Ohne Zement Dieser Mann will mit Öko-Pflastersteinen die Baustoffbranche revolutionieren

Promenade in Koblenz, die mit zement-reduzierten Betonstein-Platten gebaut wird. Quelle: METTEN Stein+Design

Ein Familienunternehmen aus dem Rheinland zeigt der Welt, wie man Beton-Pflastersteine und -Platten ohne Zement herstellt. Die Innovation macht es möglich, Plätze, Wege und Terrassen deutlich klimafreundlicher zu bauen.

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Am Anfang stand nicht der Umweltgedanke, sondern ein Produktmangel, der seit Ewigkeiten unvermeidlich schien. „Beton-Pflastersteine und -Platten bekamen immer schon Kalkausblühungen, und die Farben wurden mit der Zeit blasser. Beides liegt an den ungebundenen Zementpartikeln“, sagt Michael Metten. Seit 2011 beschäftigt sich das Unternehmen mit dieser Thematik. 2015 begann das fünfköpfige Forschungs- und Entwicklungsteams von Metten Stein + Design konzentrierte die Forschung, um das Bindemittel Zement zu ersetzen. Zu rund 13 Prozent besteht herkömmliches Beton-Pflaster aus Zement.  

„Mit Greta Thunberg und der Klimabewegung erst kam der Gedanke dazu, dass wir durch den Verzicht auf den in der Herstellung extrem CO2-emittierenden Zement auch viel fürs Klima tun, wenn wir es schaffen, Pflastersteine und -platten völlig zementfrei herzustellen“, erinnert sich der 43-jährige Chef des Familienunternehmens aus Overath bei Köln.

Nun meldet Metten den Durchbruch. Vor zwei Jahren schon präsentierte der Innovationsführer unter den deutschen Betonstein-Herstellern einen Zwischenschritt: Pflastersteine, deren obere Schicht – in der Branche wird sie Vorsatzschicht genannt – zementfrei ist. Metten vermarktet sie unter dem Namen EcoTerra. Mitte 2023 nun ist das Produktionsverfahren so ausgereift, um außer der Vorsatzschicht auch die dickere Unterschicht des Steins mit Nullkommanull Zement-Anteil herzustellen.

Lizenzen als Entwicklungs-Turbo

EcoTerra-Zero heißt bei Metten die Weiterentwicklung. Gegenüber herkömmlichen Produkten reduziert sie die CO2-Emissionen um bis zu 75 Prozent. Bei einer Fläche von 10.000 Quadratmetern und einer Steindicke von 10 Zentimetern spart EcoTerraZero 70 Tonnen CO2 ein“, rechnet Unternehmer Metten vor:  „Um diese Menge in einem Jahr zu binden bräuchte man 5600 ausgewachsene Buchen.“

Will mit seinem „nachhaltigen Betonstein der Zukunft“ die Baubranche verändern: Unternehmer Michael Metten. Quelle: METTEN Stein+Design

Während Greta sich gerade im Dilemma der Nahost-Politik entzaubert, revolutioniert ein Mittelständler aus dem Rheinland mit seinem Öko-Produkt die Baustoffbranche. Und das vermutlich weltweit. Denn Zement ist einer der größten CO₂-Emittenten überhaupt. Und Metten – 1938 gegründet, 140 Mitarbeiter – setzt nicht nur auf die Eigenproduktion. Mit der käme das Unternehmen, dessen Produkte etwa in Hamburg auf städtischen Flächen verlegt werden, nicht allzu weit, weil Betonsteine allenfalls ein paar hundert Kilometer weit transportiert werden. Die Hansestadt ist einer der größten Metten-Kunden. Andere Hauptabnehmer sind Straßen- und Tiefbauer, Garten- und Landschaftsbau-Betriebe und Baustoffhändler – und über diese am Ende private Immobilienbesitzer.

Schlüssel für den Erfolg des „nachhaltigen Betonsteins der Zukunft“ (Metten) aber wird die globale Vergabe von Lizenzen sein. Sie läuft für EcoTerra-Zero nun an, während EcoTerra bereits beginnt, Märkte zu erobern. Die erste ausländische Produktion von Beton-Pflastersteinen und -Platten mit reduziertem Zementanteil startete vor wenigen Monaten in Toronto beim Hersteller Unilock, der zu den Großlieferanten an der gesamten amerikanischen Ostküste gehört. Im Sommer 2024 wird der saudi-arabische Betonsteinhersteller Metara folgen, der eine EcoTerra-Lizenz erworben hat. Dazwischen starten Lizenznehmer in Deutschland mit der Produktion.

