht ersetzen. „Bei Grundnahrungsmitteln wie Weizen gehe ich davon aus, dass wir die erstmal auf den Feldern wachsen lassen.“

Der Anbau von Obst und Fruchtgemüse lohnt sich für vertikale Farmen in der Regel mehr. So haben Kopfsalat oder Erdbeeren einen deutlich höheren Preis auf dem Weltmarkt als Weizen. Zudem entsteht bei der Ernte von Weizen viel Biomasse, die verarbeitet werden muss. 

Künstliche Intelligenz soll die Energieeffizienz von Vertical Farming steigern

Jelali zufolge gebe es durchaus Konzepte und Ideen, Sonnenlicht und künstliche Beleuchtung zu kombinieren, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Eine großflächige Umsetzung in der Praxis sieht der Wissenschaftler allerdings noch nicht.

Vielmehr konzentriert sich die Forschung auf effizientere und KI-gesteuerte Beleuchtungssysteme, die sich an der Photosynthese der Pflanze orientieren. So haben beispielsweise Erdbeeren, Chilis oder Vanille verschiedene Wachstumszyklen, an die sich die Beleuchtung individuell anpassen muss. So gibt es Überlegungen, die Lichtzufuhr für einzelne Pflanzen für Millisekunden zu unterbrechen. Jelali zufolge hätten Versuche und Simulationen bereits gezeigt, dass sich dadurch 20 bis 30 Prozent Energie einsparen lässt.

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