Pharmakonzern Wegen abgebrochener Studie: Bayer verliert fast neun Milliarden Euro an Börsenwert

Quelle: imago images

Asundexian galt als einer der größten Hoffnungsträger in Bayers Pharmaentwicklung. Nun erweist er sich aber als nicht wirksam genug. Dazu verliert Bayer einen weiteren Glyphosat-Prozess – die Aktie stürzt ab.

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Beim Pharma- und Agrarkonzern Bayer setzt sich die jüngste Pechsträhne fort. Neben einem erneuten Rückschlag bei den Glyphosat-Prozessen in den USA muss das Leverkusener Unternehmen nun auch noch eine massive Niederlage in der Pharmaforschung mit seinem wichtigsten Hoffnungsträger Asundexian einstecken. Der neue Vorstandschef Bill Anderson muss damit eine weitere Baustelle in den Griff bekommen, denn ob der Gerinnungshemmer Bayer künftig die erhofften Milliardenumsätze beschert, steht nun völlig in den Sternen. Der Konzern traute Asundexian bislang ein Spitzenumsatzpotenzial von mehr als fünf Milliarden Euro zu und damit mehr als jedem anderen seiner Medikamente.

„Das ist ein heftiger Rückschlag für Bayer. Asundexian war die Perle in Bayers Pharma-Pipeline und ohne den Wirkstoff steht die Pharma-Sparte ohne nachhaltiges Wachstum da“, sagte Fondsmanager Markus Manns vom Großaktionär Union Investment. „Den Neuanfang zu gestalten wird damit für Bill Anderson zur Herkulesaufgabe.“

An der Börse reagierten Anleger schockiert. Die Aktien von Bayer fielen zeitweise um mehr als 21 Prozent auf ein 14-1/2-Jahres-Tief von 32,60 Euro. Das war der größte Kurssturz seit mindestens 32 Jahren. Der Börsenwert des Aspirin-Herstellers schrumpfte dadurch um etwa 8,7 Milliarden Euro.

Bayer hatte in der Nacht zum Montag mitgeteilt, eine entscheidende Phase-3-Studie mit Asundexian mangels Wirksamkeit auf Empfehlung eines unabhängigen Kontrollgremiums vorzeitig abzubrechen. In der 18.000 Teilnehmer umfassenden Studie wurde das Mittel im Vergleich zum Gerinnungshemmer Eliquis der Rivalen Bristol-Myers Squibb und Pfizer bei Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko untersucht. Dabei zeigte sich eine unterlegene Wirksamkeit von Asundexian im Vergleich zum Kontrollarm der Studie. Das Unternehmen will nun die Daten weiter analysieren, um das Ergebnis besser zu verstehen.

Das Mittel sollte 2026 marktbereit sein und führte nach ersten Daten zu signifikant niedrigeren Blutungsraten als Eliquis. Erst Anfang November hatte Bayer das Studienprogramm mit Asundexian ausgeweitet und damit seine Hoffnungen in den Wirkstoff untermauert. Diese Studie für Patienten mit Vorhofflimmern ohne gegenwärtige Behandlungsmöglichkeit mit den derzeit verfügbaren Gerinnungshemmer-Tabletten sollte eigentlich die nun abgebrochene Untersuchung ergänzen. Weiter laufen soll eine Phase-3-Studie mit 9300 Probanden, in der Asundexian zur Prävention von ischämischem Schlaganfall getestet wird.

Bayer hatte im Januar die Spitzenumsatzerwartung für Asundexian veröffentlicht und damit Sorgen zerstreut, wie es nach dem Patentenablauf der Top-Medikamente - der Gerinnungshemmer Xarelto und das Augenmittel Eylea - Mitte des Jahrzehnts weitergeht. Denn lange galt die Pharmapipeline unter Analysten als zu schwach, um die anstehenden Umsatzausfälle auffangen zu können. Mit dem überraschenden Rückschlag bei Asundexian stehe die Pharmasparte vor erheblichen Herausforderungen, erklärten die Analysten von Barclays.

Dabei hat Anderson, der erst seit Juni im Amt ist, schon genügend Probleme zu lösen: Investoren erwarten von ihm eine Überprüfung der Konzernstruktur mit drei Sparten, zu denen neben Pharma auch der Agrarbereich und das Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten gehören. Neben der Beibehaltung von drei Divisionen sieht Anderson derzeit eine Trennung vom Consumer-Health-Geschäft oder der Agrarsparte Crop Science als die wesentlichen Möglichkeiten, die weiter ernsthaft geprüft werden. Zudem muss der ehemalige Roche-Pharmachef das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen, das unter der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto und der US-Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters schwer gelitten hatte.

Bayer verliert erneut Glyphosat-Prozess

Aus der Agrarsparte gab es zum Wochenende weitere schlechte Nachrichten: Der Konzern verlor innerhalb kurzer Zeit den vierten Glyphosat-Prozess in Folge, nachdem er zuvor neun Verfahren gewonnen hatte. Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Missouri verurteilte Bayer zur Zahlung von insgesamt 1,56 Milliarden Dollar an die vier Kläger Daniel Anderson, Jimmy und Brenda Draeger sowie Valorie Gunther. Anderson, Jimmy Draeger und Gunther führten ihre Krebserkrankung auf die Verwendung des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup von Bayer zurück.

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Bayer kündigte an, in Berufung zu gehen. „Im Unterschied zu früheren Verfahren haben die Gerichte in den jüngsten Fällen den Klägern unzulässigerweise erlaubt, die regulatorischen und wissenschaftlichen Fakten falsch darzustellen.“ Der Strafschadenersatz könnte in der Berufung reduziert werden, da er über die Vorgaben des Obersten Gerichtshofs der USA hinausgeht. Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO bewertete den Wirkstoff 2015 dagegen als „wahrscheinlich krebserregend“. Zuletzt standen noch für 52.000 der insgesamt rund 165.000 angemeldeten Ansprüche Einigungen aus.

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