600 Kubikmeter Gülle von Mastschweinen zu verkaufen, konventionell gezüchtet, heißt es in einer Anzeige, veröffentlicht auf der Internetseite Güllemarkt24. Vor drei Tagen hat ein Bauer aus dem niedersächsischen Dinklage das Angebot eingestellt. Er schreibt, beim Transport nicht helfen zu können, sehr wohl aber bei der Ausbringung auf den Feldern. Der Preis: Verhandlungssache.
Ein Landwirt in Spenge bietet 100 Tonnen Rindergülle an. Im brandenburgischen Baruth stehen sogar 7000 Kubikmeter flüssige Gärreste aus einer Biogasanlage zum Verkauf. „Analysen können zur Verfügung gestellt werden“, schreibt der Inserent.
Bei Güllemarkt24 gehen jeden Tag solche Anzeigen online. Die Plattform ist eine Art Kleinanzeigenportal – für Tiermist und Gülle. Bauern, die zu viel haben, können hier nach Abnehmern suchen. Gemüsebauern können nach dem richtigen Dünger für ihre Felder fahnden. Vermittler suchen neue Lieferanten.
Das Geschäft ist noch klein, die Plattform ist erst seit rund zwei Jahren online, sagt Gülle24-Gründer Steffen Webelsiep. Aber sie wächst. Schnell. In den vergangenen Tagen sei die Zahl der Besucher um rund ein Drittel gestiegen.
Chronik: Die Kursentwicklung des Euro seit der Einführung
Januar 1999: Der Euro wird von den elf Gründerländern der Europäischen Währungsunion (EWU) aus der Taufe gehoben. Der Umrechnungskurs für die D-Mark beträgt 1,95583 DM je Euro. Am 4. Januar startet der Handel in Sydney mit 1,1747 Dollar. Zeitweise steigt der Euro auf knapp 1,19 Dollar. Angesichts des sich anbahnenden Krieges im Kosovo geht er aber bald auf Talfahrt.
Dezember 1999: Der Euro rutscht erstmals auf einen Dollar.
September/Oktober 2000: Der Euro erreicht am 26. Oktober sein vorläufiges Rekordtief von 0,8225 Dollar. Doch die Zentralbanken, die eine Destabilisierung der Weltwirtschaft fürchten und schon zuvor der jungen Währung unter die Arme gegriffen haben, verstärken nun ihre Interventionen. Damit beenden sie letztlich die Talfahrt.
Januar 2002: Die reibungslose Einführung des Euro-Bargelds honorieren die Finanzmärkte mit Euro-Käufen. Im Juli steigt die Gemeinschaftswährung über einen Dollar. In den Folgejahren wächst das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung weiter.
2007 und 2008: Die Serie von EZB-Zinserhöhungen seit Ende 2006 gibt dem Euro kontinuierlichen Auftrieb, während die Fed wegen der heraufziehenden Finanzkrise bereits ab Sommer 2007 die Geldpolitik wieder lockert. Im Gegenzug steigt der Euro erstmals über 1,40 Dollar.
Juli 2008: Eine letzte EZB-Zinserhöhung kurz vor dem endgültigen Ausbruch der Finanzkrise hievt den Euro auf sein bisheriges Rekordhoch von 1,6038 Dollar.
September 2008: Im Sog der Finanzkrise mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers geht es für den Euro wieder bergab. Der Schock über ein überraschend hohes Haushaltsdefizit Griechenlands und Zweifel an der Entschlossenheit der Europäer, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, machen dem Euro zu schaffen. Der Oktober 2008 ist mit einem Minus von fast zehn Prozent der bislang schwärzeste der Gemeinschaftswährung. Mit einem Kurs von 1,238 Dollar notiert er zeitweise 23 Prozent unter seinem Rekordhoch vom Juli. Im Dezember 2008 steigt der Euro wieder um zehn Prozent, so stark wie noch nie innerhalb eines Monats.
7. Juni 2010: Der Euro fällt auf 1,1875 Dollar und liegt damit noch knapp über dem Einstiegsniveau von 1999.
Mai 2014: Die Anleger haben wieder Vertrauen in den Bestand der Währungsunion gefasst: Der Euro steigt auf fast 1,40 Dollar.
September 2014: Die EZB überrascht die Märkte mit einer Zinssenkung. In den USA deutet dagegen vieles auf steigende Zinsen hin. Die wachsende Differenz drückt den Euro bis zum Jahresende auf 1,21 Dollar.
22. Januar 2015: Die EZB kündigt Anleihenkäufe für eine Billion Euro an und drückt den Euro so binnen kurzer Zeit auf etwa 1,11 von zuvor über 1,16 Dollar.
24. Juni 2016: Das "Ja" der Briten zum Brexit brockt dem Euro innerhalb weniger Stunden einen Kursverlust von fünf US-Cent auf 1,0914 Dollar ein, ehe er sich stabilisiert.
9. November 2016: Donald Trump wird neuer Präsident der USA. Die Aussicht auf Konjunkturprogramme lösen Spekulationen auf steigende US-Zinsen aus. Der Euro fällt unter 1,06 Dollar.
