Warenhauskette Darum hatte Galeria Karstadt Kaufhof nie eine faire Chance

Galeria-Logo Quelle: dpa Picture-Alliance

Galeria hat am Dienstag zum dritten Mal in wenigen Jahren Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen sollte trotzdem nicht zerschlagen werden, sondern noch eine Chance bekommen. Ein Kommentar.

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Wenn ein Unternehmen in kurzer Zeit drei Mal Insolvenz anmeldet, kann man das als Beleg dafür werten, dass das Geschäftsmodell der Firma einfach nicht funktioniert. Irgendwann sollte dann auch mal Schluss sein. Das gilt für Galeria vielleicht sogar in besonderem Maße: Mindestens zehn Jahre lang jagte hier ein Restrukturierungsvorhaben das andere. Sparplan folgte auf Sparplan. Immer wieder kamen neue Geschäftsführer mit gut klingenden Ideen, die entweder nicht funktionierten oder erst gar nicht umgesetzt wurden. Es wurden also alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Doch nichts hat funktioniert. Wirklich?

Ich meine: Nein! Trotz vieler Restrukturierungen hat Galeria meines Erachtens nie eine faire Chance erhalten. Das Unternehmen wurde geplündert, von Beratern und unterschiedlichen Investoren, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren, aber kaum das langfristige Wohl des Unternehmens im Blick hatten.

Das fing schon unter Thomas Middelhoff an, der von 2004 bis 2009 den Konzern Arcandor leitete, zu dem der Galeria-Vorläufer Karstadt gehörte. Um kurzfristig Geld reinzuholen, verkaufte Middelhoff viele Filialen der Warenhauskette. Das Drama begann. Die Mieten, die Karstadt künftig zu zahlen hatte, brachen dem Unternehmen das Genick.

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Nach der Insolvenz kam 2010 der Investor Nicolas Berggruen, der noch vor seinem Einstieg die Mieten neu verhandeln ließ. Das war es dann aber auch schon mit den positiven Impulsen in der Ära Berggruen. Während er den Mitarbeitern einen drastischen Sanierungsbeitrag per Gehaltsverzicht abrang, war er selbst stets bemüht, kein Geld in die Kette zu stecken und zog vielmehr noch über Lizenzgebühren Geld aus dem Unternehmen. Mit Andrew Jennings machte Berggruen einen erfahrenen Handelsfachmann zum Karstadt-Chef. Doch der Brite hatte keine Ahnung vom deutschen Markt und den deutschen Konsumgewohnheiten. Eine Fehlentscheidung reihte sich an die nächste. Mit Karstadt ging es steil bergab. Kann das nun als ernsthafter Sanierungsversuch gelten?

Es folgte der Abverkauf. Erst reichte Berggruen Karstadt-Sport und die drei Premiumhäuser, das KaDeWe in Berlin, das Hamburger Alsterhaus und das Oberpollinger in München, an den österreichischen Immobilien-Investor René Benko weiter. Später folgte der Rest von Karstadt.

Galeria wurde geschröpft

Bei Kaufhof lief es nicht viel besser. Der Langzeit-Eigentümer Metro verkaufte die Handelskette, inklusive vieler Immobilien 2015 an den kanadischen Kaufhauskonzern Hudson’s Bay Company (HBC). Die dortigen Manager machten die selben Fehler wie Jennings bei Karstadt. Sie drückten Marken in die Flächen, die zwar in den USA gut liefen, aber die hier kein Mensch kennt. Sie veränderten das Sortiment ohne Rücksicht auf die Nachfrage. Die Bemühungen, Kaufhof nach vorne zu bringen, blieben halbherzig. Warum? Die Kanadier hatten keinerlei Druck. Quasi als Mitgift für Kaufhof hatten sie von Metro viele Immobilien erhalten, die an Kaufhof vermietet waren. Sie drückten Kaufhof erst einmal ganz geschmeidig höhere Mieten auf und vereinbarten gleich fixe Mietsteigerungen für die Zukunft. So wurden die Kaufhäuser auf einen Schlag mehr wert. So konnten sie die Kette, obwohl sie diese herabgewirtschaftet hatten, inklusive der Immobilien einige Jahre später mit Gewinn an Benkos Signa-Gruppe weiterreichen. Möchte irgendjemand behaupten, dass das ein ernsthafter Sanierungsversuch war?

