Regierungswechsel auf den Balearen Freie Fahrt für Kreuzfahrtschiffe, mehr Bauland für den Tourismus

Quelle: Pro Imago Life

Die Regierung der Balearen ist auf die rechtsextreme Partei Vox angewiesen. Auf Mallorca zeigt sich, wozu das führt: Es fallen Steuern für Wohlhabende. Und der Massentourismus bekommt weitgehend freie Bahn.

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Matthias Meindel dreht sich in diesen Tagen schon mal der Magen um. Er wohnt und arbeitet auf Mallorca – wenn er sich nicht gerade in Leipzig aufhält, wo er ein Immobilienbüro unterhält. Seit Jahren verfolgt Meindel in Ostdeutschland mit Sorge den Aufwind für den Rechtsextremismus. Nun biete sich ihm in seiner Wahlheimat das gleiche Horrorszenario, sagt er. Die rechtsextreme Vox-Partei bekam auf den Balearen mit der Zeit immer mehr Zulauf: Die neue konservative Ministerpräsidentin der Region regiert nur dank einer Vereinbarung mit den Rechten. 

Bei den nationalen Parlamentswahlen sieht es anders aus: Die Rechten haben am Sonntag viel weniger Stimmen bekommen als von Umfragen vorausgesagt. Das Ergebnis ist ein Patt zwischen Linken und Konservativen. Neuwahlen scheinen möglich. Sollte Vox dabei doch noch eine Rolle in der Regierung bekommen, drohen tiefgreifende Veränderungen im Land –das zeigt die Lage auf Mallorca.

Auf den Balearen haben die zuvor regierenden Linken (PSOE, UnidasPodemos) die Regionalwahlen am 28. Mai verloren. Die neue Regierung schaffte sofort die Erbschafts- und Vermögenssteuer ab – genauso wie das Umwelt- und Gleichberechtigungsministerium. Die Regierung unter Duldung der rechtsextremen Vox-Partei will zudem Restriktionen für neue Bauprojekte streichen und mehr Lizenzen für Ferienwohnungen vergeben.

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Die Linken hatten auf den Balearen Ziele, die mit der EU abgestimmt waren: Sie wollten die Inseln unabhängiger machen vom Massentourismus mit seinem prekären Arbeitsmarkt. Es flossen zunehmend Gelder aus Brüssel, um auf Mallorca eine grüne Wasserstoffproduktion zu errichten und die Wirtschaft zu diversifizieren.

Bislang läuft die Wirtschaft auf den Inseln nur wenige Monate des Jahres auf Hochtouren: Laut dem Human Pressure Index, den unter anderem das World Conservation Monitoring Centre ermittelt, leben auf den Balearen im August 2.048.000 Menschen, im Winter dagegen nur gut die Hälfte.

Um die auch deshalb nötigen Sozialleistungen zu finanzieren, hob die linke Regierungschefin Francina Armengol (PSOE) sukzessiv die Steuern für Wohlhabende an. Sie griff auch in die Ferienvermietung ein und limitierte die Zahl der Hotelbetten - was etwa deutschen Investoren gegen den Strich ging. Immobilienunternehmer Meindel ist eine der wenigen Ausnahmen.

„Wir begrüßen alle Maßnahmen, die das Investieren hier leichter machen“

Wurde Armengols Management während der Pandemie noch weitgehend gelobt, kippte die Stimmung in den vergangenen Monaten zusehends. Ähnliches war landesweit zu beobachten, obwohl die spanische Wirtschaft nach Ansicht fast aller internationalen Wirtschaftsinstitute grundsätzlich auf einem guten Weg ist.

Inzwischen kostet ein Apartment auf den Balearen im Durchschnitt fast doppelt so viel wie auf nationaler Ebene: 346.499 Euro im Vergleich zu 188.036 Euro. Quelle: Pro Imago Life

Seit dem 7. Juli ist Margalida Prohens von der konservativen PP Regierungschefin der Balearen. Sie hat zuvor einen gemeinsamen Nenner mit der rechtsextremen Vox finden müssen: Auf deren Unterstützung ist sie angewiesen, weil ihr eine absolute Mehrheit fehlt. 