15. Dezember 2016: Die Fed erhöht erneut die Zinsen.
3. Januar 2017: Spekulationen auf weitere US-Zinserhöhungen drücken den Euro auf ein 14-Jahres-Tief von 1,0342 Dollar.
20. Juli 2017: Mit der Ankündigung, die Anleihenkäufe im Herbst zu überprüfen, löst die EZB einen Run auf den Euro aus, der erstmals seit zwei Jahren über 1,16 Dollar steigt. Wenige Wochen später erobert er erstmals seit Januar 2015 die 1,20er Marke zurück.
März 2020: Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie löst ein erneutes weltweites Börsenbeben aus. Der Euro steigt zunächst auf ein 13-Monats-Hoch von 1,1492 Dollar und fällt binnen Tagen auf ein Drei-Jahres-Tief von 1,0636 Dollar. Wie bereits 2008 schreiten die Notenbanken mit billionenschweren Geldspritzen ein, um einen Absturz der Konjunktur zu verhindern.
Januar 2021: Spekulationen auf eine rasche Erholung der Weltwirtschaft von den Pandemie-Folgen und anlaufende Massenimpfungen geben dem Euro Auftrieb. Er steigt zeitweise auf 1,2349 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren.
2021 bis Anfang 2022: Da Pandemie-bedingte Beschränkungen des öffentlichen Lebens Lieferketten stören, verteuern sich zahlreiche Produkte. Die EZB bezeichnet den Teuerungsdruck als vorübergehend und hält an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest, während die Fed zum Jahreswechsel 2021/2022 die Zinswende einleitet. Der Euro fällt auf etwa 1,12 Dollar zurück.
Februar 2022: Der russische Einmarsch in die Ukraine verschärft die Lieferketten-Probleme und damit den Inflationsdruck. Rohstoffe wie Nickel oder Getreide werden knapper. Die Diskussion um ein Embargo russischer Öl- und Gaslieferungen treibt die Energiepreise. Da eine EZB-Zinserhöhung noch in weiter Ferne scheint, fällt der Euro in den Folgemonaten zeitweise auf ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief von 1,0470 Dollar.
12. Juli 2022: Die Fed bekämpft die Inflation weiter mit der Brechstange. Für Investoren gilt als ausgemacht, dass sie ihren XXL-Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten vom Juni bei der kommenden Sitzung wiederholen wird. Die EZB steht zwar ebenfalls vor einer Zinserhöhung, äußert sich wegen der drohenden Rezession zurückhaltender. Der Euro verfehlt die Parität mit 1,00005 Dollar um Haaresbreite.
Von Reuters
Der Grund für den Ansturm: Gülle – oder Wirtschaftsdünger, wie man in der Branche sagt – ist ein hochpolitisches Thema. Für die Landwirte sind die Tierausscheidungen Fluch und Segen zugleich. Zwar enthalten Gülle und andere Wirtschaftsdünger viele Nährstoffe und können den Ertrag der Felder so steigern. Doch der Tiermist verursacht Emissionen, das Nitrat in Gülle und Dung kann die Böden belasten. Auch in Deutschland wurde in der Vergangenheit oft mehr gedüngt, als gut ist. In vielen Regionen liegen die Nitrat-Werte über den erlaubten Grenzen. Und so gelten mittlerweile strenge Vorschriften, wann und wie viel Wirtschaftsdünger die Landwirte ausbringen dürfen.
In den Niederlanden sorgen die strengen Vorschriften aktuell für landesweite Proteste: Dort gibt es besonders viele Viehbetriebe. Die Werte von Stickstoff in Wasser und Luft liegen weit über dem EU-Durchschnitt. Schon früher haben die niederländischen Betriebe deshalb häufig Gülle über die Grenze gefahren: Tausende Tonnen landeten auf Äckern in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, vor allem im Rheinland.
Nun will die niederländische Regierung den Ausstoß von Stickstoff und Ammoniak bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Bauern dürfen deshalb weniger Gülle ausbringen, sollen am besten auch noch weniger produzieren. Daher soll es in den Niederlanden künftig weniger Viehbauern geben – etwa 30 Prozent der Betriebe stehen nun infrage. Selbst von möglichen Enteignungen ist die Rede.
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Die Bauern sind seit Tagen auf der Straße, um gegen die strengeren Vorschriften zu protestieren. Sie blockieren Logistikzentren von Aldi, Albert Heijn und anderen Supermarktketten und sorgen so für leere Regale. In der Nähe des Hauses der niederländischen Umweltministerin schütteten Demonstranten einen Gülletank aus. In Deutschland trafen sich Bauern in der Grenzregion bereits zu Solidaritätskundgebungen. Die Landwirte fürchten, dass in Deutschland ebenfalls strengere Auflagen eingeführt werden könnten.
Die Idee, das Problem der Landwirte über ein „Ebay für Gülle“, zu lösen - eine Plattform, über die Bauern Angebote und Gesuche für Gülle und Wirtschaftsdünger online stellen können - hatten Gründer Steffen Webelsiep und seine früheren Kollegen, als sie noch Landwirtschaft studierten. Über den Namen der Plattform ließen sie damals ihre Kommilitonen abstimmen, „Güllemarkt24“ war der klare Sieger der Umfrage.