Nun zu Benko. Der besaß nun neben Karstadt auch Kaufhof und formte daraus Galeria, interessierte sich aber im Kern auch nur für die Immobilien. Kurz nachdem er Kaufhof erworben hatte, setzte er den Wert der an Kaufhof vermieteten Häuser hoch und konnte so – zumindest auf dem Papier – einen fetten Gewinn ausweisen. Das Geschäft hatte sich gelohnt, ohne dass sich für Kaufhof etwas gebessert hatte. Als dann im Zuge von Corona bei Galeria das Geschäft komplett wegbrach und Galeria zwei Mal Insolvenz anmeldete, hätte es eigentlich andersherum laufen müssen. Benko hätte den Wert der Häuser herabsetzen müssen. Aber das wurde geschickt umgangen. Während andere Vermieter von Galeria nach den Insolvenzen auf Mieten verzichten mussten, blieben die Mietzahlungen, die Galeria an Signa zu zahlen hatte, schön hoch. Absurd hoch.

So soll Galeria etwa für das Haus in der Frankfurter Innenstadt 25 Prozent des Umsatzes als Miete abdrücken, für das Objekt in der Kölner Hohe Straße sollen es sogar 35 Prozent sein. Wie hätte Galeria unter solchen Bedingungen Gewinn oder gar Rücklagen erwirtschaften sollen? Ebenso blieben Häuser geöffnet, die ein Investor, der nur die Warenhäuser betreibt, aber nicht die zugehörigen Immobilien besitzt, wahrscheinlich längst geschlossen hätte. Galeria wurde im Zuge der Insolvenzen zwar restrukturiert. Im Fokus stand aber nicht das Wohl von Galeria, sondern das Wohl von Benkos Signa-Gruppe. 

Sollte Galerias vorläufiger Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus nun einen mutigen Investor finden, muss die aktuelle Insolvenz nicht das Ende der Warenhauskette sein. Vielmehr kann sich nun eine einmalige Chance ergeben. 

Ich halte es zumindest für möglich, dass es gelingen kann, Galeria langfristig zu stabilisieren. Denn operativ ging es zuletzt ja bergauf. Im Oktober und im November ist der Umsatz, verglichen mit dem Vorjahr, gestiegen. Genauso wie das Ergebnis. Das soll, so sagen es zumindest einige Mitarbeiter, nicht zuletzt mit Olivier Van den Bossche zu tun haben, der Galeria seit dem Sommer lenkt. Während seine Vorgänger das Unternehmen eher aus der Essener Zentrale führten, soll er viel in den Filialen unterwegs sein – mit dem Ergebnis, dass sich die Organisation viel mehr auf die Filialen und damit letztlich die Kunden ausrichtet. Mitarbeiter in den Filialen berichten, dass sie jetzt endlich mehr Einfluss auf das Sortiment hätten, dass sie in den Teams Ideen sammeln und im Zweifelsfall auch in Essen Druck machen, dass diese umgesetzt werden. Das rentiert sich offenbar.

Wie mir Betriebsratschef Jürgen Ettl berichtete, sei es bei früheren Restrukturierungsrunden im Kern auch immer nur um Kosten gegangen. Wenn es schlecht lief, wurde die Zahl der Mitarbeiter reduziert, anstatt zu überlegen, ob punktuell nicht mehr Personal viel sinnvoller ist. Das habe sich in den letzten Monaten auch geändert, berichtete Ettl. Sie würden sich nun viel mehr damit befassen, Galeria zukunftsfähig zu machen und nicht nur damit, den Niedergang zu bremsen. Auch das rentiert sich offenbar.

Kurz nach Weihnachten habe ich mit Ettl und dem Regionalleiter für Süddeutschland eine Tour durch ein paar Filialen gemacht. Ich habe dort Mitarbeiter kennengelernt, die für ihren Job brennen und alle hatten Ideen, was sich in der von ihnen betreuten Abteilung für Unterwäsche oder Herrenmode noch verbessern lässt. Ich hoffe für sie und die anderen 12.500 Galeria-Mitarbeiter, dass sie endlich einen Investor finden, der mit ihnen an einem Strang zieht und für den der Erfolg der Kette an erster Stelle steht.

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