Die Rezeptur bleibt Betriebsgeheimnis

Das Geschäft mit Lizenzvergaben für innovative Produktionsverfahren betreibt Metten schon seit 30 Jahren und mit steigendem Anteil am Jahresumsatz, der sich im mittleren zweistelligen Millionenbereich bewegt. Exklusiv für eine Region sind die Lizenzen nicht. Mehrere im Eco-Terra- oder Eco-Terra-Zero-Verfahren produzierte Produkte werden überall miteinander konkurrieren können.

Der Kreativität sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Mit dem neuen Verfahren können die Hersteller ihre eigene Produktpalette mit vielfältigen Formaten, Oberflächenstrukturen und Farben herstellen und neue Varianten kreieren. „Nur sehr helles Weiß und sehr tiefes Schwarz lassen sich mit dem Eco-Terra und dem EcoTerra-Zero-Verfahren nicht erzeugen“, sagt Unternehmer Metten: „95 Prozent der gängigen Varianten können in unserem Verfahren problemlos hergestellt werden.“ Belastbarkeit und Haltbarkeit des Materials sollen mindestens so gut sein wie bei herkömmlichen Pflastersteinen. Sie sollen nach vielen Jahren aber noch farbecht sein und keine Ausblühungen bekommen.

Der 43-jährige Unternehmer hofft auf den Erfolg der Wettbewerber. Denn dank der Lizenzen ist Metten immer Mit-Gewinner bei deren Verkäufen. Konkurrenz? Macht Metten in den internationalen Verhandlungen bisher keine aus: „Es scheint so zu sein, dass wir als erstes Unternehmen eine solche Technologie für Kernbeton und Vorsatz vermarkten.“

Bei der Herstellung des klimaschonenden Steins werden vor allem Kies, Quarz, Sand, Wasser verwendet. Aber wodurch ersetzt sein Unternehmen das bisher unverzichtbare Bindemittel Zement? „Durch ein alkalisch aktiviertes mineralisches Bindemittel“, antwortet Metten kryptisch, um nicht zu viel über die Rezeptur zu verraten.

Sieben Euro mehr pro Quadratmeter

Das Endprodukt kostet heute pro Quadratmeter rund 60 Euro für einen 8cm starken Stein und damit fünf bis sieben Euro mehr als herkömmliche Beton-Pflastersteine und -Platten. Da die Zementpreise in den kommenden Jahren um das bis zu Vierfache steigen könnten, wird der Preisnachteil aber voraussichtlich deutlich geringer oder ganz verschwinden.

Die Stadt Koblenz pflastert derzeit ihren noblen Rhein-Boulevard mit EcoTerra-Platten und gibt für die geplanten 15.000 Quadratmeter bei heutigen Zementpreisen rund 75.000 Euro mehr aus. Da sich der Bau über einige Jahre erstreckt, dürfte der Mehrpreis am Ende aber tatsächlich geringer ausfallen.

Metten erwartet, dass es wie beim Hochbau „bald auch bei öffentlichen Freiflächen selbstverständlich sein wird, die CO2-Bilanz auszurechnen und die Klimafreundlichkeit zum Standard-Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu machen“. Dank der CO2-Reduktion könnten zementarme und zementfreie Pflastersteine „ein wesentliches Element der kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie werden“.

Gemessen werden CO2-Emissionen über die sogenannte Environmental Product Declaration (EPD) nach einer Industrienorm mit dem langen Kürzel DIN EN 15804 A2. Metten sieht diese DIN-Norm „künftig als wesentliche Größe für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Produkten“. Er wirbt deshalb mit weiteren Nachhaltigkeitsaspekten: Im Beton der Pflastersteine steckt Recyclingmaterial; alle Metten-Betonprodukte sind zu hundert Prozent recyclebar und können im Kreislaufverfahren wieder dem Produktionsprozess für neue Steine zugeführt werden. Versickerungsfähig kann Metten die Steine auch liefern, was „für Konzepte wie moderne Schwammstädte ein wichtiger Aspekt“ sei.

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Metten glaubt an die Kraft seiner Argumente. „In fünf bis sieben Jahren“, sagt der Unternehmer, der die Firma in dritter Generation führt, „dürfte die zementfreie Produktlinie 30 bis 40 Prozent unseres Umsatzes ausmachen.“

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 15. November 2023 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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