Gülle: „Die Preise haben sich verdreifacht“
Das Prinzip funktioniert so: Die Anbieter stellen einen Preis ein, meist auf Verhandlungsbasis. Auf den endgültigen Preis einigen sich Käufer und Verkäufer häufig per Telefon oder WhatsApp, sagt Webelsiep. Wie viele Deals über Güllemarkt24 zustande kommen, weiß er daher nicht. „Wir wollen mehr Transparenz in den Markt bringen und lokale oder überregionale Potenziale aufdecken.“ Für die Landwirte ist das Angebot kostenlos, sagt Mitinhaberin Janine Wansing. Um Transport oder Lagerung müssen sich die Landwirte selbst kümmern.
Georg Südholt hingegen bietet Bauern ein „Rundum-Sorglos-Paket“: Sein Unternehmen, das Nährstoffkontor Westmünsterland, vermittelt Wirtschaftsdünger. Es kauft den Landwirten die Gülle, Mist oder auch die Gärreste aus Biogasanlagen ab, leert die Silos auf dem Hof, kümmert sich um Logistik und Lager, findet einen Käufer, übernimmt bei Bedarf auch die Dokumentation für die Bauern. Seit 17 Jahren verdient Südholt so sein Geld, mittlerweile hat er mehr als zehn Angestellte.
Doch eine Situation wie jetzt habe er selten erlebt, sagt er: Viele Viehbauern geben auf, machen ihre Betriebe dicht. Damit fallen auch weniger Dung und Gülle an. „Wir haben dieses Jahr erstmals weniger Wirtschaftsdünger transportiert“, sagt Südholt.
Dabei sei die Nachfrage groß. Seit dem Krieg in der Ukraine ist Mineraldünger knapp, und weil für die Produktion viel Energie und Erdgas benötigt wird auch teurer. „Die Preise haben sich verdreifacht“, sagt Südholt. Viele Gemüsebauern und Ackerbetriebe wollen deshalb nun mehr Dung oder Gärsubstrate einkaufen, um die Pflanzen auf ihren Feldern zu düngen. „Die Nachfrage nach Wirtschaftsdünger ist viel höher als das Angebot.“
Vor zwei Jahren sah ein üblicher Deal noch so aus: Wenn ein Schweinemastbetrieb 1000 Kubikmeter Gülle abgeben wollte, musste er dafür in der Regel 10.000 Euro zahlen. Für das Geld organisierte Südholt Logistik und Lagerung, ging ins Risiko, einen Käufer zu finden. Etwa 4000 Euro zahlten die Käufer vielleicht, um die Gülle des Schweinemastbetriebs zu bekommen.
Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt. Zwar zahlen auch heute noch etwa Schweinemastbetrieb drauf, wenn sie Gülle loswerden wollen, „aber deutlich weniger als früher“, sagt Südholt, vielleicht noch 4000 Euro, manchmal sogar nur 3000 Euro. Dafür legen die Käufer mehr auf den Tisch: Der Preis ist auf bis zu 10.000 Euro für 1000 Kubikmeter gestiegen. Weil die Logistikkosten so stark steigen, lohne es sich aber nicht mehr, 200 Kilometer zu fahren. Er müsse nun Betriebe finden, die näher beieinander liegen, sagt Südholt.
Die Entwicklung wirkt sich auch auf die Gülleimporte aus. Früher verkauften vor allem die holländischen Viehbetriebe noch große Mengen Wirtschaftsdünger nach Deutschland, die mittels großer Tanks dann auf den Feldern in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen verteilt wurden. 2016 importierte allein das Land Nordrhein-Westfalen laut aktuellem Nährstoffbericht rund 16.000 Tonnen Stickstoff aus Gülle oder Gärresten aus Biogasanlagen – rund 80 Prozent kam aus den Niederlanden. Bis heute sind die Importe jedoch auf rund 12.000 Tonnen im Jahr deutlich gesunken. Ein Großteil kommt aus anderen Bundesländern und nicht mehr aus dem Nachbarstaat.
Werden die strengeren Umweltvorschriften in den Niederlanden eine neue Welle des „Gülletourismus“ hervorbringen, weil die Bauern im eigenen Land weniger verteilen dürfen?
Georg Südholt glaubt nicht dran. Wenn ein Viehbetrieb aufgebe, dann werde dadurch Fläche frei, auf der die umliegenden Landwirte ihren Überhang verteilen könnten. Und auch in Deutschland fürchten sich viele Landwirte mit großen Tierbeständen vor ähnlichen Auflagen bei der Gülleausbringung. Denn auch hierzulande werden in vielen Regionen die zulässigen Nitrat-Grenzwerte immer wieder überschritten. Gerade erst hat der Bundesrat zugestimmt, die sogenannten „roten Gebiete“ um 45 Prozent auszuweiten. Dort dürfen die Bauern weniger Gülle oder andere Dünger ausbringen.
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