Podcast Chefgespräch Warum KI das Geschäft mit Ventilatoren antreibt

Seit drei Jahren ist Klaus Geißdörfer Chef von EBM-Papst. Quelle: imago images

ChatGPT und Co. lösen ein Boom bei Datenzentren aus. Wie der deutsche Ventilatoren-Weltmarktführer EBM-Papst zum unverhofften Profiteur des KI-Hypes wird.

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Wer komplizierte Rechenaufgaben lösen will, muss cool bleiben. So etwa nördlich von Frankfurt, unweit der A5, wo das sonst so virtuelle Internet physisch sichtbar wird: Mehrere große graue Hallen heben sich in den Himmel, vor Eindringlingen geschützt hinter hohen Metallzäunen. Hier betreibt der IT-Anbieter NTT einen der größten Rechenzentren-Standorte in Europa. 

Auf mehr als 50.000 Quadratmetern steht hier Server neben Server. Die Geräte sollen zu 99,999 Prozent verfügbar sein, verspricht der Anbieter – sie fallen also angeblich so gut wie nie aus. Damit das gelingt, muss die gesamte Anlage zuverlässig gekühlt werden, denn die abertausenden Prozessoren erzeugen hier eine gewaltige Menge Wärme.

Darum stehen in den grauen Hallen hochpräzise Klimageräte. Sie saugen Luft an, die auf 36 bis 39 Grad Celsius erhitzt worden ist, filtern sie – und pusten sie, herabgekühlt auf 23 Grad, wieder in die Serverschränke zurück. Für den kontinuierlichen Luftstrom in den Geräten sorgen spezielle Ventilatoren eines Familienunternehmens aus Mulfingen in Baden-Württemberg: EBM-Papst.

„Wir kühlen die Cloud“

Der Hersteller vor allem von Ventilatoren und Elektromotoren hat Rechenzentren zu einem neuen vielversprechenden Marktsegment erkoren. „Für die nächsten Jahre sehen wir deutliches Wachstum in dem Bereich“, sagt Klaus Geißdörfer, Vorstand bei EBM-Papst, im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“. Weltweit sei eine massive technologische Veränderung im Gange – und davon will der Weltmarktführer für Lüfter- und Ventilatorentechnik profitieren. „Wir kühlen die Cloud“, gibt Geißdörfer die Marschrichtung vor.

In zahlreichen Rechenzentren von führenden Anbietern ist die Lüftungstechnik von EBM-Papst schon im Einsatz. Die Cloudzentren gehören zu den neuen technologischen Boom-Märkten. Grund dafür ist vor allem der Fortschritt bei Künstlicher Intelligenz: Die Marktforscher von Bloomberg Intelligence erwarten, dass der Markt für KI-Anwendungen in den nächsten zehn Jahren auf 1,3 Billionen Dollar wachsen wird. 

Schlaue Programme wie ChatGPT brauchen massive Kapazitäten an Rechenleistung. Bis zum Jahr 2028 soll sich darum die weltweite Leistung der weltweiten Großrechenzentren, auch Hyperscaler genannt, verdreifachen, so die Marktbeobachter von Synergy. Und die Rechenzentren werden nicht nur größer, sondern liefern auch mehr Leistung pro Fläche. Grafikkarten, wie sie für die Berechnung von KI-Anwendungen benutzt werden, leisten gigantische Mengen von Rechenoperationen pro Sekunden, die herkömmliche Prozessoren so nicht schaffen.

So viel Strom wie eine Stadt

Die Folge ist mehr Stromverbrauch: Große Rechenzentren schlucken so viel Strom wie eine kleine Stadt. Mehr Leistung pro Fläche lautet die Devise: Konsumierte ein durchschnittlicher Serverschrank, auch Rack genannt, zuletzt 36 Kilowatt Stromleistung, so sollen es im Jahr 2027 schon 50 Kilowatt sein, bei spezialisierten KI-Anwendungen sogar bis zu 100, sagen die IT-Marktforscher von IDC voraus.

