Lidl-Einwegflaschen „Wir sind nicht gegen Mehrweg“

Quelle: REUTERS

Lidl wirbt mit Günther Jauch für seine Einwegflasche – und muss sich nun gegen Greenwashing-Vorwürfe verteidigen. Im Interview erklärt Wolf Tiedemann von Lidl, was der Discounter mit der Kampagne wirklich erreichen will.

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Das Gesicht des bekannten Moderators ist nur halb zu erkennen, eine Seite von Günther Jauchs Gesicht wird zum Teil von einer großen Plastikflasche verdeckt. Jauch guckt skeptisch. Dazu die Frage: „Aus Liebe zur Natur?“ Mit diesen Kampagnenmotiven wirbt der Discounter Lidl aktuell deutschlandweit für seine Einwegplastikflaschen aus Recyclingmaterial. Der Discounter hat eine Studie vorgelegt, die die ökologische Effizienz der Flaschen beweisen soll. Doch es gibt Kritik - und auch die politischen Pläne deuten in eine andere Richtung. Im Interview will sich Wolf Tiedemann, Vorstand der Lidl-Stiftung, gegen Greenwashing-Vorwürfe verteidigen und erklären, wieso es bei Lidl keine Mehrweg-Flaschen gibt.

WirtschaftsWoche: Herr Tiedemann, Günther Jauch bewirbt gerade für Lidl eine Plastikeinwegflasche, „aus Liebe zur Natur“. Was hat Einwegplastik mit Naturliebe zu tun?
Wolf Tiedemann: Die Kampagne dient dazu, die Verbraucher über neue Erkenntnisse zur Ökologie und Klimabilanz der Kreislaufflasche zu informieren. Wir wollen eine sachliche, öffentliche Diskussion erreichen.

Und wo versteckt sich die Naturliebe?
Wir können zeigen, dass unsere Kreislaufflasche hinsichtlich der Ökobilanz mindestens vergleichbar ist mit bestehenden Mehrwegsystemen – teilweise sogar besser.

Günther Jauch ist nicht dafür bekannt, dass er sich für Marken einspannen lässt. Wie schwierig war es, ihn als Werbefigur zu gewinnen?
Es geht uns hier um eine Informations- und Aufklärungskampagne. Herr Jauch genießt als Person des öffentlichen Lebens und Journalist eine sehr hohe Glaubwürdigkeit und steht dafür, Dinge zu hinterfragen. Und genau darum geht es uns.

Journalist? Sie haben Günther Jauch für die Fotos und Videos schon bezahlt, oder nicht?
Herr Jauch tritt nicht als Journalist auf, sondern als Fragesteller und beleuchtet kritisch unser Einwegsystem. Im Fokus der Kampagne steht die Ökobilanz unserer Kreislaufflasche und darüber möchten wir eine faire Debatte führen. Lassen Sie uns darüber sprechen.

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Wie steht Günther Jauch mittlerweile zur Kampagne? Die Werbung steht massiv in der Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe hat Lidl deshalb Greenwashing vorgeworfen.
Wir haben mit einer kritischen Diskussion gerechnet. Wir wollten eine Debatte und freuen uns über die rege Diskussion. Die uns entgegengebrachte Kritik ist teilweise unsachlich und falsch. Wir argumentieren faktenbasiert und auf Grundlage einer Studie mit einer Ökobilanz, die allen Standards entspricht. Übrigens, wir erhalten sehr viel positiven Zuspruch, es wird auch von anderen begrüßt, dass es nun einen inhaltlichen Diskurs gibt.

Gehen wir die Kritik durch: Vergleichen Sie „Äpfel mit Birnen“, wie die Deutsche Umwelthilfe sagt? Ihre Studie untersucht die Kreislaufflasche von Lidl, ein optimiertes System. Für Mehrweg aber zieht die Studie Daten für den gesamten Markt heran, die teilweise noch aus dem Jahr 2008 stammen.
Es gibt keine aktuellen Ökobilanzen zu den gängigen Mehrwegsystemen. Deshalb haben wir die bestehenden Bilanzen umfassend aktualisiert mit neuen Daten. Wir haben uns sehr intensiv mit den Entwicklungen im Mehrwegsystem beschäftigt. Wir haben neue Technologien im Spülsystem für die Mehrwegflaschen in unseren Annahmen berücksichtigt, oder dass sich die Transportdistanzen und der Wasserverbrauch verringert haben. Das Ergebnis ist, dass die Kreislaufflasche mindestens vergleichbar ist mit den Mehrwegsystemen.

Sie werben damit, dass die Lidl-Flasche ohne Neuplastik auskommt und nur aus Recyclingmaterial besteht. Aber nicht alle Pfandflaschen werden zurückgegeben. Beim Recycling gibt es einen Materialverlust, Plastikflaschen lassen sich nicht ewig recyceln, also muss Neuplastik hinzugefügt werden. Wie geschlossen ist Ihr Kreislauf wirklich?
Unsere Kreislaufflasche besteht vollständig aus Rezyklat. Dafür setzen wir die bei Lidl und Kaufland über die Pfandautomaten zurückgegebenen Flaschen ein. Für den gesamten Markt gilt, dass 98,5 Prozent der bepfandeten Plastikflaschen in Deutschland über die Pfandautomaten wieder zurückgegeben werden. Das war das Ziel bei der Einführung des Pfands, dass die Wertstoffe wiederverwertet werden und keine Flaschen in der Umwelt landen. Die Flaschen, auch von anderen Herstellern werden bei uns in den Filialen gesammelt, sortiert und mit Lastwagen ins Zentrallager gebracht, kompaktiert und anschließend in unseren Recyclingwerken recycelt. So funktioniert unser Kreislauf. Es gibt keine Mehrwegsysteme, die komplett ohne Materialverlust auskommen.

Lidl hat für seine Flaschen eigene Recyclingwerke. Wie viel Materialverlust haben Sie dort? Die Umwelthilfe spricht von bis zu fünf Prozent Plastik, das beim Flaschenrecycling verloren geht.
Wir kennen diese Argumentation der Umwelthilfe und können die Werte nicht bestätigen.

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Wie viel Prozent gehen denn in Ihren Recyclinganlagen verloren?
Stoffkreisläufe, die gänzliche ohne Materialverluste auskommen, gibt es praktisch nicht. Die Ökobilanz berücksichtigt die Materialaufnahmen und -abgaben aus anderen Systemen und in andere Systeme.

Sie wiederholen sich. Ist der Wert höher? Oder niedriger?
Alle Mineralwasser- und Erfrischungsgetränkeflaschen, die an einem Pfandautomaten abgegeben werden, werden wieder zu neuen Flaschen verarbeitet. Die Zu- und Abflüsse sind in den Ökobilanzen berücksichtigt.

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