Das kommt überraschend: „Wir stimmen gegen eine neue Amtszeit von Kurt Bock als Aufsichtsratschef von BASF“, erklärt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka, gegenüber der WirtschaftsWoche. „Die Gründe sind vielfältig“, erklärt Speich weiter: „Kurt Bock fehlt es an der erforderlichen Unabhängigkeit, unsere Kritik am Vergütungssystem bleibt seit Jahren ungehört, im Vorstand mangelt es an Diversität und die Aktienkursentwicklung ist alles andere als erfreulich.“
Die Deka hält etwa 0,5 Prozent der BASF-Aktien. Die Wahl von früheren Vorstandschefs in den Aufsichtsrat sieht die Deka grundsätzlich kritisch, 2022 hat die Fondsgesellschaft ihre Regularien hierzu geändert. Im Falle von BASF hat sie sich nun gegen eine Wiederwahl entschieden. „Bei amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden, die sich zur Wiederwahl stellen, nehmen wir Einzelfallprüfungen vor“, erklärt Speich die Entscheidungsfindung. „Hierbei sind unter anderem die Qualität der gesamthaften Unternehmensführung, die Leistung des Managements und des Aufsichtsrats sowie die Aktienkursentwicklung entscheidend.“
Kurt Bock war von 2011 bis 2018 Vorstandschef von BASF. Seit 2020 steht er an der Spitze des Aufsichtsrats. Schon damals waren davon nicht alle Aktionäre begeistert: Bei der Hauptversammlung erhielt Bock mit 32,71 Prozent ungewöhnlich viele Gegenstimmen, so auch von Union Invest. Der Aktionär störte sich damals an der fehlenden Unabhängigkeit des Ex-Vorstands. Nach Ansicht des Aktionärs muss die Kapitalseite im Aufsichtsrat „mindestens zur Hälfte mit unabhängigen Mitgliedern besetzt sein“, was bei BASF damals nicht gegeben war.
Dieses Mal könnte es für Bock noch enger werden. Denn auch der mächtige Stimmrechtsberater „Institutional Shareholder Services“, kurz: ISS, rät Aktionären, gegen seine Wiederwahl zu stimmen. Der Hintergrund: Ende 2021 hat ISS seine Regularien geändert. Seither lehnt der Stimmrechtsberater die Wahl von früheren Vorstandschefs als Aufsichtsratschef grundsätzlich ab. Eine Empfehlung, der vor allem ETF- und passive Anleger häufig folgen.
Anders fällt die Wahlentscheidung in diesem Jahr bei Union Invest: „Wir werden für die Wiederwahl von Kurt Bock stimmen“, teilt Fondsmanager Arne Rautenberg auf Nachfrage der WirtschaftsWoche mit. Aus Sicht des Aktionärs sei es „mehr als unglücklich, wenn mit Martin Brudermüller und Kurt Bock gleichzeitig CEO und Aufsichtsratschef das Unternehmen verlassen“. Denn mit der Hauptversammlung übergibt der bisherige Konzernchef Martin Brudermüller die Geschäfte an seinen Nachfolger Markus Kamieth.
Brudermüller übergibt den Staffelstab mitten in der Krise: Der größte Chemiekonzern der Welt leidet unter den immer noch hohen Energiepreisen und der schwachen Konjunktur.
In einem Schreiben, das BASF-Aktionäre in diesen Tagen erhielten, wirbt Bock für seine Wiederwahl: „Bei der nun anstehenden Wiederwahl wird mein Ausscheiden aus dem Vorstand der BASF SE im Mai 2018 bereits sechs Jahre zurückliegen. Daher gelte ich nach Einschätzung des Aufsichtsrats der BASF SE als unabhängig.“ Um genügend Zeit für sein BASF-Mandat zu haben, habe er schon vor Jahren andere Aufsichtsratsposten niedergelegt. Zudem sei der Aufsichtsrat unter seinem Vorsitz „vielfältiger und internationaler“ geworden. Bock scheint laut dem Schreiben auch bereit zu sein, den Vorsitz des Personalausschusses abzugeben, der etwa die Mitglieder des Vorstands auswählt.
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