Die Folge: Jeder Serverschrank erzeugt deutlich mehr Wärme, die abgeführt werden muss. „Die höheren Rack-Dichten verschärfen die Kühlanforderungen von Rechenzentren“, schreiben die Rechenzentren-Experten von JLL in ihrem jüngsten Branchenreport.

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Hier will EBM-Papst mit seiner Technik punkten. Der Hersteller hat Ventilatoren konstruiert, die die hohen Anforderungen in Cloud-Zentren besonders zuverlässig und effizient erfüllen sollen. Statt einen großen Ventilator setzen die Ingenieure aus Baden-Württemberg etwa mehrere kleine ein, die wie Würfel nebeneinander installiert werden. So soll sich die Leistung der Lüfter viel genauer an den Bedarf anpassen lassen, um Strom zu sparen – und wenn ein Gerät ausfällt, können die anderen einspringen.    

„In Datenzentren müssen sehr viele verschiedene Aggregate zusammenspielen“, sagt Vorstand Geißdörfer. „Das würde ich fast mit einem Orchester vergleichen.“ Wenn darin irgendwo eine Missstimmung aufkomme, entgleise das gesamte Konzert. Alle Teile müssten also harmonisch zusammenspielen. „Da braucht es spezielles Know-How“, sagt Geißdörfer, „und da haben wir sehr viel davon.“

Als der Manager im Jahr 2021 bei EPM-Papst antrat, entschied er sich für einen deutlichen Kurswechsel. So fuhr er das Geschäft mit der Autoindustrie konsequent herunter, stieß Projekte in dem Bereich ab. Erst vor wenigen Tagen hat EBM-Papst seine Sparte Industrielle Antriebstechnik an Siemens verkauft. Das Ziel sei, „uns zu fokussieren auf die Themen, wo wir einen Mehrwert leisten können, wo wir Weltmarktführer sind.“

Angetreten sei er aber vor allem, um Künstliche Intelligenz und Digitalisierung bei EBM-Papst an den Start zu bringen. Das will Geißdörfer jetzt vorantreiben. Weltweit hat das Unternehmen inzwischen mehr als eine Milliarde Ventilatoren installiert. Potenziell steckt darin ein riesiger Datenschatz. Daten erheben vor allem die dort eingebauten Sensoren. Schlaue Algorithmen sollen diese Daten aus den Geräten und in der Cloud auswerten. 

KI entdeckt, wenn ein Filter verstopft ist

Künstliche Intelligenz soll etwa analysieren, wie die Geräte sich im Einsatz verhalten und wie sie in Gebäuden die beste Luftqualität bereitstellen können. Letztlich geht es darum, dass die Anlagen noch deutlich effizienter arbeiten, damit die Datenzentren ihre gigantischen Stromrechnungen senken können. Obendrein sollen smarte Algorithmen helfen, verstopfte Filter oder einen vereisten Ventilator zu identifizieren und so Ausfälle rasch zu erkennen oder sogar vorherzusagen.

Im Februar wurde EPM-Papst neues Mitglied im KI-Innovationspark IPAI im Norden von Heilbronn. In einem eigenen Büro sollen hier Spezialisten neue KI-Anwendungen entwickeln, mit denen das Unternehmen seine Position als Weltmarktführer verteidigen will. 

Der technische Wandel wird auch bei der Kühltechnik nicht haltmachen, das ist auch Vorstand Geißdörfer klar. So prophezeien die Marktforscher von JLL, dass in Datenzentren künftig zunehmend Flüssigkühlung zum Einsatz kommen wird, bei der die Hitze etwa  mit Wasser abgeführt wird. „Es gibt durchaus technologische Themen, die dazu führen können, dass nicht mehr so viele Lüfter gebraucht werden“, sagt Geißdörfer. Doch für die nächsten Jahre sieht er dank des Cloud-Booms für sein Ventilatorengeschäft vor allem eines: Rückenwind.

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