Dax-Konzern Siemens, so geht das nicht mit der Kapitalmarkt-Kommunikation!

Siemens-Vorstandschef Roland Busch verliert durch seine Kommunikation rapide an Vertrauen. Quelle: imago images

Der zweitschwerste Dax-Konzern liefert mal wieder ein Lehrstück ab, wie man Kapitalmarktkommunikation nicht macht. Hat Siemens seine Zahlen überhaupt noch im Griff? Ein Kommentar.

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Der Siemens-Konzern hat heute ein Lehrstück abgeliefert, wie man Kapitalmarktkommunikation nicht macht. Und das mal wieder, muss man leider sagen. Dass der Kurs des zweitschwersten Wertes im Dax zeitweise fast sieben Prozent in die Knie ging, spricht Bände

Erst pries Vorstandschef Roland Busch in einem Video auf der Nvidia-Hausmesse medien- und öffentlichkeitswirksam Fortschritte seiner Partnerschaft mit dem gehypten Chipkonzern auf dem Weg ins industrielle Metaversum. Das nahmen die Anleger gleichgültig hin. Umso mehr schlug allerdings wenige Stunden später ein, dass Finanzvorstand Ralf Thomas völlig überraschend den Ausblick für die Kernsparte Digital Industries abermals ein Stück weit zurücknahm.

Die Lagerbestände sind zu hoch

Dies geschah nicht etwa im Rahmen der laufenden Finanzberichterstattung; Siemens hatte zuletzt am 8. Februar über das im Dezember beendete erste Geschäftsquartal berichtet und die Prognose für Digital Industries da schon ein wenig abgeschwächt. Nein, Thomas nutzte eine via Audio im Internet übertragene Investorenkonferenz der Bank of America in London, um die Katze aus dem Sack zu lassen.

Demnach schwächelt das Geschäft in der Fabrikautomation weiterhin gewaltig, insbesondere in China. Die Lagerbestände bei den Kunden sind nach wie vor zu hoch, als dass die Bestellungen wieder anziehen würden. Der Abbau der Läger werde „länger dauern als gedacht, wahrscheinlich bis zum Ende des Jahres“, räumte Thomas in der Investorenkonferenz ein. Noch vor gut fünf Wochen ging Siemens davon aus, sich die Lagerbestände in Europa und den USA bis zur Jahresmitte normalisieren und dies nur in China bis ins zweite Halbjahr dauern könnte.

Die Wachstumsprognose ist kaum noch zu halten

Das heißt: Die von Siemens noch vor kurzem bekräftigte Jahresprognose eines Wachstums der wichtigen Digital-Industries-Sparte von null bis drei Prozent ist kaum noch zu halten. Nach einem rückläufigen ersten Geschäftsquartal gehen die Spartenumsätze auch im zweiten Quartal (bis Ende März) um voraussichtlich gut zehn Prozent zurück, erklärte Thomas in London.

Das wirft erstens Zweifel auf, inwieweit der Konzern seine Zahlen überhaupt noch im Griff hat. Zumal der Finanzvorstand zunächst von einem Rückgang der Quartalsorders um zehn Prozent sprach und sich später korrigieren musste, dass er Umsatzrückgänge meinte.

Zweitens stellt sich nicht zuletzt mit Blick auf die – erwartbare! – Kursreaktion die Frage, wie fair, offen und transparent die von Siemens gewählte Form der Berichterstattung ist. Immerhin lösten sich infolge von Thomas’ Worten neun Milliarden Euro Börsenwert in Luft auf. Eine offizielle Mitteilung verbreitete Siemens nicht zu den Entwicklungen. Thomas‘ Vortrag bei der Bank of America machte Siemens augenscheinlich nur auf der Website bekannt und wies nicht einmal Nachrichtenagenturen darauf hin.

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Die Reaktion der Anleger ist sicherlich übertrieben. Darin steckt auch Nervosität, da sich der Siemens-Aktienkurs nun schon seit Monaten zu immer neuen Rekorden schwingt. Doch eigentlich waren CEO Busch und Finanzchef Thomas vor drei Jahren angetreten, stetig verlässliche Zahlen zu liefern – um die Bewertungslücke zu Wettbewerbern wie Schneider Electric nach Jahrzehnten endlich zu schließen. Wie heute wieder prognostiziert und kommuniziert wurde, kann dieses Vertrauen kaum aufgebaut werden.

So, Herr Busch und Herr Thomas, wird das nichts!

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