Und nun fallen diverse Beschränkungen für den Massentourismus. Prohens Vorgängerin Armengol wollte dagegen verhindern, dass Deutsche, Skandinavier, Osteuropäer und Amerikaner sukzessiv immer mehr Grundstücke und Gebäude auf der Insel in Besitz nehmen. „Wir begrüßen alle Maßnahmen, die das Investieren hier leichter machen“, gibt der auf Mallorca lebende deutsche Makler Timo Weibel zu, der zu den Befürwortern der neuen Tourismus- und Steuerstrategie der Balearenregierung gehört.

Meindel sieht das anders: „Wenn sich die eigene Bevölkerung das Leben nicht mehr leisten kann auf Mallorca und Ibiza, dann sprengt das eine Gesellschaft“, sagt er. Der Deutsche wünscht sich mehr Nachhaltigkeit für seine zweite Heimat. Er selbst baute in den vergangenen Jahren eine kleine leerstehende Fabrik in Inca in ein kleines Hotel für Radfahrer um: „Ich will, dass es ganzjährig funktioniert. Das sollte unser aller Ziel hier sein:  zu nutzen, was wir schon haben und zwar im ganzen Jahr.“   

Auch Restriktionen für Kreuzfahrtschiffe sollen fallen

Es ist nicht notwendig, ein linker Umweltschützer zu sein, um sich vorzustellen, was passiert, wenn die Küsten weiter zugebaut werden. Im vergangenen Jahr kamen 13 Millionen Touristen auf die Balearen, drei Millionen mehr als im Jahr 2008 – Tendenz steigend. Die meisten Investoren freut das; „Denn selbst, wenn es hier auf Mallorca mal nicht so gut läuft, fallen die Preise im Luxussegment aufgrund der Beliebtheit der Insel nicht. Die deutschen Besitzer hier sitzen Krisen aus. Es gibt in ruhigeren Phasen weniger Transaktionen, aber die Preise sinken nicht“, sagt Weibel. Im Moment ziehe der Markt wieder an, das Interesse aus Deutschland nehme wieder zu.

Einige wie Meindel bezweifeln jedoch, dass diese Wachstumsstrategie langfristig weiter zu verfolgen ist. Es fehle dem Land an Wasser, der Meeresspiegel steige und die Hitze im Sommer werde immer unerträglicher, warnen sie. Die neue Rechtsregierung will davon nichts wissen. Sie will sogar die Restriktionen für Kreuzfahrtouristen aufheben.

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Die frühere Regierungschefin Armengol hatte bewirkt, dass ab diesem Jahr nicht mehr als drei Kreuzfahrtschiffe pro Tag in Palma zusammentreffen dürfen, und nur eines davon sollte eine Kapazität von mehr als 5.000 Passagieren haben. Dass sich viele Menschen über das Verkehrschaos und die Menschenmassen in Palma aufregen, dass während der Pandemie die Inseln besonders litten, neu geschaffene Suppenküchen voll waren und viele Bars und kleine Hotels pleitegegangen sind, weil die Abhängigkeit der Balearen vom Tourismus viel zu groß ist – das haben viele schon wieder vergessen.

Auch Armengol konnte den enormen Preisanstieg von Mieten und Immobilien nicht stoppen. Nach Angaben im spanischen Eigentumsregister (Colegio de Registradores) kostet ein Apartment auf den Balearen inzwischen im Durchschnitt fast doppelt so viel wie auf nationaler Ebene: 346.499 Euro im Vergleich zu 188.036 Euro.

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Meindel und andere befürchten jedoch, dass mit einer landesweiten Rechtsregierung noch mehr in seiner Wahlheimat aus den Fugen geraten könnte: dass der soziale Frieden in Gefahr gerät. Im Moment scheint dieses Szenario angesichts des Ergebnisses der nationalen Parlamentswahlen nicht einzutreten. Mögliche Neuwahlen aber bleiben abzuwarten.

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