Bei den Glyphosat-Prozessen in den USA hat Bayer erneut eine Niederlage einstecken müssen. Ein Geschworenengericht in Philadelphia verurteilte das Unternehmen am Dienstag zur Zahlung von 3,5 Millionen Dollar an eine Frau, die ihre Krebserkrankung auf den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup von Bayer zurückführt. Das Urteil des Philadelphia Court of Common Pleas ist die fünfte Niederlage in Folge für Bayer, doch die Zahlung fällt deutlich niedriger aus als bei den jüngsten Urteilen gegen das Unternehmen, die sich auf insgesamt mehr als zwei Milliarden Dollar belaufen.
Vor dem Urteil in Philadelphia hatte der Leverkusener Pharma- und Agrarkonzern vier Klagen innerhalb kurzer Zeit verloren - die jüngste mit einer Zahlung von 1,56 Milliarden Dollar - nachdem Bayer zuvor neun Prozesse in Folge gewonnen hatte. Bayer hat angekündigt, in Berufung zu gehen. Die Strafschadensersatzbeträge dieser Urteile könnten reduziert werden, da sie über die Vorgaben des Obersten Gerichtshofs der USA hinausgehen.
Das Urteil im Fall der in Pennsylvania lebenden Kelly Martel wurde nach dreiwöchigen Verhandlungen und Beratungen der Geschworenen über zwei Tage gefällt. Es umfasst 462.500 Dollar Schadenersatz und drei Millionen Dollar Strafschadenersatz.
Schneller schlau: Glyphosat
Glyphosat ist ein sogenanntes Total-Herbizid, es wirkt auf sämtliche grüne Pflanzen und hat damit ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer herbizider, also unkrautvernichtender, Wirkstoff. Wo Glyphosat auf Pflanzen gesprüht wird, wächst sprichwörtlich kein Gras mehr – und auch kein Kraut, Strauch oder Moos.
Der wasserlösliche Wirkstoff wird über die Blätter aufgenommen und geht in alle Pflanzenteile, auch die Wurzel – was etwa für die Verwendung an Bahngleisen wichtig ist. Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen – das aber auch in Pilzen und Mikroorganismen vorkommt.
Mit der nahezu vollständigen Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem Acker sinke nicht nur die Zahl der Pflanzen stark, heißt es vom Umweltbundesamt (UBA). Dies entziehe allen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage. Ganze Nahrungsnetze könnten zusammenbrechen.
Wie die meisten Kläger in Roundup-Fällen erklärte auch Martel, durch den Kontakt mit Roundup an Non-Hodgkin-Lymphom, einer bösartigen Erkrankung des Lymphgewebes, erkrankt zu sein. Die Anwälte von Bayer hatten in der Verhandlung argumentiert, Martels Krebserkrankung sei eher durch ihr Rauchen verursacht worden. Das Urteil stehe im Widerspruch „zu den überwältigenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und den weltweiten behördlichen und wissenschaftlichen Bewertungen.“
Die Klagen hatte sich der Konzern mit der Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto ins Haus geholt. Zuletzt waren nach Angaben von Bayer noch 52.000 der insgesamt rund 165.000 eingereichten Klagen offen. Bayer hatte die Vorwürfe gegen das Herbizid stets zurückgewiesen. Behörden weltweit stuften das Mittel als nicht krebserregend ein. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO hingegen bewertete den Wirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“.
Lesen Sie auch: Warum Glyphosat in der EU weiter gespritzt werden darf