Großinvestition in Finnland BASFs Batteriestrategie steht auf der Kippe

BASF in Ludwigshafen Quelle: PR

Batteriematerialien sollen BASFs neuer Umsatztreiber sein. Doch die Strategie verläuft holprig: In Finnland muss BASF nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten mit Umweltverbänden Konsequenzen ziehen.

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Harjavalta ist eine Kleinstadt im Westen Finnlands. Eine halbe Stunde ist es von hier bis zum Meer, rund zweieinhalb Stunden dauert die Autofahrt bis nach Helsinki. Bekannt ist das Örtchen vor allem wegen seines großen Industriegebiets, das bald auch in Deutschland einen gewissen Klang haben könnte: Hier nämlich droht die Batteriestrategie der BASF zu scheitern. Einen dreistelligen Millionen-Betrag hat der Chemiekonzern dort in eine Fabrik investiert, die – so lautete der Plan – die neue Batteriematerialienfabrik in Schwarzheide mit Vorprodukten versorgen sollte.

Für den Batteriebedarf von rund 300.000 vollelektrischen Autos soll die Fabrikkapazität ausreichen, seit 2022 ist sie einsatzbereit. Eine hohe zweistellige Zahl an Mitarbeitern hat BASF bereits eingestellt. Aber die Anlage liegt bis heute still.

Zwar erhielt BASF vor vier Jahren zunächst eine Betriebsgenehmigung für das Werk. Nach Einspruch verschiedener Umweltorganisationen wurde die jedoch vom obersten Verwaltungsgericht Finnlands wieder einkassiert. Die Sorge: Der Konzern könnte den nahe gelegenen Fluss Kokemäenjoki durch die Einleitung von Sulfaten verunreinigen und damit Lebewesen wie Fische, Muscheln und Algen schaden.

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von Nele Antonia Höfler, Hendrik Varnholt, Jürgen Salz, Max Haerder, Jörn Petring

Seitdem hangelte sich BASF von einer provisorischen Lösung zur nächsten. Zuletzt wurde BASF eine temporärere Genehmigung für den Betrieb die Anlage erteilt, die zumindest einen Testbetrieb ermöglichen sollte. BASF musste sich dafür verpflichten, sein Abwasser per Lkw zu einer 50 Kilometer entfernten Kläranlage des britischen Chemiekonzerns Venator zu bringen. Doch auch diese Genehmigung hob das Verwaltungsgericht im Februar auf, nachdem Umweltorganisationen erneut Einspruch einlegt hatten.

Versorgung in Schwarzheide gesichert

Jetzt muss BASF Konsequenzen ziehen. „Die weitere Verschiebung und die Ungewissheit“ habe „langfristige finanzielle Auswirkungen“, teilte BASF am Donnerstag in einer Mitteilung mit. Um die aktuelle Situation zu bewältigen, müsse der Konzern den Betrieb vor Ort anpassen und die Kosten senken. Die Beschäftigten sollen deshalb auf unbestimmte Zeit freigestellt werden. 

Wann, wie und wo es weitergeht? Das weiß bislang niemand.

Nicht nur für BASF ist das ein herber Schlag: Die Anlage in Harjavalta ist Teil eines mehrstufigen Plans, die Wertschöpfungskette für Elektroautobatterien nach Europa zu holen, sich unabhängiger von Importen zu machen und eine stabile Lieferkette in Europa zu schaffen. Als eines von zwei Großprojekten erhielt BASF deshalb Fördergelder in Höhe von 175 Millionen Euro aus Brüssel.

Für BASF selbst wackelt damit die grundsätzliche Strategie, den Konzern unabhängiger von der klassischen Chemie zu machen, die tief in der Krise steckt. Kathoden, die Pole einer Lithium-Ionen-Batterie, machen fast ein Drittel der Herstellkosten einer Batterie aus und sollen künftig der neue Gewinntreiber der BASF sein. Mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz will der Konzern im Batteriegeschäft bis 2030 machen. „Wir haben immer große Hoffnungen in den Standort gesetzt und wir hoffen, dass sich diese Hoffnungen irgendwann in der Zukunft auch erfüllen werden“, lässt sich Tomi Oja, Geschäftsführer von BASF Battery Materials Finland zitieren.

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Und das Werk in Schwarzheide? Das muss die Vorprodukte solange anders als geplant vom Weltmarkt beziehen. Die Versorgung sei „durch ein breit gefächertes Partnernetzwerk und den Zugang zu den Märkten gesichert“ und werde deshalb nicht beeinträchtigt, heißt es dazu in der Mitteilung von BASF. Der Plan des Unternehmens, in den Ausbau des Geschäfts mit Batteriematerialien zu investieren, gelte nach wie vor.

Eine Lösung braucht Zeit

Der Manager, so berichten es Umweltschützer vor Ort, habe sich bereits mit den Aktivisten getroffen, die die Eröffnung der Fabrik verhindern. Eine von Ihnen ist Marja Tomberg, Vorstandsmitglied des Vereins PMP. Unternehmen seien in Harjavalta willkommen, betont die Umweltschützerin, aber sie sollen ihre Prozess mit den bestverfügbaren Techniken durchführen: „BASF versucht den Klimawandel durch den Bau von Batterien für Elektroautos zu bekämpfen, kommt aber gleichzeitig hier her und verschmutzt mit der Produktion unseren Fluss“, klagt sie. Mit BASF spricht die NGO deshalb über Möglichkeiten, wie eine Inbetriebnahme der Fabrik gelingen könnte – ohne die Umwelt zu belasten.

Abhilfe könnte etwa ein Kristallisator schaffen, der das sulfathaltige Abwasser verdampft. Die dabei entstehenden Rückstände können beispielsweise als Dünger eingesetzt werden. Für BASF hat diese Lösung jedoch zwei Haken: Die Entwicklung der Technologie ist teuer und dauert voraussichtlich ein bis zwei Jahre. Derzeit, heißt es bei BASF, evaluiert der Konzern zusammen mit einem Partner die optimale Kristallisationstechnologie, um eine Investitionsentscheidung vorzubereiten. Die Entscheidung für eine weitere Investition in den Standort Harjavalta steht also noch aus.

Grüner Imageschaden

Fondsmanager Arne Rautenberg von Union Investment beobachtet die Entwicklungen in Harjavalta besorgt: „Wenn BASF die Genehmigung für die Fabrik in Finnland nicht erteilt bekommt, hat der Konzern mal wieder eine große Investition in den Sand gesetzt“, sagt der Experte. Die Skepsis für den Investitionsplan der BASF würde das weiter befeuern und BASF das ganze Produktionsnetzwerk der europäischen Batteriematerialien komplett neu denken. „Ein sehr holpriger Start für den zukünftigen Wachstums- und Fokusbereich der BASF, um es vorsichtig auszudrücken.“

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Fest steht schon jetzt: Das grüne Image, das BASF sich von dem Kathoden- und Recyclinggeschäft erhofft hat, erhält der Konzern nicht. Im Gegenteil: „Dass BASF die Umweltgenehmigung in Finnland nicht bekommt, spricht nicht unbedingt dafür, dass hier etwas entsteht, was die Umwelt entlastet“, sagt Oliver Schwarz, Analyst beim Bankhaus Warburg.

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