Pharmazulieferer Wie Gerresheimer vom Hype um Abnehmspritzen profitiert

Der Verpackungsspezialist Gerresheimer beliefert große Pharmakonzerne mit Spritzen und Autoinjektoren für ihre Medikamente gegen Fettleibigkeit. Quelle: dpa

Neuartige Medikamente gegen Fettleibigkeit beflügeln nicht nur die Zahlen der Pharmakonzerne, sondern auch die des Verpackungsspezialisten Gerresheimer. Mittelfristig will der Zulieferer seinen Gewinn verdoppeln.

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Der Spezialverpackungshersteller Gerresheimer teilt sein Schicksal mit zahlreichen Konkurrenten aus der Verpackungsindustrie: Die Konsumenten interessieren sich für den Inhalt, ihre Hülle wirkt dagegen nebensächlich. Dabei sind Verpackungen in der Pharmabranche alles andere als egal. Die Verpackung, die im direkten Kontakt mit dem Arzneimittel steht, schützt das Medikament vor äußeren Einflüssen wie Licht, Temperatur und Erschütterung. Am Ende entscheidet sie also mit darüber, ob das Medikament seine gewünschte Wirkung entfalten kann oder nicht. Sie ist sogar so entscheidend, dass Medikamente nur in Kombination mit der Verpackung zugelassen werden. 

Gerresheimer ist einer der weltweit führenden Hersteller dieser Verpackungen. Das 1864 gegründete Düsseldorfer Unternehmen produziert heute mit 11.000 Mitarbeitern an 36 Standorten weltweit unter anderem Arzneimittelfläschchen, Insulin-Pens, Inhalatoren, Mikropumpen sowie Spritzen und Autoinjektoren. Derzeit sind besonders Letztere gefragt. Der MDax-Konzern profitiert von der hohen Nachfrage nach neuartigen Medikamenten gegen Fettleibigkeit. Die Medikamente auf Basis des Peptidhormons GLP-1 gelten in der Pharmaindustrie als der große Blockbuster der kommenden Jahre. Denn Studien haben gezeigt, dass sich mit den Spritzen innerhalb weniger Wochen15 bis 20 Prozent des Körpergewichts verlieren lassen.

Branchenexperten gehen bei GLP-1-basierten Präparaten bis 2030 von einem Marktpotenzial von 50 Milliarden Dollar und mehr aus. Tendenz steigend: Weltweit weisen immer mehr Menschen einen hohen BMI auf. Fast eine Milliarde Menschen gelten als krankhaft fettleibig. In Deutschland ist jeder fünfte Erwachsene betroffen.  

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Verlockt von attraktiven Absatzchancen drängen derzeit zahlreiche Hersteller auf den Markt, um Mittel auf Basis des Hormons zu entwickeln. Ende Juli führt das dänische Unternehmen Novo Nordisk seine Abnehmspritze Wegovy in Deutschland ein. Zugelassen ist sie hierzulande schon seit Anfang 2022. Die Nachfrage in den USA war bisher jedoch so hoch, dass für Deutschland nichts mehr übrig war. Das Präparat Mounjaro vom Konkurrenten Eli Lilly könnte zur Gewichtsreduktion Ende dieses Jahres zugelassen werden. Weitere Mittel sind in Vorbereitung.  

Von der hohen Nachfrage profitieren nicht nur Hersteller, sondern auch ihre Zulieferer. Zu ihnen gehört auch Gerresheimer. „Wir sind Kernlieferant für alle wesentlichen Marktteilnehmer mit einer breiten Palette von Lösungen“, sagte Geschäftsführer Dietmar Siemssen im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Namen nennt Siemssen nicht, doch in der Branche heißt es, sowohl Novo Nordisk als auch Eli Lilly gehörten dazu. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Verträgen arbeitet das Unternehmen eigenen Angaben zufolge an weiteren Abschlüssen. 

Konzernchef Dietmar Siemssen erhofft sich von den derzeitigen Trends der Pharmaindustrie weiteres Wachstum. Quelle: Gerresheimer

Siemssen geht davon aus, dass GLP-1 basierte Medikamente schon bald signifikant zum Konzernumsatz beitragen „Für uns ergibt sich ein Potenzial von mehreren hundert Millionen Euro Umsatz im Jahr“, kündigt der Unternehmenschef an. Nachdem Gerresheimer 15 Jahre lang gerade mal ein bis zwei Prozent gewachsen ist, waren es im vergangenen Jahr 16 Prozent. 2023 soll es zweistellig weitergehen. In den USA, Europa und Mexiko baut das Unternehmen deshalb derzeit seine Produktionskapazitäten aus. 

Fokus auf Technologisierung und Spezialanwendungen

Hergestellt werden sollen dort unter anderem Spritzen, Pens und Autoinjektoren, um die Hersteller von Medikamenten gegen Adipositas zu beliefern. Zusammen mit einem der Hersteller hat Gerresheimer ein individuelles Produkt, eine sogenannte Zweikammerspritze, entwickelt. Das Medikament des Herstellers ist empfindlich, lässt sich als Mischung nicht stabil lagern. In der Spritze befinden sich die zwei Flüssigkeiten deshalb in getrennten Kammern. Drückt man den Kolben, werden die zwei Flüssigkeiten vermischt und gemeinsam verabreicht.  

Davon erhofft sich Gerresheimer einen großen Vorsprung auf dem Markt. Ohnehin aber böten sich als Partner für die großen Pharmakonzerne nur wenige Alternativen an, heißt es bei Gerresheimer. „Es gibt nur eine Handvoll Unternehmen, die die nötige Kernkompetenz besitzen und in der Lage sind, die Kapazitäten entsprechend hochzufahren“, sagt Siemssen.

Dabei sind die neuen Medikamente längst nicht der einzige Pharmatrend, von dem Gerresheimer in den kommenden Jahren profitieren kann. Derzeit herrscht in der Industrie hoher Kostendruck, der den Trend zu Selbstmedikation bestärkt. Verabreichen sich die Patienten ihr Medikament selbst, senkt das die Kosten, weil kein Personal gebraucht wird. Das ist allerdings nur möglich, wenn die Produkte einfach angewendet werden können. Gerresheimer setzt bei seinen Produkten deshalb zunehmend auf Technologisierung und höherwertige Spezialanwendungen. Auch von der steigenden Nachfrage nach besonders empfindlichen Biotech-Wirkstoffen verspricht sich Siemssen weiteres Wachstum.  

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Dass dieses längst begonnen hat, zeigt ein Blick in die Unternehmenszahlen: Vergangene Woche hat das Unternehmen seine Halbjahreszahlen vorgelegt. Die Umsatzerlöse wuchsen im ersten Halbjahr 2023 organisch gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 16,6 Prozent auf 957,4 Millionen Euro. Das bereinigte Ebitda stieg organisch um 23,0 Prozent auf 185,2 Millionen Euro. 2023 sollen Umsatz und Ebitda um jeweils weitere zehn Prozent wachsen. Mittelfristig verfolgt Siemssen noch ehrgeizigere Ziele: „Wir steuern jetzt auf einen Umsatz von zwei Milliarden Euro zu, haben aber das Potenzial für drei bis vier Milliarden Euro Umsatz und auch darüber hinaus.“

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