Medizinkonzern Wie Fresenius Finanzinvestoren in den Klinikmarkt hilft

Fresenius-Chef Michael Sen Quelle: imago images

Fresenius-Chef Michael Sen baut den Dax-Konzern um. Von seinen Entscheidungen profitieren vor allem Finanzinvestoren. Zur Bilanzvorlage am Mittwoch muss Sen allerdings noch viele Aktionäre überzeugen.

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Die Diagnose war klar und hart: „Fresenius fehlte die Richtung“, erklärte der Konzernchef vor gut einem Jahr. Sen war damals erst wenige Monate im Amt und kritisierte den Kurs seines Vorgängers Stephan Sturm scharf. Unter Sturms Ägide geriet der lange erfolgsverwöhnte Medizinkonzern in Kalamitäten: Statt verlässlich steigender Gewinne wie früher, schockte Fresenius nun die Börse mit einer Reihe von Gewinnwarnungen.

Sen, der bei Siemens und Eon schon bewiesen hatte, dass er Restrukturierung kann, sollte es richten. Am Mittwoch muss er sich anlässlich der Bilanzvorlage dazu erklären, was er 2023 angepackt hat. Tatsächlich, so viel lässt sich schon sagen, hat Sen Fresenius eine neue Richtung verpasst Der größte Einschnitt: Fresenius gab – über einen Rechtsformwechsel – die Kontrolle über die kriselnde Dialyse-Tochter Fresenius Medical Care (FMC) ab. Sen räumte zudem beim österreichischen Klinikdienstleister Vamed auf und verkaufte zahlreiche Randgeschäfte. Künftig will sich der Bad Homburger Gesundheitskonzern vor allem auf das Geschäft mit flüssigen Medikamenten (Fresenius Kabi) sowie auf seine Klinikkette Helios konzentrieren.

Kinderwunsch ist keine Krankheit

Im dritten Quartal 2023 konnte der Fresenius-CEO erste Erfolge melden. Für das vergangene Geschäftsjahr, soviel ließ er bereits durchblicken, soll der operative Gewinn etwa das Vorjahresniveau erreichen, immerhin – zuvor hatte Fresenius einen Rückgang prognostiziert. Der Jahresumsatz, zuvor (ohne FMC) bei etwa zwanzig Milliarden Euro, soll „im mittleren einstelligen Prozentbereich“ zulegen.

Von Sens Entscheidungen profitieren vor allem Finanzinvestoren. Etwa KKR aus New York, das ansonsten etwa noch beim Springer Verlag investiert ist. Kürzlich verkaufte Fresenius seine Kinderwunschklinik-Kette Eugin für bis zu 500 Millionen Euro an ein von KKR angeführtes Konsortium. Die Klinikkette hatte Sens Vorgänger Sturm erst vor drei Jahren für 450 Millionen Euro erworben. Fresenius wolle sich auf die Versorgung von Krankheiten konzentrieren, heißt es nun – und ein Kinderwunsch sei ja keine Krankheit.

Für KKR ist die in Madrid beheimatete Eugin-Gruppe (227 Millionen Euro Jahresumsatz, insgesamt 69 Kliniken) eine wichtige Ergänzung. Der Private-Equity-Investor hat in den vergangenen Jahren bereits Milliarden in das Geschäft mit der künstlichen Befruchtung investiert. Zum Portfolio der Amerikaner zählt etwa Spaniens größtes Fruchtbarkeitsinstitut Ivirma Global.    

Für Finanzinvestoren ist das ein interessantes Geschäftsfeld. Laut Branchenschätzungen liegt die Umsatzrendite bei großen Kliniken zwischen 25 und 30 Prozent. Laut dem Marktforschungsunternehmen Grand View Research soll das globale Geschäft mit der künstlichen Befruchtung zwischen 2022 und 2030 um jährlich 30 Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar zulegen. In Spanien seien die Wachstumsaussichten besonders gut.

Nach 29 Jahren erstmals ohne Dividende 

Doch auch andere Finanzinvestoren  könnten dank Sen bei Fresenius noch zum Zuge kommen. So stehen ebenfalls die Reha-Kliniken der Tochter Vamed zum Verkauf. Als Interessent dafür gilt der Finanzinvestor Waterland, der in Deutschland bereits die Reha-Klinikkette Median mit über 400 Krankenhäusern und Einrichtungen betreibt. Auch Waterland hat dabei zuletzt fleißig zugekauft – die Vamed-Kliniken dürften gut ins Portfolio passen. Waterland selbst lehnt jeden Kommentar dazu ab. Auch andere Private-Equity-Investoren sollen durchaus interessiert sein, darunter die französische PAI, die gleichfalls gerne in Gesundheitseinrichtungen investiert. Bis Ende Februar müssen angeblich die Gebote abgegeben werden.

Sens Aufräumarbeiten im Konzern könnten folglich bald abgeschlossen sein. Doch um die Aktionäre für Fresenius zu begeistern, braucht es offensichtlich mehr. Im vergangenen Übergangsjahr 2023 ist die Aktie um fast zehn Prozent gefallen. Im Dezember 2023 rutschte der Kurs noch mal ab: Da verkündete Sen, dass nach 29 Jahren stets steigender Ausschüttungen erstmals die Dividende ausfällt. Der Grund war, dass die Helios-Kliniken Staathilfen von bis zu 300 Millionen Euro für Energiekosten angenommen hatten – bei gleichzeitiger Ausschüttung hätte das Geld zurückgezahlt werden müssen.

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Viele Analysten hoffen nun, dass Sen bei der Bilanzvorlage am Mittwoch auch durchblicken lässt, wie der Konzern zu neuen Ufern aufbricht und die Gewinnmaschine wieder in Schwung bringt. Womöglich werden sie nicht enttäuscht: Ein CEO müsse auch Cheerleader seines Unternehmens sein, bekannte Sen kürzlich auf dem Weltmarktführer-Gipfel der WirtschaftsWoche in Schwäbisch Hall.  

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